Erzählen mit Senioren "Vorlesen hat eine ungeheure Heilkraft"

BORNHEIM · Egal, ob junge oder ältere Menschen: Lesen und Vorlesen vermittelt Freude, regt die Kreativität sowie die Fantasie an und trägt zur Allgemeinbildung bei. Aber was ist, wenn Senioren nicht mehr eigenständig lesen können oder wollen und sie Hilfe benötigen?

 Die Teilnehmer des Workshops in der Stadtbücherei Bornheim.

Die Teilnehmer des Workshops in der Stadtbücherei Bornheim.

Foto: Wolfgang Henry

Dann sind Familienangehörige, Freunde und sozial engagierte Helfer gefragt, die Zeit zum Vorlesen investieren. Doch viele sind zunächst unsicher und wissen nicht, wie sie mit alten Menschen umgehen sollen, welche Literatur die richtige ist und sind sich der positiven Bedeutung des Lesens und Erzählens nicht bewusst. Hilfe und Unterstützung zu diesem Thema bot am Samstag ein Kursus der Volkshochschule (VHS) Bornheim/Alfter.

Anregungen, Techniken und Praxistipps zum Vorlesen und Erzählen mit alten Menschen erhielten die Teilnehmer während des ganztägigen Workshops in der Bornheimer Stadtbücherei am Servatiusweg. Der Seniorenbeirat der Stadt Bornheim hatte es ermöglicht, den Kursus kostenlos anzubieten. Dozentin war die Sonderpädagogin Ursula M. Becker (52), die das Seminarkonzept entwickelt hat und als freie Referentin für die "Stiftung Lesen" arbeitet.

"Mir liegt am Herzen, den Menschen mit diesen Seminaren Mut zu machen und Anreize zum Vorlesen zu schaffen", so Becker. Der Bedarf an Ehrenamtlichen, die bereit sind, ihre Freizeit mit alten Menschen zu verbringen und ihnen regelmäßig vorzulesen, scheint riesig. "Vorlesen hat eine ungeheure Heilkraft und regt die zuhörenden Senioren an, über das Vorgelesene nachzudenken und zu sprechen", ist Beckers Erfahrung. "Ich möchte gerne helfen, weiß aber nicht, ob ich zum Vorlesen geeignet bin und was ich beachten muss", gibt eine Teilnehmerin zu bedenken. Andere wiederum sind seit Jahren in Senioren- und Pflegeinstitutionen engagiert und haben bereits Erfahrungen mit Vorlesekreisen gesammelt.

So auch die Leiterin der Bornheimer Stadtbücherei Brigitte Nowak (43): "Jede Vorleserunde ist anders. Ich habe dabei festgestellt, dass an Demenz erkrankte Senioren keine Kinderliteratur mögen." Dabei gibt es eine richtige oder falsche Literatur laut Becker nicht. "Aus gestaltungspädagogischer Sicht gibt es kein gutes oder schlechtes Lesematerial. Entscheidend ist doch, was ankommt und im besten Fall zum Diskutieren anregt." Erfahrungen zeigen, dass für Ältere häufig das Wichtigste ist, in einer Vorleserunde einfach nur zusammenzusitzen.

Der Inhalt der Literatur ist dabei Nebensache. Andere hingegen tauschen ihre Ansichten im Anschluss einer Vorleseeinheit untereinander aus, berichtet eine Teilnehmerin: "Ich habe sogar schon erlebt, dass die Fetzen flogen und dass sich die Zuhörer gestritten haben. Das Schönste aber ist, wenn sich eine hitzige Diskussionsrunde entwickelt. Manchmal komme ich nur dazu, ein paar Sätze vorzulesen und schon ist ein angeregtes Gespräch im Gange."

Ursula M. Becker vermittelte über den Tag verteilt immer wieder die Botschaften, dass Literatur Türen öffnet und junge Menschen mehr Mut haben sollten, Senioren regelmäßig eine Vorleseeinheit zu schenken. Die zu beachtenden Regeln dabei wurden im Laufe des Seminartages im Rahmen von praktischen Übungen erläutert und diskutiert.

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