Flüchtlinge in Bornheim Ehrenamtliche verfasst persönliche Stellungnahme

Bornheim · Die Merterin Isabelle Lütz, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe in Bornheim engagiert, hat ein "Persönliches Memorandum" verfasst. Darin schreibt sie von der Arbeit der Ehrenamtlichen und von sehr höflichen Zufluchtsuchenden, die bemüht seien, sich zu integrieren.

Auf beiden Seiten das Bewusstsein stärken, dass es nur miteinander und nicht gegeneinander laufen kann; das ist auch etwas, das der Mertenerin Isabelle Lütz am Herzen liegt, die sehr engagiert in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe ist.

Die 59-Jährige hat angesichts der aktuellen Situation ein "Persönliches Memorandum" verfasst, um kundzutun, "was einer Ehrenamtlerin dazu auf der Seele brennt". Darin erklärt sie, dass die meisten Flüchtlinge, mit denen sie zu tun habe, sehr höflich und bemüht seien, sich zu integrieren.

Ihr Eindruck sei, dass Flüchtlinge durch den Kontakt mit den Helfern eher davon abgehalten werden könnten, sich abzuschotten und strafffällig zu werden. Sie äußert aber auch, dass die Ehrenamtlichen noch mehr Unterstützung von der Stadt bräuchten und die personellen Ressourcen der Verwaltung ihrer Ansicht nach dafür nicht ausreichten. In puncto Badverbot halte sie es für verständlich, dass erst mal "die Reißleine gezogen" wurde. "Sinnvoll wäre es aber, das generelle Verbot aufzuheben", so Lütz.

Das persönliche Memorandum im Wortlaut:

"Die Ereignisse, die sich in der Silvesternacht in Köln zugetragen haben, sind erschütternd. Die Polizei hätte früher und tatkräftiger eingreifen müssen, aber vor allem schockiert natürlich das Verhalten der angetrunkenen Flüchtlinge gegenüber Passanten und dabei besonders gegenüber Frauen. Auch in Bornheim ist es zu Fällen von sexueller Belästigung durch Flüchtlinge gekommen. Jeder einzelne Fall ist für die Opfer schrecklich, vielleicht sogar traumatisierend. Bagatellisierung ist hier völlig fehl am Platz.

Seit mehreren Jahren arbeite ich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, seit etwa eineinhalb Jahren mit zunehmender Intensität. Die Flüchtlinge, mit denen ich hier in Bornheim zu tun habe, sind überwiegend sehr höflich und hilfsbereit, in den meisten Fällen auch sehr bemüht, sich bei uns zu integrieren. Mein Eindruck ist, dass die Asylbewerber durch den Kontakt mit uns helfenden Deutschen eher davon abgehalten werden, sich in einer Art Ghetto abzuschotten, Regeln zu durchbrechen, straffällig zu werden. Ich glaube, dass sie durch unsere Hilfe wieder den Blick nach vorne richten können, dass sie so zuversichtlicher in die Zukunft blicken können und auf diese Weise der Verlust ihrer heimatlichen Wurzeln ein wenig ausgeglichen wird.

Die Übergriffe zahlreicher Flüchtlinge in Köln und Einzelner in Bornheim müssen für uns ein Anlass sein, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen zu überlegen, wie wir das Risiko eines solchen Verhaltens minimieren können. Dabei sind zwar auch die offiziellen Stellen angefragt, die möglicherweise mehr Mittel für die Sozialarbeit bereitstellen müssen. Wir können aber in der ehrenamtlichen Hilfe sicherlich einen Beitrag dazu leisten. Wir haben bisher vor allem bei den Familien mit Kindern helfen können. Es gibt auch einzelne sehr erfolgreiche Beispiele, in denen jungen alleinreisenden Asylbewerbern und Asylbewerberinnen geholfen werden konnte, im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Schullaufbahn zu starten oder sogar schon Arbeit zu finden. Vor allem gibt es zahlreiche Beispiele, in denen die Asylsuchenden als neue Nachbarn angenommen und integriert wurden, ja dass Freundschaften entstanden.

Doch die große Zahl der Menschen, die zu uns kommen und die beschränkten Möglichkeiten von uns Ehrenamtlichen führen dazu, dass trotz aller Anstrengungen bisher nicht jeder Flüchtling den gleichen Zugang zu uns Einheimischen hat. Der freundschaftliche Kontakt zwischen Flüchtlingen und Bewohnern von Bornheim kann nicht durch die Tätigkeit von Sozialarbeitern ersetzt werden, die in einer ganz anderen Rolle agieren.

Aus meiner Sicht sollte

  • jeder Flüchtling zumindest gelegentlich über den Kontakt mit offiziellen Stellen hinaus Gelegenheit zu verständnisvoller, wohlwollender Unterstützung, ja Freundschaft durch Deutsche haben.
  • jeder Flüchtling über den Kontakt mit offiziellen Stellen hinaus Handynummern von Deutschen haben, die er bei Fragen oder auch im Notfall anrufen kann.
  • jeder Flüchtling durch Kontakte mit wohlwollenden Ehrenamtlichen die Möglichkeit haben, nicht nur unsere Regeln kennenzulernen und anzunehmen, sondern auch die dahinter stehenden Werte vorbildhaft zu erleben – soweit das in unseren Möglichkeiten steht.
  • der Kontakt zwischen Helfern/Helferinnen und Flüchtlingen möglichst so gut sein, dass in Konfliktfällen vermittelt und geschlichtet werden kann.

Gleichzeitig dürfen wir mit der Hilfe nicht warten, bis perfekte Bedingungen dafür gegeben sind. Ideen und Ideale sind gut, aber nur die konkrete und tatsächlich geleistete Hilfe ist am Schluss das, was zählt. Die bedrückenden Vorfälle sollten uns dazu ermuntern, die Lücken möglichst zu schließen, die wir bisher beklagen müssen.

  • Gerade jetzt ist es nötig, die vorhandene große Bereitschaft in der Bevölkerung, Menschen in Not zu helfen, noch besser zu nutzen. Dazu sollte es öfter Informationsabende geben, nicht nur solche, die der Ankündigung neuer Standorte dienen.
  • Helfen kann auch, wer nur ab und zu am Wochenende oder nach Feierabend Zeit hat. Diese Möglichkeit des niedrigschwelligen Einsatzes muss noch besser bekannt gemacht werden.
  • Die Stadt Bornheim bemüht sich schon sehr um diese neue Herausforderung. Wir Ehrenamtlichen brauchen aber noch mehr Hilfe als bisher von Seiten der Stadt, wir brauchen mehr Ansprechpartner für Auskünfte und für praktische Unterstützung in Fällen, wo ehrenamtliche Hilfe an ihre Grenzen stößt. Dafür reichen die bisherigen personellen Ressourcen nicht aus. Das könnte eine weitere Sozialarbeiterstelle im Sozialamt sein und ein weiterer Hausmeister, sodass dingende Hilfe schneller erfolgt, auch im Notdienst nach Feierabend.

Trotzdem ist ehrenamtliche Hilfe unersetzbar. Durch ehrenamtliche Hilfe können frauenfeindliche Einstellungen und frauenfeindliches Verhalten viel früher und auch viel besser erkannt und angesprochen werden als durch alleinigen Kontakt mit offiziellen Stellen, und seien es auch Sozialarbeiter oder Sozialarbeiterinnen.

Nach meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Flüchtlinge unsere Hilfe mit großer, fast beschämender Dankbarkeit beantworten und dass man als ehrenamtlicher Helfer oder ehrenamtliche Helferin fast immer froher wieder nach Hause geht als man losgezogen ist. Daher handelt es sich bei unserer Hilfe nicht um Schwerarbeit, sondern um einen Einsatz, der das Leben bereichert."

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