Am Ende knattert die Kettensäge Theatergruppe in Heimerzheim erinnert an gefällte Bäume

SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Eine Theatergruppe in Heimerzheim erinnert an die Kirschgärten, die 1969 für Neubauten weichen mussten. Damit wird auch ein Stück Geschichte in der Region lebendig.

 Applaus für die Aufführung: Die Theatergruppe mit den jungen Balletttänzerinnen.

Applaus für die Aufführung: Die Theatergruppe mit den jungen Balletttänzerinnen.

Foto: Matthias Kehrein

Als die Gemeinde Swisttal entstand, war vieles anders. Studenten trugen die Haare lang, die Beatles waren auf ihrem Höhepunkt und Heimerzheim hatte nur rund 2000 Einwohner, dafür aber prächtige Kirschgärten an den Hängen. Diesen widmete eine Projektgruppe nun zum 50. Geburtstag der Gemeinde ein kleines Theaterstück. Es ging zurück ins Jahr 1969 und zur Debatte darüber, ob man diese Gärten in Baugebiete umwandeln sollte. Der Literaturkreis der kfd und der Arbeitskreis Heimat haben geholfen, diese Geschichte aufzuarbeiten.

Im voll besetzten Pfarrzentrum schaute das Publikum am Sonntag ins Wohnzimmer von Großbauer Michael, gespielt von Hermann Menth. Seine Tochter Anna (Sonja Ellmer) möchte Peter (Udo Ellmer) heiraten. Und dabei entwickelt sich ein Gespräch um die Zukunft des Paares, die eng mit den Kirschgärten zusammenhängt. Immobilienmakler Rudolf (Oliver Weiler) möchte die Gärten bebauen, denkt dabei aber auch an seinen eigenen finanziellen Vorteil. Gutsverwalter Karl (Karl Wirtz) will die Gärten dagegen erhalten. Auf exakte Bezüge zu echten Personen habe die Gruppe verzichtet, wie Menth betonte. Wer wollte, konnte aber den einen oder anderen Akteur von damals wiedererkennen.

Angelehnt an Anton Tschechows Komödie „Der Kirschgarten“, in der es um technischen Fortschritt und gesellschaftlichen Wandel in Russland um 1900 geht, haben Regine Weidemeier und Gerta Bauer vier kurze Szenen mit viel Lokalkolorit verfasst. Die Akteure erzählen vom Dicken Stein, dem die Mädchen Wünsche zuflüstern. Kirschpflückerinnen (Angela Garus, Gundi König, Sonja Kleebank, Edeltraud Buckesfeld) beschreiben ihre Arbeit. Ältere Bürger erinnern an den Krieg. Und alle diskutieren, ob man ohne die Gärten zur „seelenlose Schlafstadt für Bonn“ werde. Es kommt sogar zu einem Handgemenge zwischen zwei alten Heimerzheimern (Fred Garus und Jakob Rupperath). Auch wer sich nicht mehr an die blühenden Bäume erinnern kann, versteht, welche Fragen der Strukturwandel aufgeworfen hat.

Außerdem erfahren die Zuschauer, dass für die Entstehung der Gärten der Herr von Carnap von der Burg Kriegshoven verantwortlich war. Angesichts schlechter Erträge bei Getreide und Tierfutter habe der die Böden testen lassen und den Anbau von Obstbäumen empfohlen. Doch durch die Ansiedlung des Chemisch-Technischen Instituts, des Bundesgrenzschutzes und durch die Nähe zur Bundeshauptstadt Bonn entstand in Heimerzheim großer Bedarf an Wohnraum. Neubürger (Andreas Trübger) passen nicht, „und evangelisch sind die auch noch“, meinte dazu ein Akteur. Andererseits gehe es um viel Geld, so die Überlegungen der anderen.

Mit einem Zeitsprung geht es in den Herbst des Jahres 1969. Eine Ballettgruppe probt für die Kirmes. Es sind die Vor-, Kinder- und Jugendballettklassen von Frank Johannes Knepper. Und da knattert im Hintergrund eine Kettensäge, die ersten Bäume fallen. An ihrer Stelle stehen heute Häuser am Höhenring. Der Ort ist groß geworden, zählt heute gut 6000 Einwohner, viele fühlen sich zugehörig. Das beweist das Publikum, als es das „Heimerzheimer Heimatlied“ anstimmt. Dieses Stück Heimatgeschichte gefällt so gut, dass noch am Sonntagabend spontan eine zweite Vorführung angesetzt wird. Beim ersten Termin hatten nicht alle Interessierten einen Platz gefunden, nun kamen ein paar Besucher sogar wieder.

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