Gespräch am Wochenende Heimerzheimer ist Europameister im Ironman

Swisttal-Heimerzheim · Der Mann ist drahtig, wiegt 65 Kilo. Wenn Jochen Sackel (77) vor einem Wettkampf komplett austrainiert ist, bringt er gar nur 60 Kilo auf die Waage. In seiner Altersklasse konnte er beim 16. Ironman European Championship in Frankfurt den ersten Platz erringen.

 Jochen Sackel auf der Strecke.

Jochen Sackel auf der Strecke.

Foto: privat

Zunächst einmal Glückwunsch zu Ihrer Leistung. Nach wie vielen Tagen kann man nach einem solchen Ironman-Wettkampf wieder normal gehen?

Jochen Sackel: Das dauert schon drei bis vier Tage, bis ich wieder einen normalen Schritt drauf habe und wieder Sport treiben kann. Die Treppe herunter schaffe ich dann nur mit den Händen abgestützt am Handlauf. Die ersten Tage schwimme ich nur, das entspannt ja. Dann fange ich langsam wieder mit dem Laufen an. Erst mal ganz moderat fünf oder sechs Kilometer. Die Regeneration dauert doppelt so lange wie bei jungen Sportlern. Das ist auch während des Trainings der Fall. Das heißt, ich kann weniger trainieren.

Wann haben Sie mit dem Ausdauersport begonnen?

Sackel: Ich habe seit meiner Jugend immer schon viel Sport getrieben. Ich war Geräteturner und habe bei den Berliner Meisterschaften den Zwölfkampf bestritten. 1962 war ich über 200 Meter Rückenschwimmen und in der 4-mal-100-Meter-Staffel Berliner Meister. Ich habe auch Faustball gespielt und Fußball. Aber da bin ich als Rechtsaußen verhungert. Fußball war nicht so mein Ding. Ab 1970 habe ich mich aufs Laufen konzentriert. Erst mal fünf Kilometer durch den Spandauer Forst.

Wann sind Sie Ihren ersten Marathon gelaufen?

Sackel: Das war 1974 der Berlin-Marathon. Den Lauf habe ich ab Kilometer 25 bitter bereut.

Warum?

Sackel: Ich hatte bis dahin nur Distanzen bis 20 Kilometer trainiert. Ich habe den Lauf zwar beendet, aber zwischendurch musste ich mich immer wieder hinsetzen. Ich war fix und fertig. Im Ziel war ich nach 4:10 Stunden. Dieser erste Marathon war ein Schlüsselerlebnis für mich. Von da an wusste ich: Ich muss mich besser vorbereiten, wenn ich einen Wettkampf erfolgreich bestehen will.

Wie lange bereiten Sie sich auf einen Ironman vor?

Sackel: Ich trainiere das ganze Jahr über. Als Rentner habe ich ja viel Zeit. Die spezielle Vorbereitung auf einen Triathlon beginnt bei mir acht Monate vor dem Wettkampf.

Wie viele Wettkämpfe absolvieren Sie im Jahr?

Sackel: Mittlerweile im Jahr nur noch einen Ironman. Das reicht. Von 1974 bis 1996 bin ich etwa ein Dutzend Marathons gelaufen. Meine Bestzeit habe ich in Köln gelaufen: 2:56 Stunden. Jetzt schaffe ich die 42 Kilometer noch in 3:40 Stunden. Seit 1996 habe ich etwa 40 Triathlons absolviert.

Wie motivieren Sie sich für eine solche Quälerei?

Sackel: Es ist für mich keine Quälerei. Ich habe mich mein Leben lang gerne bewegt. Es macht mir Spaß, draußen in der Natur, im Wald zu laufen. Auch wenn es regnet. Und es ist auch der Erfolg, der einen motiviert. Ich stand bei jedem Ironman in meiner Altersklasse auf dem Treppchen. Dieses Ziel habe ich immer vor Augen. Bei jedem Training.

Haben Sie Musik auf dem Ohr, wenn Sie trainieren?

Sackel: Nein. Wenn ich morgens um 7 Uhr durch den Kottenforst laufe, die Sonne den Nebel hochtreibt und ich die ersten Vogelstimmen höre, brauche ich keine Musik im Kopfhörer. Ich kann auch die Stille gut genießen.

Hören Sie denn zu Hause gerne Musik?

Sackel: Ich bin mit Swing und Rock'n'Roll groß geworden. Das höre ich auch heute noch gerne.

Wie sieht Ihr Trainingsplan aus?

Sackel: Im Sportpark Nord bei den SSF Bonn schwimme ich pro Woche acht bis neun Kilometer. Verteilt auf drei Einheiten. Ich laufe dreimal die Woche, verschiedene Distanzen, insgesamt 60 Kilometer. An der Swist entlang bis Flerzheim oder durch den Kottenforst. Im Triathlon ist es notwendig, Koppeleinheiten zu trainieren, das heißt vormittags laufen und nachmittags Rad fahren und umgekehrt. Meine Radtouren fahre ich meistens in der Eifel. In der Wettkampfphase kommen da schon mal 220 Kilometer zusammen. Außerdem trainiere ich im Fitnessstudio meinen Muskelapparat, denn die Statik muss beim Laufen stimmen. Und vorm Fernseher mache ich Gymnastik.

Hat sich die Intensität Ihres Trainings im Laufe der Jahre verändert?

Sackel: Ich reduziere das Tempo, aber nicht den Umfang des Trainings. Intensität und Leistung lassen natürlich mit zunehmendem Alter nach.

Haben Sie das bewusst wahrgenommen?

Sackel: Als ich so um die 70 war, ließen meine Zeiten merklich nach.

War das ein mentales Problem für Sie?

Sackel: Nein. Das hat mich nicht groß beschäftigt. Ich vergleiche mich ja nicht mit 20- oder 30-Jährigen, sondern mit den Sportlern in meiner Altersklasse.

Haben Sie Ihre Ernährung an Ihren Sport angepasst? Was essen Sie, was nicht?

Sackel: Als junger Mann habe ich 40 Zigaretten am Tag geraucht. Als ich damit aufgehört hatte, fühlte ich mich gleich besser. Zur Ernährung: Ich esse alles, aber in Maßen. Viel Salat und Obst, aber auch mal Schweinebauch.

Es gibt Ärzte, die behaupten, lange Laufstrecken seien nicht gerade gut für Muskeln, Sehnen und Gelenke. Wie denken Sie darüber?

Sackel: Damit haben sie nicht Unrecht. Vieles hängt von einer guten Vorbereitung ab. Ich muss das Training für einen Marathon behutsam angehen. Die Muskulatur passt sich der Belastung schnell an, aber bis sich Sehnen und Gelenke an die Belastung eines Marathons angepasst haben, das dauert Jahre. Bevor man ein solches Ziel ins Auge fasst, sollte man sich ärztlich durchchecken lassen.

Was nehmen Sie während eines Ironman oder eines Marathonlaufs zu sich?

Sackel: Power-Gels und Bananen. Die Kohlehydrat-Depots müssen ständig aufgefüllt werden.

Sie müssen ein Vermögen für Schuhe ausgegeben haben. Wie viele Paar verschleißen Sie im Jahr?

Sackel: So viele sind das gar nicht. Ich habe ständig sechs Paar im Gebrauch. Zwei Paar im Jahr sortiere ich aus.

Wie bekämpfen Sie den „toten Punkt“ während eines Rennens?

Sackel: Ich versuche, einen körperlichen Tiefpunkt mental wegzudrücken. Ich stelle mir beispielsweise ein frisches Bier am Ziel vor und bemühe mich so, schneller ans Ziel zu kommen.

Was kann Sie am Laufen hindern?

Sackel: Gewitter, Hagel, Eis und Schnee. Das ist mir dann doch zu unsicher. Die Verletzungsgefahr ist zu groß.

Sie haben im Jahr 2000 den zweiten und 2003 den dritten Platz in Ihrer Altersklasse beim Ironman auf Hawaii belegt. Was macht die Faszination dieses Wettkampfs aus?

Sackel: Hawaii ist für einen Triathleten wie Wimbledon für einen Tennisspieler. Dort treffen sich die besten der Welt. Hinzu kommt die Landschaft, man läuft und fährt ganz auf sich allein gestellt durch endlose Lavafelder. Die Hitze setzt einem zu. Eine gewaltige mentale Belastung. Dann der Zieleinlauf. Ein Gänsehaut-Erlebnis, das für immer im Gedächtnis bleibt.

Was ist Ihr nächstes großes Ziel?

Sackel: Ich möchte 2018 wieder einen Ironman absolvieren. Allerdings nur einen halben: 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen.

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