Haus-Besuch in der "Torburg" Ihre Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück

BORNHEIM · Dieses Haus ist zum Verlaufen groß und verwinkelt. Eine Fülle von langen Fluren, steilen Treppen und kleinen Nischen verbinden die Etagen, in denen gelebt, gearbeitet und mitunter gerätselt wird: Wo mag die zugemauerte Stiege hingeführt haben?

 Schön trutzig präsentiert sich die Fassade.

Schön trutzig präsentiert sich die Fassade.

Foto: Wolfgang Henry

Welches Zimmer hängt bloß an dem alten, einsamen Stromzähler, der beharrlich weitertickt? Man weiß es nicht. Die Bornheimer "Torburg", die sich trutzig vor dem Schloss erhebt, birgt Überraschungen und Geheimnisse. Aber damit hat sich Roland Heise arrangiert. Selbst wenn beim Renovieren mal plötzlich eine Wasserleitung bricht, von der man nicht wusste, dass es sie gibt.

Der 57-Jährige leitet das soziotherapeutische Langzeitwohnheim für Suchtkranke in Trägerschaft des Deutschen Ordens. Seine Stellvertreterin ist die Ergotherapeutin Isabellé Stammen (46). Die Einrichtung zog 1999 in die alten Gemäuer an der Burgstraße ein und nennt sich ebenso: "Die Torburg". 18 Männer und Frauen, die ein abstinentes Leben selbstständig nicht bewältigen können, bekommen hier eine Perspektive in betreuter Gemeinschaft mit Selbstversorgung.

"Es ist etwas Besonderes in diesem Gebäude mit einer so langen Geschichte zu sein", sagt Sozialtherapeut Heise und zeigt auf freigelegtes Fachwerk und lehmverputzte Ziegelwände, denkmalgeschützte und altertümliche Gewölbekeller. Die Ursprünge der Bornheimer Burg, der sich im 18. Jahrhundert das barocke Schloss zugesellte, liegen weit zurück im Mittelalter.

1147 wird die Burg erstmals urkundlich erwähnt. Mauerreste des ersten Baus werden in den angrenzenden Nebengebäuden vermutet, die in den oberen Etagen höchst baufällig sind. Nur das Erdgeschoss dieser Wirtschaftsgebäude hat man als Werkstätten für die Torburgbewohner hergerichtet und als Betreuungseinrichtung für Kinder von Patienten im Schloss.

Dort betreibt der Deutsche Orden seit 2000 auch eine medizinische Rehabilitationsfachklinik für drogenabhängige Erwachsene zur Wiedereingliederung ins Berufsleben. Zuvor bestand dort bereits seit 1980 eine Therapieeinrichtung für ehemals Drogenabhängige in Trägerschaft der Gesellschaft Daytop-Phönix. Sie nutzte Teile des Gebäudes zeitweise als Mutter-Kind-Haus. Das Angebot in der "Torburg" richtet sich hingegen an suchtkranke Menschen, die auf längere Sicht Betreuung benötigen.

Die ursprüngliche Burg aus dem Mittelalter brannte Ende des 16. Jahrhunderts bei kriegerischen Auseinandersetzungen zweimal ab und wurde danach wieder aufgebaut. Das hat Bornheims Archivar Christian Lonnemann in den Unterlagen von Heimatforscher Norbert Zerlett (1911-1993) nachrecherchieren können. Die unterirdischen Gewölbe und Gänge, von denen man weiß, dürften laut Lonnemann aus der Zeit der Ursprungsburg stammen.

Sie bergen schauerliche Geschichten. Nach den Überlieferungen des Bornheimer Schlossermeisters Ferdinand Zaun von 1927 fand man in den 1870er Jahren bei Planierungsarbeiten im Parkboden: "12 aufrecht stehende Skelette, welche alle einen circa 10 cm langen schmiedeeisernen Nagel durch die Schädeldecke eingetrieben hatten. Oh grausamer Tod."

Es könnten Verurteilte aus der Zeit gewesen sein, in der die Burgherren die Gerichtsbarkeit ausübten und auch Todesurteile vollstreckten. Johann Freiherr von Waldbott ließ in den Jahren 1728 bis 1732 einen Teil der Burganlage abreißen und etwas weiter östlich das Bornheimer Schloss bauen, dessen Bedienstete in der Burg gegenüber lebten.

Sie erhielt im Mitteltrakt damals ihre barocke Toreinfahrt, die namensgebend für die "Torburg" war. Nach einigen Eigentümerwechseln sind seit 1872 bis heute die Freiherren von Diergardt Besitzer des Anwesens. Mitglieder der Familie bewohnten bis 1965 das Schloss. "Räume der 'Torburg' wurden bereits nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Wohnungsnot groß war, anderweitig vermietet", berichtet Norbert van der Koelen.

Der 50-jährige Forstwirtschaftsmeister in Diensten der Diergardts kümmert sich seit mehr als 30 Jahren um den Waldbesitz, die Immobilien und die Parkanlagen. Der einstige Wassergraben um die Burg, so weiß er, fiel in den 1980er Jahren trocken, nachdem eine Quelle auf Diergardt'schem Grundbesitz in Botzdorf stillgelegt und der Zufluss somit unterbrochen worden war. Zur Abwehr feindlicher Krieger wurde der Wassergraben freilich auch nicht mehr benötigt.

Unter dem Titel "Hausbesuch" stellen wir in lockerer Folge interessante Gebäude im Vorgebirge vor. Hat Ihr Haus eine Geschichte? Dann schreiben Sie uns an vorgebirge@ga.de oder rufen Sie uns an: Telefonnummer: (02 28) 66 88 474. Gerne besuchen wir Sie.

SteckbriefObjekt: Torburg, Bornheim, Burgstraße 53

Bauzeit: Mittelalter, Wiederaufbau im 16./17. Jahrhundert

Baustil: Holz- und Ziegelfachwerk

Denkmalschutz: 30.09.1985

Größe Wohngebäude: 1 400 Quadratmeter Nutzfläche

Frühere Nutzung: Ritterburg, Wohnhaus für Schlossangestellte, Mietwohnungen, Mutter-Kind-Haus

Heute: stationäre soziotherapeutische Einrichtung für Suchtkranke

Größe Wirtschaftsgebäude: 1 600 Quadratmeter Nutzfläche

Frühere Nutzung: Stallungen, Remise, Flugabwehr der Wehrmacht

Heutige Nutzung: Werkstätten der Therapieeinrichtung, Betreuungseinrichtung für Kinder

Sanierung: läuft kontinuierlich

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