Felder blieben Freitag leer Erntehelfer bei Spargel Ritter protestieren gegen Missstände

Bornheim · Erntehelfer des Erdbeer- und Spargelhofs Ritter in Bornheim haben am Freitag die Arbeit niedergelegt. Vor einer Unterkunft protestierten die Arbeiter gegen Lohnausfall und die Zustände in der Unterkunft - auch mit Blick auf die Corona-Pandemie.

 In Bornheim haben Hilfsarbeiter bei Spargel Ritter protestiert.

In Bornheim haben Hilfsarbeiter bei Spargel Ritter protestiert.

Foto: Axel Vogel

Die Felder an der Bornheimer Brehmstraße sind verwaist. Auf dem angrenzenden Hof des insolventen Landwirtschaftsbetriebs Spargel Ritter dagegen haben sich am Freitagvormittag einige Männer und Frauen versammelt. Aufs Feld würden sie erst morgen wieder gehen, machen sie deutlich. Weitere Ausführungen scheitern an der Sprachbarriere. Denn die Gruppe gehört zu den etwa 240 rumänischen Saisonarbeitern, die in dem Betrieb derzeit helfen, die Ernte einzufahren.

Möglich ist ein Gespräch dafür kurz zuvor mit der 29-jährigen Erntehelferin Rozalia Sotri. Zwar stammt sie ebenfalls aus Rumänien, spricht aber fließend Deutsch, weil sie seit elf Jahren in der Bundesrepublik lebt. „Leute, die gestern ihren Lohn bekommen haben, haben nur 100 bis 200 Euro bekommen“, berichtet Sotri. Für einen Monat Arbeit, den sie und ihre Kollegen geleistet hätten, sei das zu wenig. Auch sie habe bisher nur drei der versprochenen vier Vorschusszahlungen bekommen, die auch noch zu niedrig ausgefallen seien.

Ausbleibender Lohn ist Sotri zufolge nicht das einzige, was den Protest der Arbeiter hervorgerufen hat. So berichtet sie von schimmeligem Brot und Salami mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, die als Verpflegung ausgegeben worden seien. Ein anderer, inzwischen ehemaliger Mitarbeiter spricht von ähnlichen Missständen bei der Verpflegung.

 In Bornheim haben Erntehelfer die Arbeit niedergelegt und gegen die Zustände vor Ort protestiert.

In Bornheim haben Erntehelfer die Arbeit niedergelegt und gegen die Zustände vor Ort protestiert.

Foto: Axel Vogel

 Bei der Unterbringung gibt es laut Sotri ebenfalls Probleme. In dem ausgerechnet neben einer Kläranlage gelegenen Containerdorf teile sie sich ein Zimmer mit drei anderen – Frauen und Männern. Um nachts nicht zu frieren, habe sie sich auf eigene Kosten eine Elektro-Heizung anschaffen müssen.

Das Kreisgesundheitsamt hat bei einer Begehung die Sanitäranlagen in den Unterkünften beanstandet. Gemeinsam mit der Bornheimer Stadtverwaltung sollen nun Wege gefunden werden, die Situation zu verbessern. Denkbar ist laut Kreis-Sprecherin Rita Lorenz etwa, dass Dixi-Klos aufgestellt werden.

Rozalia Sotri lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet, so erzählt sie. Eigentlich arbeitet sie nach eigener Aussage bei einem Autozuliefer-Betrieb. Aber ihr Job sei wegen der Corona-Krise weggefallen. Doch auch wenn sie ihre Arbeit wieder aufnehmen könnte, will sie die Unterkunft in Bornheim so lange nicht verlassen, bis sie ihren vollen Lohn bekommen hat.

Ein anderer Arbeiter, der auf seinen Lohn wartet, hat sich an Raluca-Florina Gheorge vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gewandt, wie diese berichtet. Gheorge ist beim DGB für das Projekt „Faire Mobilität“ zuständig, bei dem Osteuropäer im Arbeits- und Sozialrecht beraten werden. Dem Mann zufolge seien in einem Fall für 500 Arbeitsstunden nur 500 Euro gezahlt worden. Arbeiter, die sich beschweren wollten, seien aus dem Büro ihres Chefs geschmissen worden. Vielleicht habe es sich aber auch um ein Verständigungsproblem gehandelt, mutmaßt Gheorge.

Dafür könnte sprechen, was Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen in diesem Zusammenhang zu sagen hat. Denn ihm zufolge erhalten die Saisonarbeiter den Hauptteil ihres Lohns erst am Ende der Ernte. Bis dahin würden wöchentliche Vorschüsse ausgezahlt.

Allerdings habe die Gläubigerversammlung vor gut einer Woche beschlossen, die Spargelernte abzubrechen. Grund sei der geringe Absatz. Im Zuge der Corona-Krise haben viele Restaurants geschlossen, die sonst bei dem Spargelerzeuger kaufen . Den beim Spargelstechen eingesetzten Saisonarbeitern habe er angeboten, bei der Ernte der Erdbeeren mitzumachen, erklärt Schulte-Beckhausen. Die, die dieses Angebot nicht annehmen, würden nun abreisen, bekämen aber den vollen Lohn für ihre bisher geleistete Arbeit, versichert er.

Mit der Erdbeer-Ernte zeigt Schulte-Beckhausen sich sehr zufrieden. Mit einer Ausnahme: Dem ehemaligen Chef Claus Ritter habe er Hausverbot erteilt, weil dieser für „Unruhe“ gesorgt habe.

Darauf angesprochen, sagt Ritter  lediglich lapidar „soll mir recht sein“. Mit seinem nunmehr ehemaligen Betrieb scheint er abgeschlossen zu haben. Für alles, was dort jetzt passiert, seien er und seine Frau Sabine, ehemals Mitgesellschafterin, nicht mehr zuständig.

Unter den Erntehelfern gibt es indes nicht nur Rumänen. Auch etwa hundert deutsche Männer und Frauen packen mit an. Eine junge Frau, die sich beim General-Anzeiger gemeldet hat, störte sich zu Beginn ihrer Arbeit daran, dass auf den Feldern der angesichts der Corona-Pandemie notwendige Abstand nicht eingehalten worden sei. Nachdem sie dies kritisierte, habe sich die Situation inzwischen aber verbessert. Auch Schutzmasken hätten sie und ihre Kollegen inzwischen bekommen.

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