Auswirkungen der Coronakrise Angestellte übernehmen in Herseler Behindertenwerkstatt die Produktion

Bornheim-Hersel · Die Bonner Werkstätten betreuen Behinderte vorübergehend in Wohnheimen. Die Näherei der Werkstätten produziert indes Hunderte von Behelfsmasken. Eine ungewohnte Situation.

 In den Bonner Werkstätten – wie hier in Hersel – ruht die gewöhnliche Produktion momentan.

In den Bonner Werkstätten – wie hier in Hersel – ruht die gewöhnliche Produktion momentan.

Foto: Wolfgang Henry

Immer fünf Deckel abzählen, einschweißen und Aufkleber befestigen: für Tanja Laidig eine ungewohnte Tätigkeit. Normalerweise zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bonner Werkstätten, hat die Angestellte des Reha-Betriebes mit den vier Standorten in Hersel, Bonn-Beuel, Dransdorf und Meckenheim in den vergangenen zwei Wochen in der Produktion kräftig mitgeholfen. Durch die Coronakrise dürfen die 1100 Mitarbeiter ihre Arbeitsstätten seit Mitte März nämlich nicht mehr betreten – die Produktion in den verschiedenen Bereichen wie Verpackung, Büro- und Versanddienste oder Metallverarbeitung haben die rund 450 Angestellten aus anderen Bereichen sowie der Verwaltung übernommen.

„Wir müssen unsere Aufträge erfüllen. Denn wir brauchen auch Anschlussaufträge, damit wir unsere Mitarbeiter mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereiten können“, machte Laidig deutlich. Die fertiggestellten Produkte werden regulär an die Unternehmen ausgeliefert, falls Nachschub fehlt, wird dieser von den Firmen angeliefert. Bei einem Auftrag konnten die Bonner Werkstätten sogar kurzfristig einspringen, „da dieses Unternehmen in der Regel in Italien produzieren lässt. Und dort läuft momentan nichts“, so Laidig.

Die Beschäftigten leben zurzeit je zur Hälfte in Wohnheimen der Lebenshilfe oder deren Kooperationspartnern sowie im betreuten Wohnen oder bei ihren Angehörigen. Nicht ganz einfach ist es gerade für die Betreuer in den Wohnheimen, den Bedürfnissen der Frauen und Männer, die sonst tagsüber in den Werkstätten arbeiten, immer gerecht zu werden. Die Schaffung neuer Tagesstruktururen und Beschäftigungsmöglichkeiten bilden sowohl für die Bewohner als auch ihre Betreuer eine permanente Herausforderung. Und so haben sich 50 Angestellte der Werkstätten, die sich bisher schon hauptsächlich um schwerbehinderte Mitarbeiter gekümmert haben, für die Betreuung in den Wohnheimen gemeldet.

„Damit zeigen wir Solidarität mit den Betreuern und können für Entlastung sorgen. Außerdem ist es für die meisten Mitarbeiter, die ihre Kollegen am Arbeitsplatz vermissen, in dieser schwierigen Zeit auch wichtig, ein vertrautes Gesicht zu sehen“, betonte Laidig. Eine weitere Unterstützung erhalten die Wohnheime durch die Näherei der Werkstätten, die in der vergangenen Woche rund 300 Behelfs-Mund-Nasen-Masken für die Betreuer genäht haben. „Auch wenn diese nur einen bedingten Schutz bieten, helfen sie dabei, die Ansteckungsgefahr für die Bewohner zu reduzieren“, sagte Andreas Heß, Geschäftsführer der Lebenshilfe.

Werkstätten verzeichnen hohe Nachfrage nach Gesichtsmasken

Die Nachfrage nach den Masken ist in der Region groß. So haben schon viele Institutionen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis angefragt, Gewerbetreibende werden mit einem Auftragsvolumen von 100 Bestellungen beliefert. „Die Situation ist für Angestellte, Beschäftigte und Betreuende in den Wohnheimen belastend“, sagte Heß. Alle hoffen auf eine Wiedereröffnung der Bonner Werkstätten für Montag, 20. April. „Ob sich dieser Termin noch verändert, wissen wir nicht“, berichtete  Laidig.

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