Heute regnet es Schokolade und Chips Traditionelles Wurfmaterial gibt es nicht mehr

BORNHEIM/ALFTER · Solange es den Karneval gibt, solange gibt es auch den Ruf der Jecken am Straßenrand: "Kamelle!" Doch bücken will sich seit Jahren niemand mehr so recht nach den "Kamellen".

 Die Kamelle fliegen hoch - hier beim Zug in Heimerzheim im vergangenen Jahr.

Die Kamelle fliegen hoch - hier beim Zug in Heimerzheim im vergangenen Jahr.

Foto: Roland Kohls (Archivbild)

Etwas Hochwertigeres muss es schon sein. So regnet es seit Jahren mehr und mehr Schokoladen, Chips und Bälle - und weniger und weniger Kamelle. "Damals während des Krieges und auch die ersten Jahre danach, da gab es noch die Rahmkamellen von Storck", erinnert sich Günter Schiffelgen, Präsident des Alfterer Karnevals.

In den frühen Jahren der Bundesrepublik wurde weniger geworfen - "damals kam man vielleicht mit zehn Kilo Kamelle für den ganzen Zug aus, aber davon blieb dann auch keine einzige auf der Straße liegen". Heute ist das ganz anders. Da bücken sich selbst die Kinder nicht mehr nach allem. "Das ist zwar traurig, aber das ist der Trend der Zeit", beobachtete Schiffelgen noch am vergangenen Sonntag beim Alfterer Kinderkarnevalszug.

Als in den 50er Jahren die hochwertigeren Rahmkamellen von billigen Kamellen aus der DDR abgelöst wurden, gab es zwar deutlich mehr Kamelle, aber mehr und mehr blieben diese Billigbonbons liegen. Seit den 90er Jahren beobachtet Schiffelgen, was sich im Vorgebirge durchweg zeigt: Der Trend beim Wurfmaterial geht weg von billiger Masse zu Hochwertigem.

Elke Schwadorf und ihr Mann betreiben in Alfter einen Süßwarenhandel, bei dem viele Karnevalisten für die Züge einkaufen. Sie berichtet: "Heute werden hochwertige Kamelle gekauft. Die billigen Kamelle gehen so gut wie gar nicht mehr. Das wird doch eh nicht aufgehoben. Es war Füllmaterial." Heute kaufen die Zugteilnehmer Pralinen, Waffeln, Weingummi. "Und Popcorn, Popcorn, Popcorn. Das ist günstig und macht Volumen", erklärt Schwadorf. Doch auch Fair Trade Produkte würden zunehmend nachgefragt.

Die Roisdorfer Prinzessin hat sich mit Chips eingedeckt. Die erfreuen sich gerade bei den jugendlichen Jecken am Zugweg großer Beliebtheit, erzählt Roisdorfs kommissarischer Zugleiter Wolfgang Mertgen. In Roisdorf wird es am Donnerstag aber auch Haribo, Mars und Snickers regnen. Billige Kamellen gibt es auch dort fast nicht mehr.

Wie viel Kamelle - die ja gar keine Kamelle mehr sind - pro Zug geworfen werden, möchte niemand von den Zugleitern schätzen. Was und wie viel geworfen wird, muss schließlich bei einer Anmeldung zur Teilnahme nicht mit angegeben werden. Mertgen schätzt, dass jeder Teilnehmer rund 30 Kilo Kamelle unters Volk wirft. Bei einem Wagen seien es sogar eher 40 Kilo pro Person. Somit könnten die Roisdorfer an Weiberfastnacht knapp 11 Tonnen Kamelle von den Straßen sammeln.

Zur Entsorgung dessen, was liegen bleibt, haben sich die Bornheimer Orte zusammengeschlossen und sich von einem Entsorger ein Angebot zur Straßenreinigung eingeholt. Allein auf der Bornheimer Königstraße werden es am Sonntag nach dem Zug ein bis anderthalb Tonnen Müll sein, weiß Ortsausschussvorsitzender Mike Peters aus den Vorjahren zu berichten.

In Roisdorf wird an den neuralgischen Punkten Kirche und Siegesstraße mit rund zweieinhalb Tonnen Müll gerechnet. Darunter weniger überzählige Kamelle als Pappe, Kartons und Glasbruch. In Alfter fahren im Anschluss an den Karnevalsumzug zunächst ein Wagen der Gemeinde zum Einsammeln der Kartons und anschließend zwei Kehrmaschinen durch den Ort.

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