Aktion Jungengesundheit In Heimerzheim machen Kinder Judo statt Computerspiele

Swisttal-Heimerzheim · Reale Kämpfe gegen digitale Ballerei: Ein Angebot des Kreisjugendamtes lockt weniger Jungen an als erwartet in die Dreifachturnhalle in Heimerzheim. Schwarzgürtel trainieren Kinder.

 Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner versucht sich an einem Seoi-nage-Wurf, mit dem sie Robert Wodok auf die Matte wirft.

Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner versucht sich an einem Seoi-nage-Wurf, mit dem sie Robert Wodok auf die Matte wirft.

Foto: Matthias Kehrein

Axana ergreift Julians rechten Arm, zieht ihn zu sich herüber, dreht sich und versucht, den Sechsjährigen über den Rücken auf den Boden zu werfen. Die Siebenjährige aus Alfter war eines von elf Kindern, die jetzt im Workshop des Judo Clubs Swisttal in der Dreifachturnhalle in Heimerzheim die ersten Handgriffe des japanischen Kampfsports ausprobierten. Es war die zweite Veranstaltung des Rhein-Sieg-Kreises in der Reihe „Veränderte Lebenswelten: Jungengesundheit und Medien“. Noch bis Mittwoch, 7. März, können Kinder, Eltern und Pädagogen über Problemfelder wie Internetsicherheit, Computerspiele, Freizeitverhalten sowie Wirkung virtueller Spielewelten von Jungen diskutieren.

Unter der Devise „Judosport als Alternative zu digitalem Kämpfen“ richtete sich das Angebot besonders an Jungen, die – statt nur am PC und Smartphone – einen Einblick in die reale Welt der Kampftechnik erlangen sollten. Allerdings – die meisten Teilnehmer waren Vereinsmitglieder, die beim Training ihre bereits erlernten sportlichen Kniffe zeigten. „Ich hatte erwartet, dass mehr Kinder kommen“, bedauerte denn auch Klaus Kirste, Gründer des Swisttaler Judo Clubs vor 40 Jahren und seitdem dessen Vorsitzender, das mangelnde Interesse.

„Du musst deinen Gegner aus dem Gleichgewicht bringen. Halt die Jacke fest und zieh kräftig“, rät Wolfgang Dax-Romswinkel, pädagogischer Leiter des Kreismedienzentrums, den jugendlichen Nachwuchssportlern. Er ist erfahren und kennt sämtliche Tricks und Kniffe im Judo, wurde ihm doch der siebte Dan (Nanadan) für besondere Leistungen verliehen. Und die kann der Bonner vorweisen, erkämpfte er sich doch mit seiner Kata-Partnerin Ulla Loosen als erste Nichtjapaner den Weltmeistertitel im Juno-Kata. „Ihr müsst den Gegner auch zu Fall bringen“, ruft Dax-Romswinkel und korrigiert immer mal wieder die Körperhaltung seiner Schützlinge.

Das Gefühl vom richtigen Kämpfen

Begeistert vom Judo zeigte sich Elisabeth Wilhelmi-Dietrich, Leiterin des Jugendhilfezentrums des Kreises für Alfter, Swisttal und Wachtberg. „Dieser Sport erfordert Disziplin. Dabei erfahren die Kinder, wie sich richtiges Kämpfen anfühlt und dass man weder sich noch andere verletzt, aber trotzdem mit vollem Einsatz dabei ist. Das unterscheidet den Sportler vom digitalen Kämpfer“. Sie findet, dass gerade Judo als Freizeitbeschäftigung für „unruhige Kinder“ besonders geeignet sei, „da es bei diesem Sport feste Regeln gibt“.

Hier und da zeigten Dax-Romswinkel und Co-Trainer Andreas Tölzer – ein Judoka von Weltrang, der 2012 eine Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen hat –, wie der Gegner mit gut durchdachten und sauberen Handgriffen zu Boden gebracht werden kann.

„Es ist ein Kampfsport. Und das finde ich einfach toll“, so Julian, der den Erklärungen beider Trainer konzentriert lauschte. Aufmerksam beobachtet auch Klaus Kirste das Kampfverhalten der jungen Teilnehmer. „Beim Training sieht man schon Talente. Wie bei Simon. Der hat einfach Biss.“ Seit einem Jahr ist der Siebenjährige dabei und hat schon seine erste Prüfung abgelegt.

Simon steht mit seiner Judo-Karriere noch ganz am Anfang. Das Lernpensum eines Judokas ist ziemlich umfassend. „Die Technik zu vermitteln ist schwierig, da wir auf Japanisch kommunizieren“, sagt der 79-jährige Kirste, der immer noch einmal in der Woche das Training leitet und Techniken auf der Matte zeigt.

Jungenförderung in Kitas, Grundschulen und Vereinen

Aber auch er hat mit den Übungen in der Handtechnik angefangen. „Mit konsequentem Gleichgewichtsbruch sowie einer sauberen Ausführung des Wurfprinzips kann auch der körperlich Benachteiligte zum Erfolg kommen“, erklärt Robert Wodok, der seit 2013 zweimal in der Woche den Nachwuchs trainiert.

Mit einem Workshop im Judo sollen den Jungen alternative Freizeitmöglichkeiten geboten werden. Der Kreis möchte damit besonders auf die Bedürfnisse der Jungen eingehen, denn „wir haben festgestellt, dass die Jungen zu den Bildungsverlierern gehören, im Schulsystem auffälliger sind und in der Jugendhilfe eher auftauchen“, so Wilhelmi-Dietrich.

Schon 2015 wurden Projekte zur Jungenförderung in Kitas, Grundschulen und Vereinen durchgeführt. 2018 steht der Medienkonsum der Kinder im Fokus der Veranstaltungen.„Die Reaktion ist bisher sehr positiv“, freute sich denn auch Wilhelmi-Dietrich. Für sie steht jetzt schon fest, dass der Judoworkshop in Kooperation mit dem Swisttaler Club nach den Sommerferien wiederholt werden wird. Axana genoss das zweistündige Training. Sie möchte mit der Sportart weitermachen.

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