Zweite Runde für Bornheimer Projekt Gerd Roik ist "Sprachpate" und freut sich, etwas zu bewegen

BORNHEIM · Gerd Roik macht Liegestütze. Dabei hat er seine Computer-Kursus-Mappe gar nicht zu Hause vergessen. Milads Mappe ist es, die fehlt - und auf dieses "Vergehen" stehen in Gerd Roiks persönlichem "Bußkatalog" nun mal fünf Liegestützen. Für den siebenjährigen Knirps Milad ist diese Sonderaufgabe freilich keine Strafe: Fröhlich tritt er gegen den topfitten 70-jährigen an und verspricht, seine Mappe beim nächsten Mal wieder mitzubringen.

 Immer engagiert bei der Sache: Gerd Roik gibt an der Sebastianschule in Roisdorf einen Computer-Kursus.

Immer engagiert bei der Sache: Gerd Roik gibt an der Sebastianschule in Roisdorf einen Computer-Kursus.

Foto: Sonja Weber

In der Computer-AG, die der Rentner einmal pro Woche an der Roisdorfer Sebastianschule anbietet, geht es lustig zu - gelernt wird trotzdem eine Menge. Vordergründig geht es um das Erlernen einfacher PC-Anwendungen. Mit dem "Paint"-Programm wird der Umgang mit der Maus trainiert, in "Word" werden kurze Texte geschrieben und abgespeichert.

"Alles, was mit Computern zu tun hat, ist für Kinder natürlich wahnsinnig interessant. Das mache ich mir zur Nutze: Die Kinder merken gar nicht, wie sie ganz nebenbei ihren Wortschatz erweitern." Das geschieht etwa durch das Vorlesen einer Arbeitsanleitung oder durch das Abtippen kleiner Gedichte.

Hochkonzentriert arbeitet die siebenjährige Khadiga an ihrem vierzeiligen "Wintergedicht". Darin geht es auch um Schnee. "Was ist eigentlich Schnee?", fragt Roik. "Beschreibt mal, wie er aussieht, wie er sich anfühlt, und was man damit machen kann!" - und schon beginnt eine angeregte Diskussion.

Vor drei Jahren entschied sich der ehemalige Prokurist einer großen Versicherungsgesellschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen. Er meldete sich beim Sprachpatenprogramm der Stadt Bornheim und nahm an einer einwöchigen Sprachpatenqualifizierung an der Volkshochschule teil. "Es gab zwei Gründe, warum ich mich dafür entschieden habe, diese Aufgabe zu übernehmen", erzählt Roik.

"Zum einen habe ich in meinem damaligen Job viele junge Leute ausgebildet. Das hat mir immer Spaß gemacht, und ich dachte, dass ich meine Erfahrung in diesem Bereich sicher einbringen kann. Außerdem finde ich die Arbeit mit Kindern sehr erfüllend, es ist schön zu sehen, wie begeistert sie bei der Sache sind, und es freut mich, etwas bei ihnen bewirken zu können."

Auch Schulleiterin Uta Scheuer ist froh, den engagierten Rentner als Unterstützung an ihrer Schule zu haben. "Herr Roik ist sehr beliebt, ist immer toll vorbereitet und arbeitet absolut selbstständig." Insgesamt kann sich die Sebastian-Schule über die Hilfe von sieben Sprachpaten freuen, die vor allem Schülern mit Migrationshintergrund helfen sollen, die deutsche Sprache besser zu erlernen. "Natürlich ist der Unterricht mit den Sprachpaten viel effektiver. In einer Gruppe von zwei bis maximal sechs Teilnehmern kann man viel intensiver auf jedes einzelne Kind eingehen."

Auch jetzt gingen wieder 14 Senioren aus Bornheim und Alfter an den Start, um sich in einem 28-stündigen, kostenlosen Kursus der Volkshochschule Bornheim/Alfter als "Sprachpaten für Grundschüler" qualifizieren zu lassen. Für die neun Frauen und fünf Männer standen an den sieben Kurstagen unter anderem Themen wie Lernpsychologie, Grundlagen des Spracherwerbs, Spielideen zur Lernförderung und interkulturelle Kompetenz auf dem Stundenplan. Gesponsert wird das Projekt unter anderem von der Bornheimer Bürgerstiftung.

Erstmalig initiierte die Stadt Bornheim die Sprachpatenschaften an den Grundschulen im Jahr 2010. Damals bemühten sich 17 Senioren um die Lernförderung an den Schulen. Acht Paten dieser Gruppe sind heute noch im Einsatz. Darunter auch Manfred Rowold. Ebenso wie Gerd Roik ist er an der Sebastian-Grundschule tätig. Der Journalist, der als Korrespondent in China und der Sowjetunion unterwegs war, kann seinem neuen Job viel Positives abgewinnen.

"Im Grunde sind die Kinder sehr motiviert. Man muss sie nur machen lassen. Sie wollen zeigen, was sie schon können. Vor allem aber wollen sie gesehen und angesprochen werden - und das kann in einer Kleingruppe natürlich viel besser umgesetzt werden", erklärt der 64-jährige. "Oft wird die Arbeit an den Schulen kritisiert. Gleichzeitig wird aber immer mehr von den Lehrern verlangt. Dabei können sie viele Dinge schlicht nicht leisten. Die Sprachpatenschaften bilden daher eine sinnvolle Ergänzung."

Einen anderen Einsatzbereich als "Sprachpatin" hat Gisela Mertes gefunden. Nachdem die 63-Jährige schon nach kurzer Zeit feststellte, dass ihr die Arbeit an der Grundschule nicht liegt, trat die Volkshochschule mit einer Alternative an sie heran: Derzeit unterstützt sie Teilnehmer der Integrationskurse, die Probleme haben, die Prüfung zum Erreichen eines Zertifikats zu bestehen. Das Zertifikat erleichtert unter anderem die Einbürgerung.

"Oft kommuniziere ich mit Händen und Füßen mit meinen Schülern", sagt Mertes. "Die Problematik ist sehr komplex, oft mangelt es nicht nur an Motivation, sondern schlicht an Bildung. Da wird das Lesen eines einfachen Textes schon zum Problem - vom Textverständnis ganz zu schweigen."

Oft sei sie frustriert, wenn Teilnehmerinnen nicht mehr kämen oder den Kursus nicht erfolgreich abschließen konnten. "Es ist kein leichtes Ehrenamt", sagt sie. Trotzdem möchte sie weitermachen. "Auch wenn ich oft hadere - es ist eine wichtige Aufgabe. Es geht nicht darum etwas zu bekommen, sondern darum, etwas zu geben."

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