Teilnehmer gesucht Bornheimer Fotoprojekt will Autismus sichtbar machen

Bornheim · Die selbst von der Störung betroffene Bornheimerin Angelika von Linden startet ein Fotoprojekt und sucht noch Teilnehmer. Mit ihnen möchte die 48-Jährige gemeinsam Ideen entwickeln und vielleicht auch die jeweiligen Familien einbeziehen.

Als Angelika von Linden die Diagnose Autismus in den Händen hielt, war sie 34 Jahre alt. Lange Zeit hatte sie sich ihr Anderssein nicht erklären können. „Tu einfach, was die anderen auch tun“, hatte die Mutter ihrer Tochter geraten, die auf dem Schulhof oft überfordert in der Ecke stand und der es schwer fiel, wie andere Kinder herumzutollen und zu spielen. Angelika von Linden setzte den Tipp der Mutter um, hörte zu, worüber ihre Klassenkameraden und später die Kollegen sprachen, versuchte sie nachzuahmen. Doch irgendwann kam der Punkt – von Linden hatte eine Buchhändlerausbildung absolviert und eine Familie gegründet –, an dem sie dies nicht mehr schaffte.

„Weil man versucht, so zu sein wie die anderen, geht man ständig über seine Kräfte“, erklärt die 48-jährige Mutter von zwei Kindern. Es folgte ein so genannter autistischer Burnout. Trotz der Diagnose empfand sie damals eine Art Erleichterung: „Die Diagnose hat den Druck rausgenommen. Es gab endlich eine Erklärung für meine Art zu sein.“

"Rollstuhl im Kopf"

In ihren Beruf konnte die mittlerweile berentete Bornheimerin nicht zurückkehren. Stattdessen widmet sie sich ihrer Leidenschaft, der Fotografie. Mit ihrem neuesten Projekt „Der Rollstuhl im Kopf – Autismus sichtbar machen“ möchte sie beide Themen miteinander verbinden. Das Bild vom Rollstuhl im Kopf verwenden Autisten oft, um ihre Einschränkung zu verdeutlichen. Denn während jedem klar ist, dass ein Rollstuhlfahrer keine Treppe überwinden kann, ist Autismus von außen nicht sichtbar.

Es gibt kein klares Erscheinungsbild, keine immer gleichen, eindeutigen Erkennungsmerkmale für Außenstehende. „Das ist einerseits natürlich ein Vorteil“, sagt von Linden. „Anderseits macht es das Leben als Autist aber auch schwer, denn es ist eben nicht erkennbar, wann und wo wir Hilfe benötigen.“

Während des Projekts möchte sie autistische Menschen eine Zeit lang mit ihrer Kamera begleiten und mit ihnen gemeinsam Bilder erschaffen, die ihren Autismus sichtbarer machen. „Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben, sich und ihren Blick auf die Welt auszudrücken, ihre oft sehr spezielle und besondere Wahrnehmung für andere erlebbar machen.“

Auseinandersetzung mit Klischees und Vorurteilen

Wichtig ist der Fotografin, dass die Projektteilnehmer sich nicht als Statisten fühlen, die etwas aufführen. Vielmehr gehe es darum, gemeinsam Ideen zu entwickeln, den Blick des Betroffenen einzunehmen und vielleicht auch sein Umfeld und seine Familie einzubeziehen. Als Beispiel nennt von Linden ihren ebenfalls autistischen Neffen. Dieser betrachtet die Welt am liebsten durch seine gespreizten Finger oder einen groben Kamm. „Vielleicht, um die vielen Eindrücke, die auf ihn einströmen, zu begrenzen“, vermutet von Linden.

Kritisch möchte sie sich auch mit vielen Klischees, Vorurteilen und Klassifizierungen der verschiedenen Autismus-Formen auseinandersetzen. „Oft wird von leichten Formen des Autismus gesprochen“, erläutert von Linden. „Doch wer maßt sich dieses „Ranking“ an, wer kann beurteilen, wie belastend eine Einschränkung für den Betroffenen und dessen Umfeld ist?“, fragt sie. Für das Fotoprojekt arbeitet die 48-Jährige eng mit dem Verein „Leben mit Autismus Bonn/Rhein-Sieg/Eifel“ und der Mebus-Körmann-Stiftung in Leichlingen zusammen, die sich für die Integration von Menschen mit Behinderung einsetzt.

Einige Projektteilnehmer hat von Linden bereits gefunden. Insgesamt möchte sie etwa zehn autistische Menschen begleiten. Wer mitmachen möchte, kann sich mit der Künstlerin in Verbindung setzen. Eine erste Werkschau soll es am Samstag, 25. Mai, geben. Dann feiert der Verein „Leben mit Autismus“ von 10 bis 17 Uhr in der Stadthalle Rheinbach sein zehnjähriges Bestehen. Doch beendet sein soll das Projekt mit dieser Zwischenausstellung noch nicht. „Da es eine Arbeit mit sehr besonderen Menschen ist, möchte ich weder die Teilnehmer noch mich unter Zeitdruck setzten“, so von Linden.

Um ihr Projekt verwirklichen zu können, hat von Linden eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Mit Hilfe von Spenden will die Künstlerin eine neue Kamera für dieses, aber auch für zukünftige Fotoprojekte finanzieren. „Meine alte Nikon D3000 und ich haben uns ein wenig auseinanderentwickelt. Ich kann technisch weit mehr, als sie mir bieten kann“, erklärt von Linden. Um Menschen unaufdringlich ohne Blitz oder zusätzliche Scheinwerfer in ihrem Alltag begleiten zu können, wünscht sie sich eine schnelle, lichtstarke Vollformatkamera. „Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn viele Menschen helfen würden, dieses Projekt Wirklichkeit werden zu lassen.“

Weitere Informationen sind bei "gofundme", "unverstellt fotografie" und beim Verein "Leben mit Autismus" zu finden.

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