Rückblick mit Lehrer Christian Hubert Gefragt war nicht nur die reine Lehre

MECKENHEIM-MERL · Lehrer zu sein, bedeutete früher nicht nur, Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Ein Lehrer war auch eine Institution im Ort.

 Die Klasse von 1975 mit ihrem Lehrer Christian Hubert.

Die Klasse von 1975 mit ihrem Lehrer Christian Hubert.

Er wurde gemeinsam mit dem Pfarrer zum Kaffeetrinken eingeladen, bei wichtigen politischen Entscheidungen zu Rate gezogen, war ins Dorfleben eingebunden und musste auch schon mal den Unterricht verlassen, um dem Tierarzt zu assistieren.

29 Jahre lang war Christian Hubert Lehrer in Merl. Von 1961 bis 1964 unterrichtete er sogar alleine als "Einklass-Lehrer" alle Merler Schulkinder vom Erst- bis zum Achtklässler gleichzeitig in einem Klassenraum. Zugunsten der Merler Dorfgemeinschaft lässt der 85 Jahre alte Pädagoge am kommenden Sonntag, 9. August, alle Interessierten an seinen Erinnerungen teilhaben und lädt ins "Chatèau Merl" ein, um im gemütlichen Ambiente von seinen persönlichen Erlebnissen zu berichten und die Geschichte Merls und das Leben im einstigen Bauerndorf zu beleuchten.

Der Alltag sei einfach gewesen, erzählt Hubert, der in Wachtberg-Werthhoven aufwuchs und mit seiner Familie 1961 nach Merl kam, um dort seine zweite Lehrerstelle anzutreten. Zuvor hatte er an einer größeren Schule in Nordniedersachsen unterrichtet und war bessere Infrastruktur gewohnt. Hubert, seine Frau und die beiden Töchter lebten anfangs in der Lehrerwohnung im Schulgebäude neben der Kapelle, wo heute die Kindertagesstätte Löwenzahn residiert.

Etwa 220 Bewohner hatte Merl damals. Die meisten waren einfache Waldarbeiter oder Bauern. Ein Telefon gab es in der Dorfschule nicht. Rief der Schulrat an, gab die Familie Bürvenich, die die Post betreute, Bescheid, dass Hubert zurückrufen solle. Im Sommer habe oft Wasserknappheit geherrscht. Dann mussten die Dorfbewohner mit Eimern zum Wasserwagen gehen, der an der Kapelle stand. "Alles war kompliziert, aber hat funktioniert", erinnert sich Hubert.

Wie man 60 Kinder unterschiedlichen Alters gleichzeitig unterrichtet, darauf war der Lehrer, dessen Ausbildung eigentlich auf die Oberstufe ausgerichtet war, während des Studiums nicht vorbereitet worden. Er habe sich an vielen Stellen hilflos und alleingelassen gefühlt. Für die Schüler bedeutete die Situation häufige "Stillarbeit" und dass die Großen den Kleinen helfen und ihnen ihr gerade erst erworbenes Wissen weitergeben mussten. Aber auch viel Singen oder gemeinsames Schlittenfahren auf dem Mühlenhang in Villip im Winter standen auf dem Stundenplan. Zudem musste der Dorflehrer eine Chronik führen.

Weil Hubert sich für die Aufzeichnungen seiner zehn Vorgänger interessierte, die seit 1832 in Merl unterrichtet hatten, hat er viel über die Ortsgeschichte erfahren und kann heute berichten, woher der Name Merl stammt, wie es zur Bezeichnung "Merler Dom" kam und was es mit alten Weiderechten zu tun hat, dass die Dorfbewohner bei der Eingemeindung 1969 pro Kopf zehn Mark von der Stadt Meckenheim erhalten haben.

Viele Veränderungen hat Christian Hubert im Laufe der Jahre miterlebt. 1964 erhielt er eine erste Lehrerkollegin zur Verstärkung. Die alte Volksschule wurde abgeschafft, stattdessen Grund- und Hauptschule eingeführt. Die Merler Schule wurde Grundschule mit nur noch vier Klassen. Mit zwei Kurzschuljahren wurde 1967 die Verlegung des Schuljahresbeginns vom Frühling in den Herbst realisiert.

Auch das Dorf veränderte sich. Die Entwicklungsgesellschaft Meckenheim-Merl wurde gegründet, Merl wurde Ortsteil der Stadt, Baugebiete wurden ausgewiesen und zahlreiche Neubürger zogen hinzu. Wegen der vielen Kinder herrschte bald wieder Raumnot und Lehrerknappheit in der Schule. Nach dem Bau der katholischen Grundschule Merl wurde aus dem Dorfschullehrer Hubert der Leiter der neuen Schule. Später übernahm er die Leitung der Gemeinschaftsgrundschule Merl auf dem Steinbüchel. 1990 trat Hubert in den Ruhestand.

Seine Ausführungen über Merls historische Vergangenheit, das Leben im Bauerndorf und seine persönlichen Erlebnisse als Einklass-Lehrer untermalt Christian Hubert durch Schriften, Zeichnungen und Fotos. Seinen Vortrag "Wie es früher in Merl war" hält Hubert zugunsten der Merler Dorfgemeinschaft.

Der Vortrag ist am Sonntag, 9. August, ab 16 Uhr im Chatèau Merl, Gerichtsstraße 1. Der Eintritt ist frei. Anfragen sind bei der Vorsitzenden der Dorfgemeinschaft, Helga Quantius, möglich: Tel. 0 22 25/67 34.

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