Literaturnobelpreisträger Auf den Spuren von Heinrich Böll in Bornheim

Bornheim-Merten · Mit der Stadt Bornheim und dem Katholischen Bildungswerk unterwegs auf dem Heinrich-Böll-Weg: Archivar Jens Löffler und Kunsthistorikerin Christel Diesler berichten in Geschichten und Anekdoten über den Literaturnobelpreisträger.

 Heinrich Böll 1977 in seiner Wohnung in Köln. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Merten.

Heinrich Böll 1977 in seiner Wohnung in Köln. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Merten.

Foto: picture alliance / Heinz Wiesele

„Wohin ich auch gehe: Gemüsefelder, blaugrüne Lauchfelder, hellgrün der Kopfsalat, violettblauer Kohlrabischimmer, weiß-grün der Blumenkohl, im Frühjahr die blühenden Obstbäume, die einmal Kölner Ausflugsziel waren: Man fuhr in die Obstblüte.“

Mit diesen Worten beschreibt Heinrich Böll (1917-1985) in seiner Kurzgeschichte „Oblomow auf der Bettkante“ die Landschaft des Vorgebirges, wie er sie bei seinen zahlreichen Spaziergängen zwischen Rösberg und Merten in den Jahren 1982 bis 1985 erlebte.

Rund 35 Jahre später ist die anderthalbjährige Luise mit kleinen Füßen auf den Spuren des berühmten Schriftstellers unterwegs. Die Eindrücke, die das Mädchen auf dem 2017 eröffneten Heinrich-Böll-Wanderweg sammelte, fasst es kurz und knapp mit dem Wort „Ühhü“ zusammen. Was kann ein Literaturnobelpreisträger schon gegen die vielen Pferde ausrichten, die entlang der 2,9 Kilometer langen Strecke grasen?

Luisas Mutter Sonja Stollwerk wusste die zahlreichen Tiere am Wegesrand durchaus zu schätzen – noch mehr interessierten die Deutschlehrerin allerdings die vielen Geschichten und Anekdoten, die Bornheims Stadtarchivar Jens Löffler und die in Merten lebende Kunsthistorikerin Christel Diesler bei der geführten Wanderung wiedergaben.

Die Einweihung des Wanderwegs gehörte zu den Höhepunkten des Böll-Jahres, mit dem die Stadt Bornheim 2017 an den 100. Geburtstag ihres posthumen Ehrenbürgers erinnert hatte (der GA berichtete). Der Weg führt von Bölls Wohnhaus an der Martinstraße über das Rösberger Schloss bis zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Mertener Friedhof. Mit rund 35 Teilnehmern wurde der von der Stadt Bornheim und dem Katholischen Bildungswerk Rhein-Sieg-Kreis organisierte Spaziergang trotz schweißtreibender Temperaturen gut angenommen.

Auftakt zu regelmäßiger Tour

„Wir planen, einmal im Jahr eine solche Führung anzubieten“, erklärte Stadtarchivar Löffler. „Darüber hinaus gibt es am 6. Oktober wieder eine Radführung von Poppelsdorf nach Merten.“ Natürlich kann man auch allein unterwegs sein: Neben Hinweistafeln lassen sich über QR-Codes entlang der Strecke mit dem Smartphone interessante Zeitzeugen-Interviews abrufen. Schüler der Europaschule Bornheim haben dafür mit Mertenern gesprochen, die Heinrich Böll noch persönlich kennengelernt haben.

Bürgermeister Wolfgang Henseler freute sich über das rege Interesse: „Nutzen Sie die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und Neues zu erfahren.“

Den Fokus legten Jens Löffler und Christel Diesler auf das Verhältnis des seinerzeit umstrittenen Literaten zu den Menschen vor Ort. Wie drei Kölner Freundinnen das neue Zuhause der Familie Böll sahen, verrät beispielsweise der Text „Die Weiber in Merten“, der 1985 in der Zeitschrift für Literatur und Politik erschien. „Das hier ist auf Dauer angelegt, hier will einer bleiben, arbeiten, leben, vielleicht auch sterben“, zitierte Diesler. Ebenso erfuhr man, dass viele Mertener eine der letzten Kurzgeschichten Bölls „Oblomow auf der Bettkante“ offenbar in den falschen Hals bekommen haben. „Fleißig, fleißig die Menschen! Der Mercedes am Feldrain, während da zwei oder drei Sellerie ernten, ist kein Witz“, heißt es darin.

Die Mertener fühlten sich verschaukelt. „Hinter vorgehaltener Hand wurde er Kommunist genannt. Der Mann, mit der Zeitung unterm Arm, der in die Kirche ging, wenn kein Gottesdienst war, war vielen Menschen suspekt“, so Löffler.

Teilnehmer Peter Nettekoven wollte das oft beschriebene „schwierige Verhältnis“ der Mertener zu Heinrich Böll nicht unkommentiert lassen. „Es würde mir leid tun, wenn sich in den Köpfen das Schwarz-Weiß Bild festsetzen würde, dass ganz Merten gegen Heinrich Böll war“, sagte er. Es sei vielmehr eine Mischung aus Überraschung, Respekt, Misstrauen und Stolz gewesen, die Böll entgegengebracht wurde. In sechs Wochen will Peter Nettekoven mit 16 ehemaligen Mitschülern des Collegiums Josephinum Bonn sein 45. Abiturtreffen mit einer Wanderung auf dem Heinrich-Böll-Weg beginnen lassen. „Daher nutze ich die heutige Führung als Vorbereitung.“

Auch Sonja Stollwerk kann die Informationen, die sie bei der Tour erhielt, gut gebrauchen. „Ich kannte zwar einige Eckpunkte seiner Biographie, aber dass Heinrich Böll seine letzten Lebensjahre in Merten verbracht hat, habe ich erst vor Kurzem erfahren, erklärte die Neu-Bornheimerin, die bald an einem Bonner Gymnasium unterrichten wird. „Ich will nicht ausschließen, dass ich diese Wanderung einmal mit einer Klasse unternehmen werde.“

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