In Waldorf Grundschüler lernen in altersgemischten Gruppen

BORNHEIM-WALDORF · Josefine hat viele Freundinnen. Manche sind zehn Jahre alt wie sie. Manche sind aber auch erst sechs, sieben, acht oder neun Jahre alt. Und alle gehen in ihre Klasse. Denn die Waldorfer Nikolaus-Schule, die Josefine besucht, unterrichtet die Kinder jahrgangsübergreifend.

 Sind von dem Konzept überzeugt (v.l.): Bornheims Schuldezernent Markus Schnapka, die Schulpflegschaftsvorsitzende Vera Tappe, Rektorin Petra Domscheit und Lehrerin Annette Wellmann mit den Schülern Daniel und Josefine.

Sind von dem Konzept überzeugt (v.l.): Bornheims Schuldezernent Markus Schnapka, die Schulpflegschaftsvorsitzende Vera Tappe, Rektorin Petra Domscheit und Lehrerin Annette Wellmann mit den Schülern Daniel und Josefine.

Foto: Wolfgang Henry

Schon seit acht Jahren werden alle Erst- und Zweitklässler in altersgemischten Gruppen zusammengefasst. Seit fast drei Jahren können die Eltern bei der Anmeldung entscheiden, wie es danach weitergeht. In der dritten Klasse können die Kinder entweder in eine altershomogene 3. Klasse gehen oder bis zum Ende der vierten Klasse im altersgemischten Umfeld bleiben.

Josefine und ihre Eltern haben sich wie etwa 140 der 232 Schülerinnen und Schüler für eine Gemeinsame Klasse (G-Klasse) vom ersten bis vierten Schuljahr entschieden. Ihre Lehrerin Annette Wellmann sieht viele Vorteile in dieser Unterrichtsform. So kann etwa die Schuleingangsphase, die normalerweise zwei Jahre dauert, auf ein Jahr verkürzt oder auf drei Jahre verlängert werden, ohne dass das Kind den Klassenverband und die Lehrerin wechseln muss.

Für die Kinder ist die Mischung selbstverständlich geworden. So meint Daniel (10): "Dritte und vierte Klassen finde ich doof, weil alle gleich alt sind." Ihm macht es Spaß, den Jüngeren bei der Erarbeitung des Unterrichtsstoffs zu helfen.

Und auch mit den Kindern seiner Stufe kooperiert er: In Mathe erklärt er den Mitschülern manchen Rechenweg, dafür revanchieren sie sich bei ihm, indem sie mit ihm zusammen Deutschaufgaben besprechen. Dabei profitieren beide Seiten: Denn wer anderen einen Sachverhalt erklärt, erprobt und vertieft seine eigenen Fähigkeiten.

Aber auch, wer ganz oben angekommen ist, soll weiter gefördert werden. Dem Lehrerkollegium ist es wichtig, den Viertklässlern adäquate Angebote zu machen. Daniel zum Beispiel, der in Mathe mit dem Stoff der vierten Klasse schon fertig ist, bekommt besonders schwierige Knobelaufgaben. In diesem sehr individuellen Lernrahmen werden auch Kinder mit besonderem Förderbedarf auf natürliche Weise integriert.

Zurzeit besuchen acht solcher Kinder die Nikolaus-Schule, fünf davon in einer Inklusionsklasse. Hier steht der Lehrerin noch eine Sozialpädagogin zur Seite, die mit unterrichtet. Sie ist auch Ansprechpartnerin für das gesamte Lehrerkollegium. Rektorin Petra Domscheit hält diese Zusammenarbeit für "effektiver als jede Fortbildung von außen".

Die Eltern stehen dem Konzept zunächst oft skeptisch gegenüber, weil sie das Schulleben aus ihrer eigenen Kindheit noch ganz anders in Erinnerung haben. Schulpflegschaftsvorsitzende Vera Tappe lacht, wenn sie sich an ihre anfänglichen Bedenken erinnert. Bei einer Hospitation an der Schule habe sie aber gesehen: "Es funktioniert." Mittlerweile ist sie stolz, der Schulgemeinschaft anzugehören.

Denn auch die Eltern können sich einbringen - als Lesemütter, Computerpaten oder Mitarbeiter beim Nikolaus-Basar, als Mitentscheider in Gremien wie der Klassen- und Schulpflegschaft, der Schulkonferenz oder in Arbeitskreisen wie dem AK Schulhofgestaltung. Bislang entscheiden sich erst wenige linksrheinische Grundschulen für ein ähnliches Konzept.

Laut Rita Lorenz, Sprecherin des Rhein-Sieg-Kreises, arbeitet außer der Nikolaus-Schule nur die Katholische Gemeinschaftsgrundschule Meckenheim in ihrem Teilstandort Altendorf jahrgangsübergreifend. Schuldezernent Markus Schnapka hat das Konzept überzeugt: "Ich fänd's toll, wenn alle Schulen so arbeiten würden."

Die Idee

Die Kinder der Nikolaus-Schule bekommen bis zur Mitte der 3. Klasse keine Noten. Die Schule möchte so die Lernmotivation fördern. Wer mehr Zeit als andere braucht, würde durch schlechte Noten entmutigt. Aber auch sehr leistungsstarke Kinder erhalten durch individuelle Lern- und Entwicklungsberichte Anregungen, wie sie weiterkommen können.

Laut Rektorin Petra Domscheit können Kinder nur dann starke Leistungen bringen, wenn sie nicht allein auf ihre Leistung reduziert werden. Durch die guten Ergebnisse ihrer Schüler bei Schulleistungstests wie VERA sieht sie sich bestätigt. thb

Am Mittwoch, 25. September, stellt sich die Nikolaus-Schule bei einem Tag der Offenen Tür vor.

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