Einreise unter falscher Identität Zollbericht belegt: Schon 2018 Missstände bei Spargel Ritter

Bornheim/Bonn · Ein alter Zoll-Bericht belegt Missstände bei Spargel Ritter: Schon 2018 kam es zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns und Saisonarbeiter reisten unter falscher Identität erneut ins Land ein. Das ergaben gemeinsame Recherchen des GA und des WDR Landesstudios Bonn.

 Der Erdbeer- und Spargelhof Ritter ist insolvent. Ex-Mitarbeiter machen den Ritters Vorwürfe, was den Umgang mit Erntehelfern angeht.

Der Erdbeer- und Spargelhof Ritter ist insolvent. Ex-Mitarbeiter machen den Ritters Vorwürfe, was den Umgang mit Erntehelfern angeht.

Foto: General-Anzeiger/Sven Westbrock

Der insolvente Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof Ritter kommt nicht zur Ruhe. Während der Proteste rumänischer Erntehelfer Mitte Mai wegen angeblich ausstehender Lohnzahlungen und hygienischer Mängel in der Unterkunft sprachen Ritters in einer Stellungnahme auf Facebook noch von einem „bis Dato gut funktionierenden und sauber geführten Familienbetrieb“. Zu verstehen sind diese Worte als deutliche Kritik am Bonner Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der die Geschäfte im Zuge der Insolvenz seit dem Frühjahr führt und Claus Ritter wegen Unruhestiftung Hausverbot auf dem Betriebsgelände erteilt hatte.

In einem Beitrag der WDR-Lokalzeit Bonn zu den Protesten ist Claus Ritter zu sehen, wie er sagt: „Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt.“ Gemeint sind die rumänischen Erntehelfer. Eine Aussage, die nach gemeinsamen Recherchen von General-Anzeiger und WDR-Landesstudio Bonn unhaltbar ist. Denn was er verschweigt, was aber mehrere ehemalige Ritter-Mitarbeiter nun berichten, ist: Vor etwa zwei Jahren rammte sich einer der Saisonarbeiter eine Schere in den Arm. Das soll eine Tat aus Verzweiflung gewesen sein, weil Ritters ihn genötigt hätten, zu bleiben, um das Geld für seine An- und Abreise abzuarbeiten.

Der Bericht eines Zoll-Einsatzes bei Ritter aus dem Oktober 2018, der GA und WDR vorliegt, belegt, dass es schon damals zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns kam. „Im Zusammenhang mit verzögerten Lohnzahlungen wurden die Beschuldigten und der Rechtsanwalt auf den Nötigungstatbestand hingewiesen, da Arbeitnehmer wegen der fehlenden Entlohnung nicht in ihr Heimatland abreisen können“, heißt es in dem Zoll-Bericht. Und weiter: Ritter habe zugesagt, die Lohnzahlungen „umgehend vorzunehmen“.

Bei dem Einsatz an Ritters Privatanschrift stellte der Zoll laut Bericht ferner einen nicht registrierten Revolver samt Munition und eine Schreckschusswaffe sicher. Auch rückte eine mit Siegeln und Stempeln gefüllte Stofftüte ins Visier der Fahnder. Ritter hatte während des Einsatzes vergeblich versucht, diese zu verstecken, indem er sie unter einen Anhänger mit Brennholz warf.

Illegale Wiedereinreise

Auf die Tüte von den Fahndern angesprochen, sagte Ritter laut Bericht, „dass die einen Briefmarken sammeln und der andere das“, also die Stempel. Zudem müssten die Ermittler die dazu gehörigen Dokumente haben – und die fänden sie nicht.

Die Frage drängt sich auf, ob Ritter die Stempel möglicherweise dazu genutzt haben könnte, um Dokumente der rumänischen Erntehelfer zu fälschen. Denn nach Informationen von GA und WDR war es bei Ritter Praxis, dass Saisonarbeiter nach spätestens drei Monaten das Land verließen und unter falscher Identität wieder einreisten. Auf diese illegale Weise sollten Steuern und Abgaben gespart werden. Aus dem Umfeld das Betriebs wird dies von verschiedenen Seiten bestätigt.

So sei auch stets Unruhe ausgebrochen, wenn ein Erntehelfer medizinische Versorgung brauchte. Denn man habe nicht gewusst, mit welchen Papieren der Betroffene zum Arzt gebracht werden sollte, erzählt ein Mensch, der es wissen muss, aber anonym bleiben will. Diese Person berichtet zudem von einem „schlimmen Umgang“ mit den Erntehelfern bei Ritter. Den Angaben zufolge waren aber auch Erntehelfer Teil des Problems, besonders die „Clans“, die angereist seien. „Wenn die gesagt haben, es wird nicht gearbeitet, wurde nicht gearbeitet.“ Schon immer sei es so gewesen, dass rumänische Erntehelfer der Meinung waren, dass sie zu wenig Geld bekommen. „Die waren immer am Pokern“. All diese Schilderungen stehen in deutlichem Widerspruch zu den Äußerungen der Ritters auf Facebook und im Fernsehen, nach denen es Probleme mit den Erntehelfern erst seit der Insolvenzverwaltung in diesem Jahr gegeben haben soll.

Zu dem Einsatz des Zolls und den Ermittlungen gegen ihn äußert sich Claus Ritter indes nicht. Den Vorfall mit dem Erntehelfer, der sich eine Schere in den Arm gerammt haben soll, bestätigt er jedoch. Seine Version lautet wie folgt: Durch die „übertarifliche Bezahlung“ hätten die Erntehelfer schnell Ihren Lebensunterhalt verdient und „bereits weit vor Vertragsende“, versucht abzureisen. „Wie sich Menschen mit gesundem Verstand vorstellen können, musste die durch die Bastelschere entstandene „Verletzung“ nicht ärztlich behandelt werden“, äußert sich Ritter schriftlich. Bereits einen Tag nach diesem Vorfall habe sich der Erntehelfer „aufrichtig“ entschuldigt. Bis heute komme er jedes Jahr in den Betrieb zurück.

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