Gespräch am Wochenende: Gabriele Zienterra über gute Kommunikation "Dem anderen Raum lassen"

Gib dem Blabla keine Chance!", fordert die Bornheimer Autorin Gabriele Zienterra in ihrem gerade erschienenen Buch "Stop Cheap Speak". Was die Geschäftsführerin des Instituts für Rethorik und Kommunikation in Bornheim unter "billigem Gerede" versteht, wie Smartphones die Kommunikation beeinflussen und was gute Gespräche ausmacht, darüber sprach mit der 47-Jährigen Antje Hesse.

 "Wir haben uns ein Kommunikationsmuster antrainiert, das sehr abgehackt ist", sagt Gabriele Zienterra.

"Wir haben uns ein Kommunikationsmuster antrainiert, das sehr abgehackt ist", sagt Gabriele Zienterra.

Foto: roland Kohls

Schönes Wetter heute, oder?

Gabriele Zienterra: Traumhaftes Wetter, ja, es blüht alles und endlich wird es Frühling.

Ist das schon "Cheap Speak"?

Zienterra: Nein, würde ich nicht sagen, ich finde, das ist ein freundlicher Einstieg in ein Gespräch.

Was ist denn "billiges Gequatsche"?

Zienterra: Durch unsere Kommunikation mit mobilen Geräten sind wir hervorragend trainiert, schnell Botschaften abzuschicken, wir haben uns ein Kommunikationsmuster antrainiert, was sehr abgehackt ist.

Und das hat sich aufs Gespräch verlagert?

Zienterra: Ja, teilweise führen wir Gespräche nicht mehr so lange, gehen sehr schnell aus Gesprächen raus, lassen uns ablenken, machen den Handycheck. Manche Menschen werden richtig hektisch, wenn sie kein Mobilnetz haben. Das schadet dem echten, persönlichen Gespräch.

Wie wird denn ein Gespräch persönlich?

Zienterra: Indem man nachfragt, so wie Sie es jetzt auch tun, indem man bei einem Thema bleibt. Ich merke, dass viele Menschen Themenhüpfen machen, immer zack, zack, zack, man erzählt grad über eine Sache und schon kommt etwas Neues. Es ist wichtig, dass man offen ist und auch interessiert. Zum Beispiel, wenn ich erzähle, ich war in Griechenland im Urlaub und dann sagt der andere "Ach kenne ich, da war ich auch mal" und plötzlich erzählt er, obwohl ich doch gerade erzählen möchte.

Wo ist denn der Unterschied zwischen Cheap Speak und Small Talk?

Zienterra: Also Small Talk ist ja, wenn ich in ein Gespräch hineingehe, überhaupt erst mal einen Kontakt herzustellen, ankommen, durchatmen, auf gleicher Ebene in Kontakt sein. Und Cheap Speak wäre, wenn mich das überhaupt nicht interessiert. Ich nenne im Buch ein Beispiel, wo ich jemanden begrüße und er sagt noch nicht mal Guten Tag, sondern "Haben Sie WLAN?"

Ist das ständige Online sein, das Nutzen von Smartphones, Facebook, Twitter ein Kernpunkt für Sie, warum sich Kommunikation verändert?

Zienterra: Ja, weil ich sehe, dass dieses Kommunikationsmuster abfärbt. Und dieses getrieben sein spielt eine Rolle.

Hat das also auch etwas mit dem Faktor Zeit zu tun?

Zienterra: Ja, die Frage ist, wie viel Zeit wir uns nehmen. Stress entsteht ja bei uns selbst, weil wir meinen, wir müssen so und so viel schaffen. Und wenn ich viel Druck in mir habe, dann kommuniziere ich auch anders, ungeduldiger. Das ist auch Cheap Speak: Der andere spürt, ich bin eigentlich gar nicht wirklich bei ihm.

Hat es einen bestimmten Auslöser für Sie gegeben, warum Sie sich dieses Themas angenommen haben?

Zienterra: Mir ist aufgefallen, dass es mir nach manchen Gesprächen, ob mit Freunden oder Geschäftsleuten, richtig gut geht, nach anderen bin ich enttäuscht. Also habe ich reflektiert, was war denn anders. Der Unterschied war, dass in Gesprächen, nach denen es mir gut ging, in denen wurde ich gefragt, da konnte ich über ein Thema erzählen. Meine Gedankengänge wurden in der Tiefe mitgegangen, und das fand ich sehr wertvoll, das hat mir Spaß gemacht. Und dann gibt's andere Gespräche, da wird immer nur angeschnitten an der Oberfläche, und es wird nirgendwo mal reingetaucht - man nennt das die "flying fish"-Methode.

Was meint das, der "fliegende Fisch"?

Zienterra: Das bedeutet reinzutauchen und wirklich mal beim anderen zu bleiben: Also wie ein Fisch aus dem Wasser rauszuspringen und dann aber auch in ein nächstes aufkommendes Thema einzutauchen. Also nachfragen und dabei bleiben.

Beispiel Job: Sie greifen im Buch auch die Situation auf, dass Kollegen große Reden schwingen, aber nichts Wesentliches sagen...

Zienterra: Da reden wir über Menschen, die sich stark in den Vordergrund drängen. Die kommentieren etwas, sagen aber eigentlich genau das Gleiche, was vorher schon kommuniziert worden ist, um sich wichtig zu machen. Das finde ich, ist Cheap Speak. Wenn man da nachfragt, kommt eigentlich nicht mehr viel. Die Frage ist, ob einen so etwas weiterbringt. Meetings sind ja meistens eh schon lang genug.

Wie kann man Meetings denn besser machen?

Zienterra: Wichtig ist, dass ich mich öffne, meine eigenen Vorannahmen außen vor lasse und mich ohne festen Ablauf auf den anderen einlasse.

Und wie unterbricht man jemanden, der gerne lang und breit erzählt?

Zienterra: Die meisten Menschen sind ja gut erzogen. Da gehört es erst mal dazu, nicht zu unterbrechen. Das kann ich aber nonverbal machen über Bewegung, dass ich unruhig werde, den Blickkontakt abreißen lasse.

Wobei das ja dem widerspricht, dass Sie sagen, man sollte sich Zeit nehmen, nachfragen ...

Zienterra: Ja, nur so einen Vielsprecher, den bekomme ich sonst nicht in den Griff oder ich müsste ihn über eine Frage zum Nachdenken bringen, um diesen Cheap Speaker in eine andere Richtung zu lenken.

Betrifft Cheap Speak denn auch den privaten Bereich?

Zienterra: Ja, zum Beispiel: Einer will erzählen, da fängt der andere schon an - wo ist da der echte Austausch? Lässt man den anderen, die Kinder auch zu Wort kommen? Das ist wichtig, damit wir uns verstanden fühlen.

Wertvolle Kommunikation macht für Sie also vor allem das Nachfragen aus?

Zienterra: Ja, aber auch wahrzunehmen, will der andere jetzt reden oder nicht. Dem anderen Menschen auch Raum lassen. Und ich glaube durch die Schnelligkeit in der Kommunikation lässt das nach, dass wir so etwas wahrnehmen.

Sind Sie selber denn bei Facebook?

Zienterra: Ja, bin ich, ich nutze das geschäftlich und beobachte gerne, was passiert. Aber ich poste nichts Persönliches.

Aber so mal belangloses Quatschen ist doch auch ganz nett ...

Zienterra: Ja das soll ja auch bleiben, es muss ja nicht alles in die Tiefe gehen. Aber es geht darum, zu merken, wenn der andere auch erzählen will, dass ich dann bereit bin.

Warum ist Ihnen das Thema wichtig?

Zienterra: Weil ich die Gefahr sehe, wenn unsere Gespräche nicht hochwertig bleiben, werden wir nicht auf neue Ideen kommen und auch für die Zufriedenheit der Menschen ist es wichtig, wertvoll zu kommunizieren.

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