Interview Isabelle Lütz Flüchtlingshilfe: „Das sind Nachbarn, keine Geflüchteten“

Bornheim · Die neue Vorstandsvorsitzende der Flüchtlingshilfe Bornheim erzählt von ihrer Arbeit und den Herausforderungen. Isabelle Lütz vermittelt neben Schulungen auch einfach Kontakte zum Kaffeetrinken.

 Die neue Vorsitzende der Bornheimer Flüchtlingshilfe, Isabelle Lütz, im Gespräch.

Die neue Vorsitzende der Bornheimer Flüchtlingshilfe, Isabelle Lütz, im Gespräch.

Foto: Axel Vogel

Die Flüchtlingshilfe Bornheim hat einen neuen Vorstand gewählt und Isabelle Lütz ist als neue Vorsitzende daraus hervorgegangen. Sie löst Gerd Hölter ab, der das Amt vor zwei Jahren übernahm. Mit ihr sprach Elena Sebening.

Wie viele Geflüchtete sind derzeit in Bornheim untergebracht?

Isabelle Lütz: Das sind ungefähr 800, die sich über das ganze Stadtgebiet verteilen. Und viele leben seit Jahren hier. Es sind im Grunde Nachbarn, keine Geflüchteten mehr. Leider leben noch immer mehr als 80 Menschen in Containern.

Wie lange dauert es, bis die Menschen von den Containern in eine eigene Wohnung ziehen können?

Lütz: Das ist sehr unterschiedlich. Früher ging das noch schneller, mittlerweile ist es auch für die Stadt schwer geworden, auf dem Wohnungsmarkt etwas zu finden. Die neue Unterkunft im Sechtemer Weg hat uns jedoch schon einmal sehr entlastet.

Wie bewerten Sie das Engagement vor Ort?

Lütz: Ich erlebe täglich viel Hilfsbereitschaft, viel mehr als man vermuten würde.

Wobei hilft der Verein konkret?

Lütz: Es gibt viele alltägliche Probleme, die aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten entstehen. Da vermitteln wir. Unser Angebot ist sehr breit aufgestellt. Es gibt eigene Sprachkurse, einen Nähkurs und Unterstützung bei der Kommunikation mit Ämtern und Ärzten. Aber vielen fehlt auch einfach der ganz normale Kontakt zu Deutschen. Da vermitteln wir ebenfalls – und wenn es nur für ein Kaffeetrinken ist.

Was müssen Helfer denn mitbringen?

Lütz: Bei uns muss niemand erst eine Schulung machen. Wir schauen, wer zu wem passt und führen die Menschen zusammen. Niemand muss sich über Monate oder Jahre verpflichtet fühlen und man darf auch mal „Nein“ sagen.

Mit Blick auf vergangene Jahre, was hat der Verein erreicht?

Lütz: Es sind bestimmt Hunderte von Beziehungen entstanden. In den Hochzeiten hatten wir bis zu 700 Helfer. Viele sind mittlerweile zu Familienmitgliedern geworden. Und, ich bin mir sicher: Unsere Stadt ist glücklicher, seit wir Flüchtlinge haben.

Seit wann engagieren Sie sich?

Lütz: Im Jahr 2013 hatte ich den ersten Kontakt zu Geflüchteten und habe festgestellt, wie viele nette und tolle Menschen dort in der Unterkunft lebten und wie absurd es war, dass die Dorfbewohner einen großen Bogen darumherum machten. Das wollte ich ändern.

Was müssen Menschen mitbringen, die im Verein tätig werden möchten?

Lütz: Einfach ein offenes Herz für andere und Interesse an Menschen.

Welche Probleme gibt es denn im Alltag?

Lütz: Am ehesten sind es Anpassungsprobleme. Doch durch Kommunikation kann so viel gelöst werden und die beiderseitige Angst ist unbegründet.

Was gibt Ihnen das Engagement?

Lütz: Ich fühle eine Berufung. Alles was ich gelernt habe, kann ich hier nutzen. Das betrifft sowohl meine Ausbildung zur Krankenschwester als auch meinen journalistischen Hintergrund.

Was gehört noch zu den Aufgaben des Vereins?

Lütz: Wir helfen auch denen, die zurück möchten oder müssen. Die Menschen wissen dann, dass wir den Kontakt zu ihnen halten und ihnen in der Übergangszeit helfen. Es geht nicht darum, dass die ganze Welt zu uns kommt. Wir gehen pragmatisch an die Arbeit heran und wollen, dass die Geflüchteten ihre Zeit hier gut nutzen, selbst wenn sie zurück müssen.

Was haben Sie persönlich mitgenommen?

Lütz: (lacht) Ich habe mich in das syrische Essen verliebt. Und auch in die Art, sich zu begrüßen. Mittlerweile sage ich nicht einfach nur „Hallo“ und komme schnell zum Punkt, sondern frage „Wie geht es dir?“ So habe ich das einfach mit der Zeit von meinen Freunden übernommen.

Weitere Infos via Mail an
info@fluechtlingshilfe-bornheim.de.

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