Ein Leben im Dritten Reich Roisdorfer Kinder drehen Film über jüdische Kinder in der Nazizeit

Bornheim-Roisdorf · Ferienprojekt - Kinder aus dem Roisdorfer Jugendzentrum „Der Turm“ drehen einen Film über das Schicksal ihrer jüdischen Altersgenossen im Nationalsozialismus.

 Und Klappe: (v. l.) Maryo , Anna-Lena und Niklas spielen eine Situation aus der Zeit des Nationalsozialismus nach.

Und Klappe: (v. l.) Maryo , Anna-Lena und Niklas spielen eine Situation aus der Zeit des Nationalsozialismus nach.

Foto: Axel Vogel

Kameramann, Tontechniker, Schauspieler: Im Roisdorfer Jugendzentrum "Der Turm" tummeln sich jede Menge "Fernsehleute". Aufmerksam lauschen Tamara, Youdi (beide 10 Jahre alt) und Mohammed (13) den Anweisungen von Medientrainer Christian Klünter. Der "Kinosaal" in den Räumlichkeiten an der Siegesstraße ist mit Sitzkissen vollgestellt, 13 Kinder zwischen neun und 14 Jahren können es kaum erwarten, bis die Dreharbeiten zu ihrem eigenen Film endlich losgehen.

Unter dem Motto "Alles gestern, oder was?" haben sich die zehn Jungen und drei Mädchen in der zweiten Herbstferienwoche mit dem Thema "(Jüdisches) Leben während der Zeit des Nationalsozialismus" intensiv auseinandergesetzt. Sie haben Kurzbiografien zum Alltag Kinder und Jugendlicher jüdischen Glaubens in den 30er und 40er Jahren gelesen, im Internet über die heutigen Kinderrechte recherchiert, einen Film gesehen und die Unterschiede zu ihrem gegenwärtigen Alltag herausgearbeitet.

Kooperation mit dem Stadtteilbüro Bornheim

Das Herbstprojekt wurde in Kooperation von "Der Turm", dem Stadtteilbüro Bornheim (katholische Jugendagentur Bonn) und der Aktion "vielfalt. viel wert" des Caritasverbandes Rhein-Sieg auf den Weg gebracht. Der Film ist eine von mehreren Darbietungen, die am Bornheimer Tag des "Erinnerns für Heute und Morgen" am Sonntag, 10. November, ab 17.45 Uhr, in der Thomas-von-Quentel-Grundschule in Walberberg gezeigt wird.

Und so sind die Kinder "Im Turm" mit großer Konzentration bei der Sache, denn ihr Film soll großartig werden. "Den Streifen fertigen die Kinder von der Ideenfindung übers Schreiben des Drehbuchs bis hin zur Schauspielerei, den richtigen Einstellungen und den perfekten Requisiten ganz alleine an. Ich gebe nur hier und da ein wenig Hilfestellung", erklärt Klünter von der Landesanstalt für Medien. Er hat schon im vergangenen Jahr mit jungen Teilnehmern eine Sendung fürs Radio produziert.

Kinder sind mit dem Herzen bei der Sache

Michael Seeland, seit sieben Jahren Leiter des Jugendzentrums in Roisdorf, ist fasziniert von der Neugier der Kinder, die "an vielen Dingen interessiert und Neuem gegenüber in der Regel aufgeschlossen sind". Das haben er und Alisa Dumke, Projektleiterin der Caritas-Kampagne "vielfalt. viel wert", an den vergangenen Tagen immer wieder festgestellt.

Ob es um die Interessen der heutigen Jugendlichen und die Anliegen der Jugendverbände geht, das Leben Berliner Gleichaltriger während der Nazi-Herrschaft oder die Anfänge der Ausgrenzung - die Themen zur Vorbereitung auf den Filmdreh waren ausgesprochen umfassend.

Auf Karteikarten - Lernmaterialien des Anne-Frank-Zentrums - erfuhren die angehenden Darsteller, wie zum Beispiel Hans Rosental, der später als Quizmaster der Fernsehsendung "Dalli, Dalli" bekannt wurde, oder Isaak Behar ihre Jugendzeit erlebt haben.

Die jungen Macher interviewten sich gegenseitig

In gegenseitigen Interviews, die die heutige und frühere Zeit wiedergeben, versetzen sich die Mimen in die Wünsche und Hoffnungen jüdischer Kinder und geben diesen in einzelnen Szenen ihre Stimmen wieder.

"Die Kinder und Jugendlichen sollen den Film als Ergebnis der eigenen Beschäftigung sehen", macht Klünter den Sinn des Medienprojektes deutlich. Denn es fallen nicht nur die Klappen des Films, sondern auch um möglichst zeitgemäße Kleidung musste sich gekümmert werden, Requisiten wie der Judenstern wurden selbst gebastelt.

"Es macht einfach Spaß. Denn es passiert so viel", zeigt sich Tamara begeistert von der Projektarbeit. Die Zehnjährige schlüpft in die Rolle eines kleinen jüdischen Mädchens, das wegen ihres Judensterns nicht ins Kino gelassen wird. Dabei hat Tamara festgestellt, dass "mich das ganz schön traurig macht". Für ihre Rolle hat sie die Schuhe ihrer Oma mitgebracht. "In dieser einen Woche habe ich viel über den Zweiten Weltkrieg erfahren", erzählt sie. Mohammed findet das Thema und die Dreharbeiten ziemlich spannend. Als Isaak Behar kann sich der 13-Jährige in das Leben seines Alter Ego einfühlen.

Zum Abschluss der Projektwoche steht am Freitag eine Fahrt nach Bonn ins Stadtmuseum und zur ehemaligen Synagoge am Rhein auf dem Programm. "Wir wollen uns auch die Demo zu Fridays for Future ansehen, um den Jugendlichen ein politisches Demokratieverständnis deutlich zu machen", sagt Seeland.

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