Interview mit Wolfgang Henseler „Bürgermeister war immer mein Traumjob“

Bornheim · Bornheims Stadtoberhaupt Wolfgang Henseler spricht über seine 16-jährige Amtszeit, seinen nahenden Ruhestand und kommende Herausforderungen.

 Wolfgang Henseler im Gespräch.

Wolfgang Henseler im Gespräch.

Foto: Axel Vogel

Am 13. September findet auch in Bornheim die nächste Kommunalwahl statt. Wenn die aktuelle Wahlperiode dann am 31. Oktober endet, ist für Wolfgang Henseler endgültig Schluss. Schließlich kandidiert der SPD-Politiker nicht mehr für das Bürgermeisteramt. Im Interview mit Christoph Meurer blickt er auf 16 Jahre als Stadtoberhaupt zurück, beleuchtet die Herausforderungen für seine Amtsnachfolge und sagt, was er gerne noch zu Ende gebracht hätte.

Herr Henseler, was machen Sie am 2. November, dem ersten Werktag, an dem Sie kein Bornheimer Bürgermeister mehr sind?

Wolfgang Henseler: Wahrscheinlich erst einmal ausschlafen. Aber auch nicht zu lange. Ich denke heute schon über „die Zeit danach“ nach, auch mit meiner Frau zusammen. Wir haben den großen Vorteil, dass wir dann beide in Rente und Ruhestand sind und gemeinsam einen neuen Lebensabschnitt beginnen können.

Apropos Lebensabschnitt. Wie war es, im Jahr 2004 erster roter Bürgermeister im schwarzen, also von der CDU dominierten, Bornheim zu werden?

Henseler: Ich glaube, die Farben haben gar keine so große Rolle gespielt. Für mich und meine Familie war es aber eine ganz wesentliche Veränderung. In einem solchen Amt wird man ganz anders wahrgenommen und behandelt. In der Stadtverwaltung haben mich die meisten Mitarbeiter mit offenen Armen aufgenommen. Da ich sowohl Rats- als auch Verwaltungserfahrung hatte, war sicher niemand erschreckt, was auf einen zukommt. Den beiden damaligen Vorzimmerdamen habe ich am ersten Tag ein Röschen mitgebracht und gesagt, dass ich auf eine tolle Zusammenarbeit setze und dass ich sie brauche. Sowohl Helmine Hofbauer als auch Patricia Harder haben mir damals ungeheuer geholfen. Aber auch Gerhard-Josef Brühl oder Ulrich Rehbann haben mir die Arbeit deutlich erleichtert. Wenn ich auf die 16 Jahre zurückschaue, kann ich auf ganz viele tolle Mitarbeiter blicken.

Wenn die Parteifarben bei Ihrer Wahl keine so große Rolle gespielt haben, welchen Einfluss hatte es wohl, dass Sie den gleichen Nachnamen wie Ihr, mit Ihnen nicht verwandter, Amtsvorgänger Wilfried Henseler haben?

Henseler (lacht): Nach meiner Wahl bin ich bei verschiedenen Gelegenheiten gebeten worden, meinem Vater schöne Grüße zu bestellen. Ganz oft bin ich auch mit „Wilfried Henseler“ angesprochen worden. Ich habe das immer mit Humor genommen.

Würden Sie heute Dinge anders machen als Sie sie gemacht haben? Vielleicht etwa in der jahrelangen Debatte um die Einbahnregelung auf der Königstraße?

Henseler: Die Königstraße ist ein Beispiel für etwas, dass ich genauso wieder machen würde. Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass man manchmal ein starkes Rückgrat braucht. Klar gibt es Dinge und Kleinigkeiten, die man im Nachhi­nein analysiert und dann anders machen würde. Mit der Amtszeit erwirbt man auch mehr Routine und ist nicht mehr zu angespannt und aufgeregt. Bei repräsentativen Terminen wie etwa dem Tollitätenempfang oder dem Volkstrauertag war ich am Anfang viel mehr mit meinen vorbereiteten Texten befasst. Heute gehe ich auch ohne textliche Vorbereitung zu manchen Veranstaltungen.

Was wird Ihnen nach dem Ende Ihrer Bürgermeister-Zeit fehlen?

Henseler: Die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus, viele interessante Gespräche und die Möglichkeit, die Stadt mitzugestalten. Ich werde sicherlich mit Aufmerksamkeit beobachten, was meine Nachfolger machen.

Apropos Nachfolger. Der neue Bürgermeister oder die neue Bürgermeisterin wird definitiv kein SPD-Parteibuch haben. Warum hat es die SPD nicht geschafft, jemanden für die Wahl aufzustellen?

Henseler: Man muss zunächst schauen, wen man überhaupt findet und welche Erfolgschancen eine Person hat. Es hat sicherlich interessante Kandidatinnen und Kandidaten in der SPD gegeben. Man muss aber auch sehen, ob jemand will und wie es zur persönlichen Lebensplanung passt. Ich sagte ja schon, dass es für einen selbst und die Familie eine deutliche Umstellung ist. Außerdem hat die SPD nicht gerade ein Hoch im Moment. Da stehen für einen unabhängigen Bewerber wie Christoph Becker vielleicht die Chancen etwas günstiger. Wenn man Bürgermeister in einer Kommune wird, ist das vor allem eine Personenwahl.

Vielleicht ist es heute auch schwerer, jemanden zu finden, weil auch Politikern zunehmend Hass entgegenschlägt. Was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass der Bürgermeister von Kamp-Lintfort aus Selbstschutzgründen einen Waffenschein haben wollte?

Henseler: Ich kann seine Motivation ein Stück weit verstehen, käme aber selbst nicht auf eine solche Idee. Die Situation in den Kommunen ist aber auch sehr unterschiedlich. Ich hatte das Glück, dass das, was auf mich zukam, immer gut zu bewältigen war. Während der Königstraßen-Diskussion kamen aber meine Kinder zu mir und fragten, ob ich wüsste, was im Internet alles über mich steht. Sie waren schon geschockt. Generell wird der Respekt weniger, den man ja allen Menschen entgegenbringen sollte. Das merken auch Polizei, Rettungskräfte und meine Mitarbeiter im Rathaus. Wir müssen alle daran arbeiten, dass sich das wieder ändert.

Gibt es Dinge am Bürgermeister-Amt, die Sie nicht vermissen werden?

Henseler: Für mich war Bürgermeister immer mein Traumjob – mit der Nähe zu Bürgern und Mitarbeitern und der Möglichkeit, sofort gestalten zu können. Ich werde es aber genießen, Zeit zu haben und nicht mehr vom Kalender bestimmt und getrieben zu werden – auch am Wochenende.

Wenn jemand im Jahr 2004 aus Bornheim weggezogen wäre und heute zurückkäme, würde er die Vorgebirgsstadt noch wiedererkennen?

Henseler: Ja sicher, aber er würde schon erstaunt sein, was sich alles entwickelt hat. Etwa das Gewerbegebiet Bornheim-Süd. Ähnliches gilt für die Königstraße. Sie hat sich, wie ich finde, durchaus positiv verändert. Im Stadtgebiet hat sich eine Menge getan.

Auch in Sachen Neubaugebieten. Sind freistehende Einfamilienhäuser noch zeitgemäß?

Henseler: Auch das Einfamilienhaus wird noch gebraucht. Wir brauchen aber ein breit gefächertes Angebot für junge Menschen, Menschen im mittleren Alter und Senioren.

Braucht Bornheim eine feste Quote für öffentlich geförderten Wohnraum in Neubaugebieten?

Henseler: Ich würde sie mir wünschen, bin aber Realist genug, um Kompromisse zu schließen. Wir haben uns in der Politik entschieden, Gebiet für Gebiet zu betrachten. Was aber auch heißt, immer wieder darüber zu diskutieren. In solchen Wohnungen leben ganz normale Mieter, wir müssen nicht befürchten, dass Bornheim eine soziale Schieflage bekommt.

Mit neuem Wohnraum geht auch der Bedarf an Kita- und Schulplätzen einher.

Henseler: Das ist eine Herausforderung für die Stadt. Vor Kurzem haben wir über Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro gesprochen. Ich glaube aber, dass wir diese Grenze überschreiten werden – alleine nur für den Schulbau.

Geburtenraten schwanken. Braucht man daher nicht auch Nutzungskonzepte für Kitas, wenn es wieder weniger Kinder gibt?

Henseler: Das beachten wir bereits. Wenn wir Gebäude planen, schauen wir, wie man diese eventuell später anders nutzen kann. Man wird aber umbauen müssen, etwa wenn man aus einer Kita eine Seniorentagespflegeeinrichtung macht. Ich glaube allerdings nicht, dass wir uns in naher Zukunft Gedanken machen müssen, die Einrichtungen umzuwidmen. Die Region boomt.

Sie haben eine Investitionssumme von 100 Millionen Euro angesprochen. Hat der Kämmerer schon schlaflose Nächte?

Henseler: Nein. Uns machen weniger die Investitionen als die Folgekosten Sorgen, etwa für Energie, Raumpflege und Personal. Das müssen wir im Auge behalten und sehen, dass das Gleichgewicht zwischen Erträgen und Aufwendungen im Haushalt stimmt. Wenn das Land uns endlich die Kosten für die Flüchtlinge komplett erstatten würde, bräuchten wir uns keine Gedanken zu machen.

Die angespannte Haushaltssituation Bornheims hat Sie während Ihrer gesamten Bürgermeisterzeit begleitet.

Henseler: Bornheim ist seit Mitte der 80er Jahre in der Haushaltssicherung. Zwischendurch hatten wir auch Nothaushalte. Ich bin stolz darauf, dass wir es nun geschafft haben, eine schwarze Zahl zu schreiben – dies ist unter anderem gelungen durch eine Steuererhöhung im vergangenen Jahr, die uns alle betroffen hat. Die Finanzmittel werden aber nicht plötzlich sprudeln, um Wohltaten begehen zu können. Dazu haben wir auch noch zu viele Herausforderungen. Wir haben etwa einen Nachholbedarf bei der Straßensanierung. Auch in die Feuerwehrgerätehäuser muss investiert werden.

Was hätten Sie gerne vor dem Ruhestand noch umgesetzt?

Henseler: Ich hätte gedacht, dass der Neubau des Bornheimer Feuerwehrgerätehauses schneller geht. In meiner ersten Amtszeit habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass alles viel länger dauert als Bürgermeister, Rat oder Bürger gerne möchten. Prozesse sind sehr aufwendig und man muss auf die personellen Ressourcen schauen. Auch den Neubau von Kitas hätte ich mir schneller gewünscht.

Eine schier unendliche Geschichte scheint auch die Umgestaltung des Roisdorfer Bahnhofs zu sein.

Henseler: Wir haben immer gesagt, dass wir zuerst den Bahnhof Sechtem sanieren und dann den Roisdorfer. Und bei der Haushaltslage können wir nicht einfach eine Planung auflegen und starten. Ich bin froh, dass der Bahnhof vielleicht in das Förderprogramm des Landes kommt. Die Stadt ist aber auch nicht untätig gewesen. Wir haben bereits Flächen für eine Mobilstation erworben, eine Planung entworfen und die Menschen mit einer Bürgerwerkstatt eingebunden. Wenn Geld vorhanden ist, können wir Dinge zügig umsetzen.

Wird Ihr Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin in der nächsten Ratsperiode die Radpendlerroute eröffnen können?

Henseler: Die Stadt muss in Sachen Radverkehr mehr machen. Dazu gehören die Radpendlerroute, der Bürgerradweg in den Rheinorten, die Verbindung Uedorfer Weg/Bornheimer Straße und ein Radweg am Heerweg. Das sind vier richtig gute Projekte für die Verbesserung der Radwegelandschaft. Mit Blick auf den Klimawandel müssen wir eine Menge mehr zur Förderung des Radverkehrs machen. Wir hoffen, nun Fördergelder für die Radpendlerroute zu bekommen. Das ist ein wichtiges Projekt, vielleicht auch in der Verlängerung in den Rhein-Erft-Kreis nach Brühl.

Auch weil sich Walberberger vielleicht mehr Brühl als Bornheim-Ort verbunden fühlen?

Henseler: Das kann durchaus sein. Es ist ganz normal, dass die Bürger nicht in Stadtgrenzen denken.

Aber etwas intensiver könnte Bornheim mehr als 50 Jahre nach der Kommunalreform doch am Gemeinschaftsgefühl arbeiten, oder?

Henseler: Unsere dezentrale Struktur ist auch eine Stärke. Wir haben in allen größeren Orten eine ausgeprägte Infrastruktur. 14 Orte bilden eine Stadt. Wichtig ist, dass wir die Stärke der Gesamtstadt nutzen, um bestimmte Einrichtungen unterhalten zu können, etwa das Hallenfreizeitbad oder das Schulangebot. Trotzdem finde ich es schön, dass die Bornheimer im Karneval oder im Vereinsleben ortsbezogen denken und das fördern und pflegen.

Welche Begegnungen bleiben Ihnen in Erinnerung?

Henseler: Das sind ganz viele – etwa in Kitas oder mit Promis wie Bernd Stelter, Günter Lamprecht, Jens Streifling oder Manfred Lütz. Es war auch toll, mit den Tollitäten durch den Karneval zu ziehen und zu beobachten, was die für eine Freude etwa in Kitas oder Senioreneinrichtungen bringen. Tief beeindruckend waren auch die Pogrom-Gedenkveranstaltungen und die Begegnungen mit Angehörigen von NS-Opfern.

In welcher Liga spielt der 1. FC Köln an Ihrem ersten Tag im Ruhestand?

Henseler (lacht): Das kann ja keine Frage sein! Es wird sicher wieder Rückschläge geben, aber natürlich ist der Verein in der nächsten Saison weiter in der ersten Liga.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort