Gedenktafel für Heinrich Böll "Auch heute noch ein Vorbild"

BORNHEIM-MERTEN · Hubert Moritz hat ihn früher öfter gesehen, wie er durch die Straßen von Merten spaziert ist. "Er war ein ganz normaler, angenehmer Mensch", beschreibt der 70-jährige Mertener seinen Eindruck vom Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll, von dem er als Kind in der Schule schon so viel gelesen hat.

 Hier wohnte Heinrich Böll von 1982 bis 1985: Der Mertener Ortsvorsteher Hans Gerd Feldenkirchen (l.) und Bürgermeister Wolfgang Henseler enthüllen an der Martinstraße 13 die Gedenkplatte im Gehweg vor dem früheren Haus des Nobelpreisträgers (21.12.1917-16.07.1985).

Hier wohnte Heinrich Böll von 1982 bis 1985: Der Mertener Ortsvorsteher Hans Gerd Feldenkirchen (l.) und Bürgermeister Wolfgang Henseler enthüllen an der Martinstraße 13 die Gedenkplatte im Gehweg vor dem früheren Haus des Nobelpreisträgers (21.12.1917-16.07.1985).

Foto: Axel Vogel

"Ich hab ihn immer schon gemocht", sagt der 70-Jährige, "er war ein Querdenker." Der Schriftsteller, der sich einmischte, der begeisterte, aber auch aneckte, verbrachte seine letzten Lebensjahre von 1982 bis 1985 in dem Vorgebirgsort.

2010 verlieh im die Stadt Bornheim die Ehrenbürgerschaft. Gestern, an seinem 30. Todestag, enthüllte sie ihm zu Ehren eine Gedenkplatte vor seinem früheren Wohnhaus an der Martinstraße 13.

"Sein soziales und gesellschaftliches Engagement ist bis heute vorbildhaft", heißt es in der Inschrift der von einer Walberberger Firma im Bronzekaltgussverfahren gestalteten Platte. An Bölls Unterstützung für die spätere Hilfsorganisation Cap Anamur und deren Einsatz für Flüchtlinge aus Südostasien sowie die prägenden Erlebnisse des Schriftstellers während des Zweiten Weltkriegs knüpfte Bürgermeister Wolfgang Henseler an, um einen aktuellen Bezug zu schaffen: Auch heute noch könne Heinrich Böll als Vorbild dienen, Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten in die Region gelangen, zu unterstützen.

Gut 70 Bürger und Vertreter aus der Politik sowie einige ADFC-Mitglieder, die eigens aus Köln hergeradelt waren, hatten sich vor dem unscheinbaren Haus an der Martinstraße versammelt, in dem Böll mit seiner Frau Annemarie wohnte. Dorthin gezogen hatte es die beiden, weil Sohn René mit seiner Familie bereits in Merten wohnte. Heute lebt hier die Familie Ahmed.

"Das ist schon etwas Besonderes", findet Shabana Ahmed (46), die gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern eigens auf einem Tischchen Datteln, Schokolade und Mineralwasser für die Besucher anbot. "Wir wohnen hier mit zwei Familien zusammen. Wir sind multikulti, Türken, Deutsche und meine Eltern kommen ursprünglich aus Indien", sagt sie, "ich glaube, das wäre sehr im Sinne von Böll gewesen."

Mit dem Schriftsteller durch Bornheim

Um Bölls Leben, seine Werke und sein Wirken, aber auch seine Hassliebe zu seiner Geburtsstadt Köln und seine Spuren in Merten ging es dann auf einem zweistündigen Rundgang durch den Ort, der vorbei am 1994 nach ihm benannten Dorfplatz hinauf zum Friedhof mit Bölls Grab führte.

Am Morgen hatten dort Vertreter der Bornheimer Grünen bereits einen Kranz niedergelegt. Stadtarchivar Christian Lonnemann, Kunsthistorikerin Christel Diesler sowie Schüler der Sekundarschule, die seit 2013 den Namen des Schriftstellers trägt, lasen während des Rundgangs Texte von und zu Böll vor, regten zum Nachdenken über seine Äußerungen an und unterhielten mit Anekdötchen, wie dem vom Bornheimer Kommunalwahlkampf 1984.

Da soll der Linksintellektuelle, der sich auch kritisch mit der Katholischen Kirche auseinandersetzte, bis er schließlich demonstrativ aus ihr austrat, am Wahlstand der CDU auf dem Peter-Fryns-Platz erschienen sein.

Es habe eisiges Schweigen geherrscht, erzählte Lonnemann, bis Böll es gebrochen habe: "Jetzt glotzt doch nicht so! Euch Lumpenpack wähle ich sowieso nicht. Aber 'nen Kugelschreiber, den nehme ich." Was er damit in Merten zu Papier gebracht hat, ist wohl nicht überliefert.

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