Wegen Flächennutzungsplan Gärten in Roisdorf droht das Aus

Roisdorf · Wegen eines Streits mit der Stadt Bornheim um Baugenehmigungen sieht ein Rentner die Zukunft seines Gartens gefährdet. Die Gründe dafür liegen viele Jahre zurück.

 Reinhard Schulze und Enkelin Helene verbringen ihre Freizeit am liebsten in ihrem Garten in Roisdorf.

Reinhard Schulze und Enkelin Helene verbringen ihre Freizeit am liebsten in ihrem Garten in Roisdorf.

Foto: Axel Vogel

Seinen Garten zwischen Maarpfad, Gemüseweg und Bahngleisen pflegt Reinhard Schulze (80) seit Anfang der 90er Jahre. Obstbäume, Gemüsebeete, ein kleines Gewächshaus, ein Stall mit Hühnern und ein Teich mit Goldfischen – auf rund 2000 Quadratmetern gedeiht es das ganze Jahr. Doch wegen eines Streits mit der Stadt um Baugenehmigungen sieht der Rentner die Zukunft seines Gartens gefährdet.

„Anfang 1990 musste ich meinen damaligen Garten innerhalb von drei Monaten räumen, weil das Grundstück zu Bauland wurde“, erinnert sich Schulze. Das alte Grundstück liegt einige Hundert Meter Luftlinie entfernt gegenüber dem Senioren-Wohnstift Beethoven. „Zum Glück konnte ich den jetzigen Garten pachten.“ Zehn längliche Grundstücke liegen dort an den Eisenbahngleisen nebeneinander. Was mobil war, habe Schulze damals mit in den neuen Garten genommen, darunter ein einachsiger Bauwagen.

Doch für diesen hätte er eine Baugenehmigung benötigt. Im alten Garten habe er diese gehabt, im neuen beantragte er sie nicht erneut. „Ich bin nicht darauf gekommen, dass das so eine gewaltige Änderung ist“, erklärt der Rentner. Das bemängelte die Stadt Bornheim erstmals 2002. In einem Brief forderte sie Schulze zum Abriss des Bauwagens auf. Denn laut Flächennutzungsplan liegen die Grundstücke im Außenbereich und sind als Acker­land ausgezeichnet. Bauvorhaben sind gemäß Gesetz dort zum Beispiel der Landwirtschaft vorbehalten. Schulze zufolge würden die dortigen Grundstücke seit Jahrzehnten nicht mehr als Acker genutzt.

Für ihn und seine Tochter Marion Schulze (51), die den benachbarten Garten bewirtet, geht es in dem Streit um mehr als Baugenehmigungen. Ohne die Hütten könne der Garten nicht existieren, denn deren Dächer, auf denen sich Regenwasser sammelt, füllen die Fässer im Garten, erklären die Schulzes. Und ohne Wasser keine Pflanzen. Rund 15 000 Liter könnten sie gleichzeitig sammeln. „Nur dadurch können wir hier alles am Leben erhalten“, sagt Marion Schulze.

 Fütterungszeit: Auch der Hühnerstall muss weichen, weil er ohne Baugenehmigung errichtet wurde.

Fütterungszeit: Auch der Hühnerstall muss weichen, weil er ohne Baugenehmigung errichtet wurde.

Foto: Axel Vogel

Antrag bleibt unbeantwortet

Nach dem Erhalt des Briefs erreichte Reinhard Schulze eine Ortsbegehung mit dem Bauamt. „Damals wurde uns vom Amt geraten, einen Antrag auf Umwandlung in Gartenland zu stellen“, sagt der Rentner. Diesen stellte er noch im selben Jahr. Jahre vergehen. „Man wartet und denkt: Ist wohl alles O.K.“, berichtet Schulze. Im Glauben, dass sein Antrag Erfolg hatte, kaufte er 2008 das Nachbargrundstück für seine Tochter. Doch: „2017 kommt die nächste Abrissverfügung“, diesmal für alle Hütten im Garten.

Im Jahr 2011 war in Bornheim inzwischen ein neuer Flächennutzungsplan in Kraft getreten. Die Grundstücke der Schulzes blieben Außenbereich und Ackerland. Vom öffentlichen Verfahren hätten Schulze und seine Tochter, die in Bonn beziehungsweise Swisttal-Heimerzheim wohnen, ihm zufolge nichts mitbekommen.

Eine Antwort auf seinen ursprünglichen Antrag hatte die Stadt vor Ende des Verfahrens nicht verfasst, wie aus einem Schreiben des Bauamts an Reinhard Schulze vom August 2017 hervorgeht. „Da Sie während der Offenlage keine Stellungnahme abgegeben haben, erhielten Sie auch keine Benachrichtigung seitens des Planungsamts“, heißt es dort. Und weiter: „Eine Verjährung oder automatische Duldung tritt durch die ‚Ruhestellung’ jedoch nicht ein.“ Warum die zweite Abrissverfügung erst Jahre später eintraf? „Es (das Verfahren, d. Red.) scheint schlichtweg übersehen worden zu sein“, schreibt eine gerichtliche Assessorin im September 2018.

In der Abrissaufforderung vom Juli 2017 steht: Das Entwicklungsziel der Fläche sei die „Erhaltung einer im ganzen erhaltenswürdigen Landschaft mit naturbelassenen Lebensräumen“. Für die Schulzes reine Ironie. Blühende Apfel-, Pflaumen- und Pfirsichbäume, Insektenhotels, Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, seltene Holzwespen in einem alten Stamm – ihre Gärten seien für die Tier- und Pflanzenwelt zuträglicher als die ungenutzten Brachflächen in der Umgebung.

Was die Familie besonders ärgert: Das im Nordosten angrenzende Grundstück am Maarpfad widmete die Stadt kürzlich von landwirtschaftlicher Fläche zu Bauland um – dort soll eine Kita entstehen (der GA berichtete). „Wir sind demnächst von drei Seiten von Bauland eingeschlossen, warum können nicht auch unsere Grundstücke in einen Innenbezirk umgewandelt werden?“, fragt Marion Schulze. Ihre Vermutung: Die Gärten sollen irgendwann zu Bauland werden, und Ackerland könne man eben am günstigsten kaufen. Momentan kämpft die Familie noch mit einem Anwalt für ihre Gärten.

Kein Kompromiss in Sicht

Bürgermeister Wolfgang Henseler pocht auf Anfrage des GA an die Stadt auf das Gesetz. „Das Planungsrecht legt alles fest“, sagt er. „Wir haben immer die Problematik, dass jemand sagt: Da steht doch nur ein Bauwagen. Aber es ist völlig klar, dass in Außenbereichen nur privilegierte Bauvorhaben möglich sind. Ansonsten ist nichts zulässig, da gibt es für uns keinen Spielraum.“ Das habe ein Richter bereits bestätigt.

Theoretisch könne man dem Bürgermeister zufolge an der Stelle eine Kleingartenanlage einrichten. Aber vorher müsse „mit hohem Aufwand das Planungsrecht“ geändert werden; außerdem seien Kleingartenanlagen an Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes gebunden. „Das schafft eine Familie wie die Schulzes nicht allein.“ Bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans habe man außerdem an anderer Stelle Fläche ausgewiesen, die sich als Kleingartenanlagen eigne.

„Es gibt kein Gewohnheitsrecht“, betont Henseler erneut. Die Fläche zu einem Innenbereich umzuwandeln hieße, sie auch in Baufläche umwandeln zu müssen. „Und dann wird es da keinen Garten mehr geben“, ist sich der Bürgermeister sicher. Entgegen Marion Schulzes Vermutung beabsichtige die Stadt aktuell nicht, dort Bauland einzurichten. Das könne sie auch nicht ohne Weiteres, solange andere Bauflächen noch nicht vollständig verplant seien.

„Wir werden Familie Schulze an dieser Stelle nicht helfen können“, sagt der Bürgermeister. Die Familie könne das Grundstück, das ihnen gehört, verkaufen oder an einen Landwirt verpachten. Ackerland würde in Bornheim händeringend gesucht.

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