Fastenzeit in Bornheim Frühes Aufstehen gegen Pessimismus

Bornheim · Drei Frauen zelebrieren im evangelischen Gemeindezentrum in Bornheim eine etwas andere Form des Fastens: Sie verbringen sieben Wochen ohne Pessimismus und treffen sich um 6 Uhr in der Kirche.

 Frühaufsteherinnen in der Fastenzeit sind Lieselotte Hötzel (von links), Irmelin Schwalb und Marianne Botz.

Frühaufsteherinnen in der Fastenzeit sind Lieselotte Hötzel (von links), Irmelin Schwalb und Marianne Botz.

Foto: Stefan Hermes

Bereits seit 1987 feiern die evangelischen und katholischen Gemeinden Bornheims gemeinsame ökumenische Frühschichten in der Passionszeit. Vom ersten Freitag nach Aschermittwoch, dem Beginn der Fastenzeit, bis zum letzten Freitag vor der Karwoche, 3. April, treffen sich jeweils freitags die Christinnen und Christen der beiden Kirchengemeinden um 6 Uhr zur Andacht mit anschließendem Frühstück in der evangelischen Versöhnungskirche an der Königstraße.

Unter dem Motto der Evangelischen Kirche Deutschlands „Zuversicht – 7 Wochen ohne Pessimismus“ möchte man anhand von Geschichten aus der Bibel darüber nachdenken, von welchen Kräften dort erzählt wird und welche hilfreichen Strategien aufgezeigt werden.

Statt Verzicht und Entbehrung in der Fastenzeit sollen sieben Wochen lang Alternativen gewonnen und erprobt werden, die Mut fürs Leben machen. Marianne Botz und Lieselotte Hötzel (beide katholisch) sowie Irmelin Schwalb (evangelisch) organisieren die Frühschichten. Mit den Frauen sprach Stefan Hermes.

Statt für 40 Tage ohne Alkohol, ohne Fleisch, ohne Süßes oder auch den Verzicht auf Fernseher, Handy oder Zigaretten, haben Sie sich für ökumenische Frühschichten an jedem Freitag in der Passionszeit entschieden. Warum?

Schwalb: Mit „Zuversicht – 7 Wochen ohne Pessimismus“ lässt sich für mich der Weg, der zu Ostern führt, auf eine intensivere Weise nachvollziehen. Da kommt es mir nicht auf so plakative Dinge an, wie auf Alkohol oder Handy zu verzichten. Für mich sind die Frühschichten etwas sehr Schönes, weil es von mir abverlangt, um sechs Uhr in der Frühe hier zu sein und ich mich in der Gemeinschaft auf das Wochenende und die nächste Woche geistlich einstimmen kann.
Hötzel: Ich habe nur noch an Aschermittwoch und am Karfreitag einen Fastentag. Für mich wäre auch die Fastenzeit mit Misereor eine Alternative gewesen, aber ich mache es auch gerne (lachend zu Schwalb) mit euch. Auch das frühe Aufstehen ist für mich ein Fastenopfer.
Schwalb: Wir feiern die beiden großen Fastenzeiten der Kirchen schon seit Jahren mit Früh- oder Spätschichten: In der Passionszeit mit einer Frühschicht und in der Adventszeit mit einer Spätschicht. Jährlich abwechselnd in der evangelischen Versöhnungs- oder der katholischen St. Servatius-Kirche.

Wie kann es sein, dass Sie in einer Situation der wieder zu erwartenden Flüchtlingsströme sowie den Attentaten der letzten Wochen und einer drohenden Corona-Pandemie von Zuversicht sprechen und keinen Grund zum Pessimismus sehen?

Schwalb: Pessimismus würde ja Schwarzseherei bedeuten. Aber es gibt ja Perspektiven und man kann etwas tun. Pessimismus soll ja keine Lähmung sein. Mit unserem Vertrauen auf Gott sind wir aufgerufen, aktiv zu werden. Ich habe Zuversicht darauf, dass mir durch meinen Glauben, durch Gott und durch das, was ich tun kann geholfen wird. Nicht die Hände in den Schoß legen und sagen, es hat ja eh keinen Sinn mehr, sondern etwas tun. Darin versichern wir uns gegenseitig, wenn wir Freitagmorgen hier sitzen.
Botz: In den Themen, die wir besprechen, wird ja auf verschiedene Weise mit dem Pessimismus umgegangen. Da kann jeder für sich sehen, wo man Hilfen bekommt.

Wo sehen Sie die Hilfen? Kann es mit Zuversicht gelingen, die Krisen unserer Zeit zu bewältigen?

Botz: Im Gebet. Und im Glauben an Gott. Im Glauben daran, dass es noch etwas Höheres gibt. Dass da jemand ist, der die Dinge in der Hand hält, da der Mensch nicht alles alleine machen kann.
Schwalb: Die Garantie für unsere Zuversicht ist der Glaube an die Auferstehung. Dächten wir nur bis Karfreitag, wäre der Pessimismus vielleicht durchaus berechtigt. Durch das Gebet, durch die Hinwendung zu Gott, bekommen wir die Kraft, etwas zu tun.
Botz: Das ist ja das Schöne an unseren Frühschichten, dass wir dort Impulse für den Tag bekommen, die auch etwas mit unserem Leben zu tun haben.

Sie haben mit dem Motto der ökumenischen Frühschichten angekündigt, dem „Bedenkentragen und der Panikmache unserer Tage“ etwas entgegenzusetzen. Wie kann das gehen?

Botz: Vielleicht kommen wir noch zu Erkenntnissen in den kommenden Wochen. Aber es ist auch gut, wenn es Menschen gibt, die nicht immer nur alles schlecht finden, sondern versuchen, auch noch Positives zu finden.
Schwalb: Man muss den Mut haben, an die eigene Wirksamkeit zu glauben. Wir haben hier schon Kirchenasyl gegeben und wir haben unsere LebEKa, die den Menschen hilft. Es ist nicht vergeblich, was wir hier tun. Es ist auch ein Teil des Fastens, zu sagen, dass die Erfüllung eigener Bedürfnisse nicht alles ist, sondern auch das Sich-bescheiden-Können. Gebet, Almosen und Fasten stehen für uns im Mittelpunkt der Passionszeit.

Glauben Sie an die Notwendigkeit eines Verzichtübens – bis hin zum Klima- und Medienfasten – in unserer heutigen Zeit?

Schwalb: Unbedingt. Der Verzicht ist eine wichtige Herausforderung für einen jeden von uns.
Hötzel: Ich werde in der Fastenzeit keinen Alkohol trinken.
Schwalb: Ich halte mich vor allem auch an das Matthäus-Evangelium, wo es heißt, wir sollten nicht prunken mit unserem Fasten, sondern das Gesicht waschen, damit es niemand sieht. Fasten ist eine Sache zwischen Gott und dem Einzelnen. Keine Demonstration nach außen.
Botz: Schon ich habe meine Kinder nicht dazu angehalten, streng mit Süßigkeiten zu fasten. Sie sollten aktuell sehen, was für sie ein Verzicht sein könnte.

Was macht der Verzicht mit Ihnen?

Botz: Irgendwie eine Befreiung. Es ist gut festzustellen, dass man nicht immer alles braucht. Das manchmal auch weniger genügt.
Schwalb: Oft sind es schon kleine Sachen, die uns stärken können.
(Schwalb zeigt einige Lose aus dem Fastenaktionsheft „Zutaten“, die sie am ersten Freitagmorgen an die Gläubigen verteilt hatte. Sie sind überschrieben mit „Mut? Los!“ und geben Anregungen für den Tag: „Strahle heute die pure Freude aus!“, „Tanze mit jemandem jetzt!“ oder auch „Umarme einen fremden Menschen!“) Ob Verzicht oder Mut-Lose, beides zeigt, dass wir eben nicht mutlos sind und etwas tun können.

Warum feiern Sie am Karfreitag als einem der höchsten kirchlichen Feiertage keine Frühschicht mehr zusammen?

Schwalb: Wir hören eine Woche vor der Karwoche auf, damit jede Konfession den Karfreitag nach seiner eigenen Liturgie und den eigenen Traditionen feiern kann.

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