Sieben Standortnetzwerke Region stellt für Notärzte eine Herausforderung dar

Rhein-Sieg-Kreis · 220 Notärzte sind an sieben Standorten im Rhein-Sieg-Kreis tätig. Nicht leicht ist es, die gestiegenen Anforderungen, die es seit 2018 gibt, zu erfüllen.

Zwischen Anruf und Eintreffen des Notarztes an der Unfallstelle dürfen in städtischen Gebieten acht, in ländlichen Gebieten höchstens zwölf Minuten verstreichen. Damit das auch im weitläufigen Rhein-Sieg-Kreis gelingen kann, gibt es sieben Notarztstandorte im gesamten Gebiet: in Siegburg, Troisdorf, Eitorf, Niederkassel, Königswinter, Rheinbach und Bornheim. Während in Bornheim die Wache nur tagsüber besetzt ist, sind die Dienststellen in den anderen sechs Städten und Gemeinden 24 Stunden im Einsatz. Zu mehr als 21.000 Einsätzen wurden die Notärzte im gesamten Rhein-Sieg-Kreis im vergangenen Jahr gerufen.

„Insgesamt ist die Region für Notärzte eine Herausforderung. Es gibt sehr städtische und sehr ländliche Strukturen mit ganz unterschiedlichen Krankenhausstrukturen“, sagt Christian Diepenseifen, seit drei Jahren ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Sieg-Kreis und selbst Notarzt. Der Kreis hat mit den Krankenhäusern Notarztgestellungsverträge geschlossen. Zudem leisten weitere Ärzte die Notarztdienste auf Honorarbasis. Für die Dienste sind die Notärzte beim Rhein-Sieg-Kreis angestellt und auch versichert. Insgesamt kann Diepenseifen über einen Pool von 220 Notärzten verfügen. Hinzukommen mehr als 500 Mitarbeiter des nicht-ärztlichen Fachpersonals, wie beispielsweise Rettungssanitäter.

Pro Tag mindestens sieben Ärzte im Einsatz

Das klingt zunächst viel, allerdings müssen pro Tag mindestens sieben Ärzte plus Fahrer im Einsatz sein. „Wir haben das Glück, dass wir einen großen Notarztpool haben und mit vielen Krankenhäusern zusammenarbeiten. Trotzdem macht sich der Ärztemangel bemerkbar“, so der Mediziner. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Ausbildung zum Notarzt gestiegen. Seit Sommer vergangenen Jahres müssen angehende Notärzte die Zusatzqualifikation „Fachkunde Notfallmedizin“ vorweisen. Dafür müssen die Mediziner 30 Monate in einer Klinik tätig gewesen sein, sechs davon auf der Intensivstation oder in der Anästhesie.

Zusätzlich gehört zu der Weiterbildung ein 80-stündiger Kurs, ein Praktikum als Mitfahrer eines Notarztes bei mindestens 50 Einsätzen sowie eine Abschlussprüfung bei der Ärztekammer. Damit hat die für Nordrhein-Westfalen zuständige Ärztekammer Nordrhein das Ausbildungspensum insgesamt angehoben. „Das ist nichts Neues. Diese Entscheidung haben andere Bundesländer bereits früher getroffen“, erklärt Diepenseifen. Früher genügte es, anderthalb Jahre in einer Klinik tätig gewesen zu sein, den Kurs zu absolvieren sowie zehn Einsätze mit einem Notarzt begleitet zu haben. Damit weisen die jungen Notärzte nun mehr Erfahrung vor, wenn sie in den Dienst eintreten.

Bislang gibt es keine Vorgabe zur fachlichen Voraussetzung an einen Notarzt – im Prinzip können das Internisten, Hautärzte oder Orthopäden sein. Viele seien aber dennoch Anästhesisten, Chirurgen oder Internisten. Die Altersstruktur ist gemischt, von jungen Ärzten Anfang 30 bis hin ins Rentenalter.

Interne Fortbildungen

Aber auch interne Fortbildungen stehen weiterhin auf dem Arbeitsplan der 220 Notärzte. „Das Schlimmste für einen Mediziner ist es, stehen zu bleiben“, sagt der Experte. Alle zwei Monate lädt Diepenseifen daher zu einem Treffen in die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nach Sankt Augustin ein. Es gibt Fachvorträge von externen Dozenten. Dabei werden aber auch Neuerungen und Dienste besprochen und Fragen geklärt. In der vergangenen Fortbildung habe er die Ärzte beispielsweise dafür sensibilisiert, bei Einsätzen mit Verletzten in Sisha-Bars auch die Möglichkeit einer Kohlenstoff-Monoxidvergiftung in Betracht zu ziehen. Gleichzeitig sollen die Fortbildungen auch dazu dienen, dass sich die mehr als 200 Kollegen kennenlernen. Im Einsatz sei es keine Seltenheit, mit fremden Personen in Notfallsituationen zusammenzuarbeiten. Auch Diepenseifen selbst fährt noch reguläre Notarzteinsätze – von dem Standort in Königswinter aus.

„Das finde ich auch ganz wichtig“, sagt er. Zudem steht er als Ansprechpartner für größere Einsätze zur Verfügung. In den Schulungen geht es nicht nur um fachliche Erneuerungen, sondern auch um Kommunikation und Deeskalation. Anders als in anderen Städten sind die Mitarbeiter im Rhein-Sieg-Kreis nicht mit stichfester Kleidung oder Helmen ausgestattet. „Die haben eine eher trügerische Schutzwirkung“, erklärt Diepenseifen. In Absprache mit der Stadt Bonn habe man sich daher gegen eine solche Ausstattung entschieden – auch weil der Rhein-Sieg-Kreis nicht die klassischen sozialen Brennpunkte aufweise. Wichtig sei es hingegen, Rettungssanitäter und Notärzte entsprechend zu schulen und aufmerksam zu machen. Eine gewisse Gewaltbereitschaft habe es laut Diepenseifen immer schon gegeben. Mittlerweile sei allerdings die Problematik in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Gewalt gegen Rettungskräfte

Auch im Rhein-Sieg-Kreis gab es bereits Gewalt gegen Rettungskräfte: 2018 hatten vier Männer nach einer Karnevalsfeier in Swisttal-Heimerzheim einen Rettungssanitäter bei einem Einsatz attackiert und schwer am Kopf und im Brustbereich verletzt. Das Thema Sicherheit ist nach der Einschätzung des ärztlichen Leiters insgesamt wichtiger geworden – vor allem für die Patienten. Die Krankenhauslandschaft des Rhein-Sieg-Kreises stellt die Notärzte daher oftmals vor Entscheidungen: Fahre ich den lebensgefährlich verletzten Patienten in das nächste Krankenhaus oder in die weiter entfernte Spezialklinik? Die Wintermonate verschärfen diese Situation. Durch die Grippenwellen sind die Krankenhäuser oftmals belegt und bei der Leitstelle abgemeldet – für die Notärzte beginnt die Suche nach der besten verfügbaren Variante für den Patienten.

Bemerkbar macht sich auch die Schließung der Geburtsstationen im Rhein-Sieg-Kreis, aber auch in Bonn. Zuletzt hatte das Malteser Krankenhaus auf der Hardthöhe in Bonn seine gynäkologische Station und die Geburtshilfe auf vorerst unbestimmte Zeit geschlossen. Derzeit wird die Abdeckung des Rhein-Sieg-Kreises im Rahmen der Rettungsdienstbedarfsplanung überprüft. Im Abstand von fünf Jahren werden die Fahrtwege neu berechnet und die Zahl und Standorte der Rettungsdienste und Notarztwachen angepasst. Eine Entscheidung soll im Herbst fallen.

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