Gespräch am Wochenende Thomas Mentzel aus Meckenheim über seinen Lyrikband „Eis essen“

Meckenheim · Darf man eine Lyriksammlung mit dem Titel „Eis essen“ als „Lecktüre“ bezeichnen? Kann man sicherlich, wenn ein Autor wie Thomas Mentzel die Verse ersonnen hat. Der Meckenheimer Schöngeist ist Blogger, Buchautor, Maler und wie er selbst sagt „Faxenmacher und Tagespoet“.

 Eisessen inspiriert Thomas Menzel. In Eisdielen entstand schon so manches seiner Gedichte.

Eisessen inspiriert Thomas Menzel. In Eisdielen entstand schon so manches seiner Gedichte.

Foto: Mario Quadt

Wir sitzen uns in einem Eissalon gegenüber. Was darf es heute sein?

Thomas Mentzel: Ich denke mal, dass heute ein eher kühler Tag ist. Darum nehme ich einen Kiwi-Becher. Da sind viele Vitamine drin. Ich habe mal gelernt, die Kiwi sei eine der Vitamin-C-reichsten Früchte.

Eis-Puristen trauern der Zeit nach, als die Auswahl an der Eistheke allenfalls aus Vanille, Schokolade und Erdbeere bestand. Heute scheint der Einfallsreichtum keine Grenzen zu kennen: Meine Kinder haben jüngst Spongebob-Eis gekostet...

Mentzel: Aha.

Inspiriert von der gelben Comicfigur... Und ich habe Basilikum-Eis probiert. Wäre da was für Sie dabei?

Mentzel: Basilikum-Eis ist super. Nicht super finde ich dagegen Knoblauch-Eis. Gouda-Eis ist auch nicht wirklich mein Fall.

Weil Sie es probiert haben?

Mentzel: Das habe ich auch schon probiert. In Kaiserslautern gibt es eine Eisdiele, die haben Knoblauch-Eis.

Sie probieren also auch gerne, was Sie noch nicht kennen?

Mentzel: Es muss nicht unbedingt Comic-Eis sein. Aber sortenmäßig immer gerne. Es käme darauf an, was drin ist.

Ihr neues Buch dreht sich um viele Themen. Warum haben Sie es „Eis essen“ genannt?

Mentzel: Weil einige Gedichte in dem Buch durchaus beim Eisessen entstanden sind – beziehungsweise beim Espressotrinken in der Eisdiele. Ich sitze ganz gerne in Eisdielen und gucke mir die Menschen und den Tag an – und schreibe dann dabei.

Sehr beeindruckt hat mich das Gedicht „Manchmal“. Darin beschreiben Sie den morgendlichen Augenblick kurz vor der Dämmerung, wenn sich „Nutten mit Asbach und Mariacron die Schminke aus dem Gesicht waschen“, wie Sie schreiben. Wo treffen Sie solche Menschen – kurz vor der Dämmerung?

Mentzel: Morgens um vier Uhr in Großstädten wie Berlin, Köln, Frankfurt oder München. Wenn ich unterwegs bin, schlafe ich oft nicht gut. Dann ziehe ich mich an und laufe durch die Stadt, das finde ich besser, als mich in irgendeinem Hotelbett von links nach rechts und wieder zurück zu drehen. Und da passiert es, dass man solche Bilder sieht, wie ich sie beschreibe.

Im Poem „Duckmäuser“ drücken Sie in drei Versen Dinge aus, mit denen sich die ganze Welt erklären lässt. „Um feige zu sein, fehlt mir der Mut. Um schwach zu sein, fehlt mir die Kraft. Um still zu sein, fehlt mir die Stimme.“ Wie lange brauchen Sie, um so viel auszudrücken?

Mentzel (überlegt): Das kann ich nicht sagen. Manche Dinge kommen innerhalb von Sekunden und Minuten – so schnell, wie man sie lesen kann. Ich habe eine ganz große Zettelkiste. Da hinein kommen Gedanken, die ich mir aufschreibe. Ich weiß, dass gerade dieses Gedicht nur drei Minuten gedauert hat. Es war die Reaktion auf ein Gebrüll, das sich am Milchbüdchen auf dem Münsterplatz in Bonn ereignet hat. Während dieses Beziehungsknatschs kamen mir die Zeilen. Ich kann selten genau sagen, wo es herkommt. Manchmal höre ich einen Satzfetzen. Das kann vom Nebentisch kommen oder aus dem Radio. Ich fange an, mit diesem Bruchstück zu spielen. Irgendwann wird etwas draus.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingstext im Buch?

Mentzel: Ich mag „Manchmal“ sehr gerne. Dazu habe ich auch eine musikalisch untermalte Version gemacht. Ich mag meine Liebessachen ganz gerne. Und ich mag „In Florenz wäre vieles anders“ sehr gerne. Die Verse sind ja alle wie Kinder für mich. Man mag bei seinen eigenen Kindern nicht wirklich das eine bevorzugen.

Worüber wollen Sie sich noch in gedichteter Form Gedanken machen?

Mentzel: Wenn ich ein Thema wüsste, über das ich mir noch keine Gedanken gemacht hätte, dann hätte ich mir über dieses Thema Gedanken gemacht... Ich denke aber, ich muss mich wieder etwas häufiger dem politischen Menschen in mir widmen. Gerade jetzt. Ich sehe mit Erschrecken den Vormarsch von diversen Leuten: Die und deren Ansichten möchte ich ganz sicher nicht wieder hier haben – und das in beide politischen Richtungen, rechts wie links.

Sie haben längere Zeit Ihres Lebens in Taormina auf Sizilien verbracht. Als Trump jüngst auf seine ganz besondere Art dort weilte, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Mentzel: Der hat da nichts zu suchen. Als ich die Bilder von dem gesehen habe, dachte ich: Weder der noch die anderen haben dort wirklich etwas zu suchen. Zumindest nicht in ihrer Funktion als Politiker. Wenn die sich als Menschen dort aufhalten, finde ich das in Ordnung.

Seit 2009 leben Sie wieder im Rheinland. Was mögen Sie am Leben in Meckenheim?

Mentzel: Ich bin innerhalb von zwei Minuten im Wald. Ich bin innerhalb von zwei Minuten in den Obstfeldern. Und innerhalb von fünf Minuten bin ich in der Stadt. Ich habe hier Ruhe. Ich habe hier teilweise einen unverstellten Blick. Wenn ich an meinem Küchenfenster stehe, kann ich runtergucken bis knapp vor Eschweiler. Wenn ich auf meinem Balkon stehe, kann ich bis ins Siebengebirge gucken. Das könnte mir Bonn oder Bad Godesberg nicht bieten.

Sie sind bundesweit viel auf Kleinkunstbühnen unterwegs, heute um zu lesen, früher um zu singen. Einen Termin Meckenheim suche ich auf Ihrer Internetseite aber bislang vergebens. Wann wird es eine Lesung in Meckenheim geben?

Mentzel: Am Freitag, 23. Juni, 19.30 Uhr, keine 200 Meter von hier im „Café in der Mitte“ am Neuen Markt. Es ist symbolischer Ort – früher eine Buchhandlung. Ich lese zusammen mit Peter Reuter. Er ist ein gleichaltriger Freund von mir aus der Südpfalz, der aus seinem neuen Buch „Randnotizen“ lesen wird. Peter hat zu „Eis essen“ das Vorwort geschrieben, ich habe bei seinem Buch das Cover gestaltet. Joshua Clausnitzer moderiert. Für uns „alte Säcke“ ist die Zusammenarbeit mit jemandem, der so viel jünger ist, durchaus positiv. Wir können immer viel voneinander lernen. Und außerdem ist Joshua quasi mein Nachbar. Er wohnt Luftlinie 300 Meter von mir entfernt. Der Eintritt ist frei, wir lassen zum Schluss einen Sektkübel rundgehen.

Das 232 Seiten starke Buch „Eis Essen - lyrische Gedanken“ isterschienen bei Twentysix/Random House und kostet 12,90 Euro.

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