18-jähriger Herseler im FSJ in Ecuador „Musik ist ein Grundbedürfnis der Seele“

Bornheim-Hersel · Nicklas John aus Hersel ist 18 Jahre jung und beginnt bald sein Jazzklavier-Studium an der Essener Folkwang-Universität. Vorher war er fünf Monate in Ecuador, um Kindern und Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten den Zugang zur Musik zu ermöglichen.

 Mit zwei seiner Schüler in Guayaquil: Der 18-jährige Nicklas John (M.) leistete in der ecuadorianischen Stadt seinen Freiwilligendienst. FOTO: WEBER

Mit zwei seiner Schüler in Guayaquil: Der 18-jährige Nicklas John (M.) leistete in der ecuadorianischen Stadt seinen Freiwilligendienst. FOTO: WEBER

Foto: Sonja Weber

Nicklas im Gespräch am Wochenende über Gastfreundschaft, Klaviaturen aus Pappkarton und über ein „musikalisch grenzenloses“ Benefizkonzert, das am 29. Oktober stattfinden soll.

Wie sind Sie auf die Organisation „Musiker ohne Grenzen“ aufmerksam geworden?

Nicklas John: Auf die Idee hat mich mein Klavierlehrer Norman Peplow gebracht, als er von seinem Einsatz für ein Musikprojekt in Nicaragua erzählte. Weil ich mich zwischen Abitur und Studium gerne sozial engagieren wollte, habe ich mich informiert und bin auf „Musiker ohne Grenzen“, MOG, gestoßen.

Wo waren Sie im Einsatz und wie waren Sie untergebracht?

John: Ich habe in Guayaquil, der größten Stadt Ecuadors, in einer Musikschule unterrichtet. Untergebracht war ich bei einer Gastfamilie, die MOG vermittelt hat. Meine Gastfamilie hat mich herzlich aufgenommen, obwohl die Wohnverhältnisse sehr beengt waren – in dem kleinen Haus mit Wellblechdach lebte eine 15-köpfige Großfamilie. Mit meinem Gastbruder musste ich ein großes Bett teilen. Ich war selbst erstaunt, wie schnell ich mich an die Lebensverhältnisse dort gewöhnt habe.

Wie sah Ihr Dienst konkret aus?

John: Ich war im Musikschulgebäude im Stadtteil Guasmo tätig. Die Koordination dieser Schule haben die Ecuadorianer selbst in der Hand. Ich wurde für den Klavier-, Schlagzeug- und Trompetenunterricht eingesetzt. Zu den Unterrichtsstunden sind dann die Schüler mehr oder weniger regelmäßig in die Schule gekommen – eine Stunde abzusagen, wenn man nicht kommen kann, ist dort eher nicht üblich.

Wie ist Musikunterricht umsetzbar, wenn sich die Schüler kein eigenes Instrument leisten können?

John: Die Organisation „Musiker ohne Grenzen“ stellt der Musikschule Instrumente zur Verfügung. Diese bleiben allerdings in der Schule. Schüler, die kein eigenes Instrument besitzen, können jederzeit zum Üben in die Musikschule kommen. Der Unterricht findet zweimal pro Woche für jeweils eine volle Zeitstunde statt.

Sie geben auch in ihrem Heimatort Klavierunterricht. Konnten Sie Unterschiede feststellen?

John: Hier bei uns sind es häufig die Eltern, die wollen, dass ihre Kinder neben der Schule und verschiedenen Hobbys auch noch ein Instrument erlernen. In Ecuador ist die Möglichkeit, Instrumentalunterricht zu bekommen, nicht selbstverständlich. Daher hat er für die Kinder und Jugendlichen dort einen entsprechend höheren Stellenwert. Besonders klar wurde mir das, als sich einer meiner Klavierschüler eine Klaviatur aus Pappe gebastelt hat, um auch zu Hause üben zu können.

Warum war es Ihnen wichtig, Ihren Freiwilligendienst mit Musik in Verbindung zu bringen?

John: Weil ich auf diese Weise meine Fähigkeiten am besten einbringen konnte. Es hat sich sinnvoll angefühlt, was ich da getan habe. Ich habe gespürt, dass ich Menschen, deren Lebenssituation sehr schwierig ist, etwas geben konnte. Manche Jugendliche haben sehr viel Zeit in der Musikschule verbracht – da habe ich mich schon gefragt, was sie tun würden, wenn es diese Einrichtung nicht gäbe.

Stand für Sie also mehr der soziale als der künstlerische Aspekt im Vordergrund?

John: Auf jeden Fall. Vielleicht habe ich dem einen oder anderen Schüler die Welt der Musik ein wenig näher bringen können, ihnen den Zugang dazu eröffnet. Vor allem aber habe ich erlebt, wie bei gemeinsamen Konzerten Gemeinschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden sind. Musik stillt zwar keinen Hunger, aber für viele Menschen ist sie ein Grundbedürfnis der Seele.

Am 29. Oktober planen Sie in Bonn ein Benefizkonzert zugunsten von „Musiker ohne Grenzen“.

John: Genau. Die Organisation finanziert sich auf Spendenbasis und erhält keine staatliche Hilfe. Ich habe selbst erlebt, wie wertvoll die Arbeit ist, die vor Ort geleistet wird, und ich bin überzeugt, dass sie Unterstützung verdient hat.

Was erwartet die Zuhörer beim Konzert im Klavierhaus Klavins?

John: Es wird im wahrsten Sinne ein „musikalisch grenzenloser Abend“ mit Liedern sowie Standards aus Klassik und Jazz werden. Ich freue mich besonders, dass sich meine Eltern mit Gesang und Klavier beteiligen. Zusammen mit jungen Musikern, die ich beim Vorstudium an der Kölner Jazz Haus Schule kennengelernt habe, werde ich Eigenkompositionen, in die auch Eindrücke aus meiner Zeit in Ecuador eingeflossen sind, sowie Standards präsentieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort