Interview mit Bürgermeister Wolfgang Henseler "Bei uns findet Aufbruch statt"

Bornheim · Für Hunderte von Flüchtlingen musste Bornheim im vergangenen Jahr eine Bleibe finden. Daneben spielten aber auch das neu gestaltete Zentrum sowie der Streit um die Wasserversorgung eine wichtige Rolle. Über Themen, die 2015 das politische Geschehen in der Stadt prägten, und über die Erwartungen für 2016 sprach Antje Jagodzinski mit Bürgermeister Wolfgang Henseler.

 Wolfgang Henseler will die Bürger beim Stadtmarketing mit einbeziehen.

Wolfgang Henseler will die Bürger beim Stadtmarketing mit einbeziehen.

Foto: Axel Vogel

Im vergangenen Jahr haben Sie beim Bleigießen mit dem GA ein Schiff kreiert und das so gedeutet, dass es 2015 für Bornheim "auf große Reise" geht. Wohin hat diese Reise die Stadt geführt?

Wolfgang Henseler: Vielmehr sind mit Blick auf die Flüchtlinge viele Gäste zu uns gekommen. Aber auch in Bornheim sind wir an verschiedenen Stellen auf Reise gegangen. Wenn man durch die Stadt fährt und die vielen Baukräne sieht, merkt man, dass sich etwas tut. Bei der Wohnungsentwicklung sind wir ein gutes Stück vorangegangen, wenn ich sehe, wie sich die Neubaugebiete in Bornheim und Kardorf entwickeln. Wenn ich unsere Schulprojekte nehme, da haben wir auch ganz entscheidende Schritte vorangetan, was die Europaschule und die Heinrich-Böll-Sekundarschule betrifft, aber auch in Waldorf, wo wir endlich die neuen Toiletten in Betrieb genommen haben. Auch in punkto Wirtschaftsförderung tut sich einiges. Bei uns findet schon Aufbruch statt. Im übertragenen Sinne haben wir uns also auf die Reise gemacht.

Und welche neuen Ufer wollen Sie 2016 ansteuern?

Henseler: Das Flüchtlingsthema wird uns im kommenden Jahr sicherlich weiter intensiv beschäftigen. Ich hoffe nur sehr, dass es mit Blick auf die Unterbringung so langsam einen Übergang von den Provisorien zu etwas längerfristigen Bauten kommt, wo die Flüchtlinge ein Stück normaler leben können. Das ist ja auch für die Integration ganz wichtig.

Integration ist ein gutes Stichwort: Beim Bleigießen haben Sie auch gesagt: "Wir sitzen im Grunde alle in einem Boot." Wie viel Platz ist noch im Boot und wie schafft man es, dass wirklich alle gemeinsam rudern und das Boot nicht kentert?

Henseler: Ich glaube, das schafft man einmal, indem die Verantwortlichen - da meine ich Verwaltung und Rat - möglichst in die gleiche Richtung und im Gleichklang rudern. Dass wir das können, haben wir in der letzten Ratssitzung mit der einstimmigen Entscheidung über die Initiative zur Flüchtlingsunterbringung nach vorherigem kräftigen Ringen auch gezeigt. Ganz wichtig ist aber auch, dass wir die Menschen in unserer Stadt mitnehmen. Die ehrenamtlichen Helfer sind da ein ganz wesentliches Element, auch für das Zusammenrücken. Wobei in unserem Boot ja viel Platz ist. Gerade Bornheim mit seinen 83 Quadratkilometern Fläche hat ja ein großes Boot. Also ich glaube, dass wir das gestemmt bekommen.

Beim Thema Flüchtlinge arbeiten Sie eng mit Sozialdezernent Markus Schnapka zusammen, der sein Amt als Beigeordneter bekanntlich Ende Februar vorzeitig abgibt. Gibt es da schon Überlegungen, wer in seine Fußstapfen tritt?

Henseler: Nein, wir machen eine Ausschreibung. Dazu werde ich dem Hauptausschuss im Januar den Text vorlegen, da müssen wir uns auch an gesetzliche Vorgaben halten. Und dann werden sicherlich viele Gespräche geführt, vielleicht wird auch der eine oder andere motiviert, sich zu bewerben, und dann schauen wir mal.

Ist denn daran gedacht, den Zuschnitt des Zuständigkeitsbereichs zu ändern?

Henseler: Nein, das Dezernat wollen wir so lassen. Ich überlege schon, in der Verwaltung an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen umzuorganisieren. Ich würde auch gerne Herrn Cugaly (Kämmerer, Anmerkung der Redaktion) eine etwas herausgehobenere Rolle übertragen, weil ich finde, dass er bei uns eine ausgezeichnete Arbeit macht.

Im Zentrum von Bornheim hat sich inzwischen einiges getan, Kö und Peter-Fryns-Platz präsentieren sich neu. Worauf wird es jetzt beim angedachten Prozess für das Stadtmarketing ankommen, auch mit Blick auf die lange umstrittene Umgestaltung der Königstraße?

Henseler: Es gibt im Grunde zwei Prozesse: Der Gewerbeverein Bornheim macht, bezogen auf die Innenstadt, seinen eigenen Marketingprozess, und wir machen mit einem externen Unternehmen den Prozess für das gesamte Stadtgebiet. Wir wollen auch die Bürger einbeziehen mit einer repräsentativen Umfrage. Wichtig ist, dass wir reflektieren, wie sich Bornheim-Süd, das Thema Spargel, die landwirtschaftlichen Betriebe in der Selbstvermarktung, Bornheim als Zentrum für den Obst- und Gemüsehandel in der Region und das Einzelhandelsangebot etwa in Roisdorf, Merten und Hersel entwickelt haben. Und das Erscheinungsbild der Stadt müssen wir so schärfen und präsentieren, dass Leute in Bornheim, aber auch aus der Region das wahrnehmen.

Besteht denn nicht die Gefahr, wenn für das Zentrum ein eigenes Konzept erstellt wird, dass man sich da in die Quere kommt?

Henseler: Ich glaube das nicht. Ich denke, bezogen auf das Zentrum muss man viele Dinge überlegen, zum Beispiel, was man beim Weihnachtsmarkt und beim Wochenmarkt noch verbessern kann oder wie ein Angebot für junge Leute aussehen sollte. Wenn die Stärken und Schwächen des Zentrums analysiert werden, gibt es Möglichkeiten, sich unterhalb des Gesamt-Stadtmarketingprozesses in Bornheim entsprechend aufzustellen.

Die Kö war ja lange Streitthema. Ein anderes Streitthema ist die Wasserversorgung. Können die Bürger damit rechnen, dass jetzt, Anfang 2016, eine Entscheidung fällt, die Bestand hat? Denn der Ratsbürgerentscheid wird ja aller Voraussicht nach keine Mehrheit finden...

Henseler: Ich fände es schade, wenn der Ratsbürgerentscheid nicht käme. Denn wenn es ein Thema gibt, das alle Bürger betrifft, ist es die Wasserversorgung. Dann würde der Rat eine Entscheidung fällen - wahrscheinlich mit knapper Mehrheit, was ich schade fände bei so einem wichtigen Thema. Und dann werde ich als Bürgermeister, wie bei jeder Entscheidung, die rechtliche Zulässigkeit prüfen.

Also werden Sie, wenn sich die Befürworter eines Versorgerwechsels durchsetzen, prüfen, ob eine Beanstandung infrage kommt?

Henseler: Ja. Ich finde es unglücklich, unterschiedliche Beiträge im Stadtgebiet zu haben.

Auch beim geplanten Reiterhof am Brombeerweg spielen wechselnde Mehrheiten und eine Beanstandung des Bürgermeisters eine Rolle. Wie bewerten Sie mit Blick auf diese Streitthemen die Zusammenarbeit mit dem Rat? Kostet Sie das manchmal ganz schön Nerven?

Henseler (lacht): Also eigentlich ist das richtig klassische Demokratie. Es gibt keine Blöcke, man findet von Thema zu Thema zueinander. Das ist aufwendig, wie Demokratie eben aufwendig ist. In einer Diktatur, wo jemand vorgibt, und alle müssen folgen, ist das anders. Aber ich möchte genau das, was bei uns stattfindet. Das ist manchmal mühselig und erfordert von allen Beteiligten viele Gespräche. Doch wenn ich das Jahr Revue passieren lasse, haben wir eine Menge gute Entscheidungen für die Stadt getroffen: für Schulen und Kitas, für die Flüchtlingsunterbringung und für den Wohnungsbau. Und dafür nehme ich das gerne in Kauf.

Und was wünschen Sie sich persönlich für 2016?

Henseler: Wenn ich auf die Stadt schaue, dann wünsche ich mir, dass wir für die Unterbringung von Flüchtlingen ein bisschen mehr Zeit haben. Das würde uns wirklich helfen, bessere, auch wirtschaftlichere Lösungen zu finden. Ansonsten wünsche ich mir, dass wir alle gesund bleiben und weiterhin so gut zusammenarbeiten.

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