Interview mit Markus Schnapka „Eine Frau in der Dezernatsleitung wäre gut“

BORNHEIM · Nach fast acht Jahren im Dienst der Stadt Bornheim hat Sozialdezernent und Beigeordneter Markus Schnapka am 29. Februar seinen letzten Arbeitstag im Rathaus. Bekanntlich beendet der 64-Jährige seine Amtszeit acht Monate früher, weil er freiberuflich tätig sein möchte. Antje Jagodzinski sprach mit ihm.

 Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler verabschiedet seinen Sozialdezerneten Markus Schnapka.

Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler verabschiedet seinen Sozialdezerneten Markus Schnapka.

Foto: Axel Vogel

Dadurch erhofft er sich auch mehr Zeit für Privates, wie am Achterdeck auf seinem Boot „Elisabeth“ bei einem Glas Rotwein die Sonne im Rhein untergehen zu sehen. „Da kann man sogar Bornheim vergessen“, sagt er. Über seine Zeit bei der Stadt, den „Bornheimschen Weg“, das Badverbot für Flüchtlinge und Anforderungen an den Amtsnachfolger sprach Antje Jagodzinski mit ihm.

Was nehmen Sie mit aus fast acht Jahren als Sozialdezernent?
Markus Schnapka: Für mich waren das ganz tolle Jahre, von denen ich viel mitnehme, und die Stadt hoffentlich auch. Ich habe hier einiges dazugelernt, vor allem was die Unmittelbarkeit von Entscheidungen in Kommunen betrifft. Man steht mit den Hauptpersonen, den Bürgerinnen und Bürgern, direkt in Verbindung. Alles, was man tut und entscheidet, ist direkt, man bekommt eine unmittelbare Rückmeldung. Das ist wie ein permanenter frischer Wind im Gesicht. Wenn wir aus diesem unmittelbaren Kontakt schöpfen und Initiativen aus der Bürgerschaft aufgreifen, machen wir unsere Jobs gut.

Beim Thema Flüchtlinge sind Sie das prägende Gesicht in Bornheim. Fällt es Ihnen schwer, jetzt Ihren Schreibtisch zu verlassen, wo noch so viel zu tun ist?
Schnapka: Ja, in erster Linie fällt mir das eigentlich am schwersten. Das ist bei der Fahrt, die der Zug „Stadt Bornheim“ drauf hat, eine der Strecken, die derzeit am meisten Einsatz, Engagement und Arbeitskraft brauchen. Da drängt sich doch das Gefühl auf, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. Aber wenn ich mich darüber mit meinen Kollegen austausche, kommt sofort die Rückmeldung: Gibt es denn den richtigen Zeitpunkt überhaupt? Wir arbeiten in der Stadt im Team, und deshalb weiß ich ganz genau, dass alle gemeinsam auch künftig dafür sorgen werden, dass der Zug „Stadt Bornheim“ Tempo und Energie hält und es keinen Einbruch gibt.

Das Badverbot für männliche Flüchtlinge aus drei Bornheimer Unterkünften hat zum Ende Ihrer Amtszeit sehr viel Aufsehen erregt. Hätten Sie damit gerechnet, dass eine Entscheidung des Bornheimer Sozialdezernenten mal Schlagzeilen bis Washington macht?
Schnapka: (lacht) Nee, damit habe ich nicht gerechnet. Es war ja auch eine Entscheidung für die Flüchtlinge und für Bornheim und keine für die Weltöffentlichkeit, es war selbstverständlich keine Propaganda-Aktion. Mir haben einige Journalisten gesagt, dass die Medienwelt nach den Ereignissen in der Silvesternacht genau darauf gewartet hat: Eine Stadt, die eine ausgeprägte Willkommenskultur hat, handelt auch restriktiv, wenn es erforderlich ist.

Es gab viel Kritik für diese Entscheidung. Hat Sie das getroffen?
Schnapka: Ja, als der Flüchtlingsrat NRW und die Vereinigung „Bonn stellt sich quer“ zum Beispiel sagten, meine Entscheidung sei rassistisch. Ich habe dann zu einem Gespräch und damit zum Dialog eingeladen. Der Austausch war sehr intensiv, und es war, wie ich es häufig auch bei Interviews erlebte: In dem Moment, wo ich die Möglichkeit bekam zu erklären, warum und wie es geschah, gab es eine positive Reaktion. Aber das Wort „rassistisch“ hat mich schon getroffen.

Besteht die Gefahr, dass durch das omnipräsente Flüchtlingsthema andere wichtige Themen im Dezernat ins Hintertreffen geraten?
Schnapka: Insgesamt nein. Die mediale Aufmerksamkeit ist auf die Flüchtlinge gerichtet, aber unsere Arbeit selber ist da nicht beeinträchtigt. Sie verändert sich ein Stück. Im Jugendamt haben wir jetzt auch ganz viel mit der Betreuung und der Bildung junger Flüchtlinge zu tun. Im Kindergartenbereich und in den Schulen sind wir dabei, Plätze für sie zu schaffen. In allen Facetten unserer städtischen Dienstleistungen sind wir auch mit Flüchtlingen befasst, denn sie gehören zur Bornheimer Einwohnerschaft. Aber die anderen Aufgaben geraten nicht ins Hintertreffen, wenn es auch hier und da Verzögerungen bei der Bearbeitungszeit gibt. Das Flüchtlingsthema ist sehr dominant, unsere anderen Aufgaben erhalten daher nicht die gleiche öffentliche und mediale Aufmerksamkeit wie sonst. Eine Ausnahme ist das Sozialamt: Obwohl wir schnell zusätzliches Personal eingestellt haben und weiter einstellen, kamen wir nicht mit der hohen Zahl an Anträgen hinterher. Da sind auch Vorgänge bei Sozialhilfeleistungen erst mal liegen geblieben. Diese Rückstände sind aber jetzt nahezu aufgearbeitet, sodass wir uns dem gewohnten verlässlichen Arbeitstempo wieder nähern.

Mit Blick auf all diese Herausforderungen: Welche Eigenschaften müsste Ihr Nachfolger mitbringen?
Schnapka: Ich lasse jetzt alles Formale beiseite und nenne fünf Punkte, die aus meiner Sicht wichtig sein können. Erstens: Es wäre gut, wenn eine Frau die Dezernatsleitung übernehmen würde. Denn unser Verwaltungsvorstand ist bis auf Frau Pilger, die Rechtsamtsleiterin, männlich. Zweitens: Unsere Stadt hat eine Eigenschaft, die würde ich gerne mit „bornheimsch“ beschreiben, zu der alle Verantwortungsträger/-innen unserer Stadt passen müssen.

Und das bedeutet?
Schnapka: Es ist ein Effekt, der mit Zuversicht zu tun hat. Auf eine knappe Formel gebracht der Grundsatz: „Und es klappt doch.“ Schwieriges oder Neues geht zwar nicht so schnell, aber wenn eine bestimmte Klippe genommen ist, gibt es plötzlich einen absoluten Run. Bornheim ist nicht leicht zu überzeugen, aber wenn es überzeugt ist, dann will es auch haben, dann wollen alle es haben. Ein Sozialdezernat und besonders seine Leitung sollte diese Energie ein Stück mitfühlen und nutzen. Damit zu rechnen, nicht die Hoffnung aufzugeben und den „Bornheimschen Weg“ zu finden, das wäre gut.

Und die weiteren Punkte?
Schnapka: Manche von außen meinen, Bornheim brächte kein richtiges Stadtbewusstsein zustande, weil es zu sehr in den Einzelinteressen seiner 14 Dörfer verhaftet sei. Doch es ist die Lebenskraft und das Besondere jedes dieser 14 Dörfer, die zusammen die Energie und auch eine gemeinsame Identität dieser Stadt ausmachen. Natürlich gibt es kleine Konkurrenzen, Eifersüchteleien, aber wenn's drauf ankommt, ist Bornheim die Stadt als Ganzes. Viertens gilt es, das reiche ehrenamtliche Potenzial zu respektieren, zu pflegen und – zu nutzen. Und schließlich: Die Kirchen und Kirchengemeinden sind die organisatorische Klammer für das soziale und mitmenschliche Gemeinwesen. Das ist eine Erkenntnis, die mich, obwohl ich kein Christ bin, beeindruckt und auch geleitet hat. Mit diesen Kräften sollte die oder der künftige Beigeordnete arbeiten und die Vielfalt im Dezernat im Blick haben: Kinder, Jugend, Kindergärten, Schulen, Vielfalt der Kulturen, Flüchtlinge, Soziales, Senioren, Stadtbücherei, Volkshochschule, Inklusion – das ganze Spektrum. Wer Neugierde hat und Freude an Veränderung, für die oder den ist das hier ein Traumjob.

Werden Sie diese Vielfalt auch in Ihrer künftigen Tätigkeit haben?
Schnapka: Ich werde in der Jugend- und Bildungsarbeit bleiben, und ich werde auch Aufträge im Bereich Flüchtlingsarbeit wahrnehmen. Ich werde Kommunen beraten und mit Stiftungen zusammenarbeiten, und ich werde in Teams arbeiten. Das finde ich schön, weil man den kollegialen Austausch hat. Ich glaube, der wird mir am meisten fehlen, in dieser Intensität, wie ich ihn hier in Bornheim und im Rathaus hatte.

Könnte es denn sein, dass Sie dann auch Bornheim beraten?
Schnapka: Nein, das werde ich nicht tun, denn dann hätte ich ja weiter Beigeordneter bleiben können. Aber ich will nicht ausschließen, dass ich ehrenamtlich mal was in Bornheim mache.

Und worauf freuen Sie sich jetzt am meisten?
Schnapka: Nicht alles genau ge- und verplant zu haben, nicht jeden Tag in in Zeiteinheiten zu zerstückeln. Meine Frau fragen zu können, wär's nicht schön, an diesem Wochenende wegzufahren – und das dann auch zu machen.

Offizielle Verabschiedung

in „festliches, fröhliches Tschüss“ soll es laut Bürgermeister Wolfgang Henseler werden, wenn rund 200 Gäste Markus Schnapka am kommenden Montag im Rathaus verabschieden. „Wenn auch mit einer Träne im Auge“, wie Henseler betont. „Es war eine große Bereicherung, dass wir beide die Gelegenheit hatten, zusammenzuarbeiten“, dankte er dem Beigeordneten in einem Pressegespräch.

Schnapka habe eine Menge bewirkt, sagte der Bürgermeister und nannte beispielhaft die aktivere Beteiligung von Bürgergruppen mittels des Integrationsrates, des Kinder- und Jugendparlaments sowie des Seniorenbeirats. „Inklusion war und ist ihm ein Herzensanliegen“, so Henseler weiter, und auch für die Sicherung der Schulstandorte in Merten und Uedorf habe Schnapka viel bewegt. Der Sozialdezernent selbst erinnert sich auch gern an eines seiner ersten Projekte: den Jugendbus, der trotz knapper Kassen schnell verwirklicht worden sei.

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