Streit in Swisttaler und Alfterer Grundschulen Protest gegen Abschaffung der Schreibschrift

Swisttal/Alfter · Wie sollen Kinder schreiben lernen? Eltern protestieren mit einer Petition gegen die Abschaffung der Schreibschrift in Swisttaler und Alfterer Grundschulen. Sie sehen Lernprozesse behindert.

 Hat die Petition initiiert: Marie Antoinette Baronin Geyr aus Gielsdorf (2.v.l.). Mit (v.l.) Cecile, Bernadette und Ida übt sie Schreibschrift. FOTO: AXEL VOGEL

Hat die Petition initiiert: Marie Antoinette Baronin Geyr aus Gielsdorf (2.v.l.). Mit (v.l.) Cecile, Bernadette und Ida übt sie Schreibschrift. FOTO: AXEL VOGEL

Foto: Axel Vogel

Bildungspolitische Themen sorgen in Deutschland immer wieder für Kontroversen. Die Gielsdorfer Mutter Marie Antoinette von Geyr wehrt sich nun dagegen, dass die Kinder an den von ihrem Wohnort aus gut erreichbaren Grundschulen in Oedekoven, Witterschlick und Buschhoven die sogenannte Grundschrift als Schreibschrift lernen. Die Grundschrift ist eine modifizierte Druckschrift, die Buchstaben sollen aber innerhalb von Wörtern zum Teil verbunden werden. Deshalb wird sie vom Grundschulverband, der sie entwickelt hat, auch als Schreibschrift bezeichnet.

Von Geyr sagt: „Die Grundschrift ist eine Druckschrift.“ Sie hat sich mit der Lehrerin ihrer Tochter an der Schule am Burgweiher in Buschhoven darauf verständigt, dass diese mit Unterstützung der Mutter parallel auch eine Schreibschrift lernt. „Ich bin der Lehrerin sehr dankbar dafür“, sagt von Geyr. Sie möchte die Schreibschrift aber für alle Kinder erhalten und hat deshalb im Internet eine Petition für den Erhalt des Schreibschriftunterrichts gestartet, die sich an NRW-Kultusministerin Sylvia Löhrmann richtet. Mehr als 330 Personen haben diese bereits unterzeichnet.

Die Argumente der Grundschrift-Gegner: Die Kinder könnten keine Schreibschrift mehr lesen, sie hätten Probleme, handgeschriebene Kommentare ihrer Lehrer unter den Arbeiten zu entziffern, so von Geyr. Auch beobachtet sie eine langsamere Schreibgeschwindigkeit als bei Kindern, die eine Schreibschrift gelernt haben.

„Die Grundschrift wird nie zu einer Schreibschrift, da sich nicht einmal die Hälfte aller Buchstaben verbinden lassen“, schreibt von Geyr in der Petition. Sie befürchtet Probleme an der weiterführenden Schule.

Gut lesbare Handschrift von Lehrplan vorgegeben

Auf Anfrage des General-Anzeigers bestätigt Ute Villis, Abteilungsleiterin an der Bornheimer Europaschule, dass die Grundschrift auch an ihrer weiterführenden Schule ein Thema ist. Eltern zeigten sich in den Aufnahmegesprächen besorgt, wenn ihre Kinder an der Grundschule nur die Grundschrift gelernt hätten. Auch das Kollegium beobachte Schwierigkeiten bei diesen Kindern. „Die Kinder, die sowieso Probleme mit dem Schreiben haben, haben Schwierigkeiten, ein sauberes Schriftbild hinzukriegen“, so Villis. „Man sieht den Unterschied zu Kindern, die eine Schreibschrift gelernt haben.“ Das Schriftbild wiederum stehe im Zusammenhang mit Lese-Rechtschreibproblemen.

Manche Kinder tun sich schwer, Wortgrenzen zu erkennen, weil nicht alle Buchstaben innerhalb von einem Wort verbunden sind, so Villis weiter. Und die Lehrer könnten manchmal nicht entscheiden, ob ein Wort in einer Arbeit zusammen oder getrennt geschrieben ist.

Daniela Duensing, deren Sohn die Gemeinschaftsgrundschule Witterschlick besucht, war Schulpflegschaftsvorsitzende, als dort vor etwa zwei Jahren die Grundschrift eingeführt wurde. „Damals gab es große Diskussionen“, sagt sie. Etwa die Hälfte der Schulpflegschaft sei dagegen gewesen, darunter Eltern, die Deutschlehrer auf der weiterführenden Schule sind. Auch sie selber sei gegen die Einführung der Grundschrift gewesen, weil es noch keine Erfahrungen von Kindern gegeben habe, die mittlerweile schon auf der weiterführenden Schule seien.

Dennoch sei es ein großes Entgegenkommen der Schulleitung gewesen, dass die Einführung überhaupt mit der Elternpflegschaft diskutiert wurde. Tanja Over-Sander aus Gielsdorf hat zwei Kinder auf der Gemeinschaftsgrundschule Oedekoven. Ihre Tochter Ida (9) schreibt Grundschrift. „Sie druckt hauptsächlich, der Schreibfluss ist nicht da.“ Over-Sander hält das Ganze aber für ein Problem des Lehrplans. Er müsste vorgeben, dass eine Schreibschrift gelehrt werden müsse.

Das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen sagte auf Anfrage, der Lehrplan des Fachs Deutsch gebe vor, dass die Schüler am Ende der Grundschulzeit eine gut lesbare, verbundene Handschrift haben sollen. Aus der Druckschrift, die die Kinder zuerst lernen, entwickele sich über die Schreibschrift eine verbundene Handschrift, so Ministeriums-Sprecher Jörg Harm. Da Methodenfreiheit herrsche, entschieden die Schulen in eigener Verantwortung, welche Schreibschrift sie lehren. Sie könnten auch mit der Grundschrift arbeiten. Die Idee dabei: Die Schüler entwickeln eine verbundene Handschrift direkt aus der Druckschrift ohne den Umweg über eine Schreibschrift. Der geltende Lehrplan sei seit 2003 in Kraft, seit 2011 gibt es die Materialien zur Grundschrift vom Grundschulverband.

Grundschrift umstritten

Von Geyr hat Kontakt zu Ursula Bredel, einer Professorin für deutsche Sprache und Literatur in Hildesheim, aufgenommen. In einer E-Mail, die dem GA vorliegt, sagt diese, es lägen noch keine empirischen Befunde zur Grundschrift vor: „Es handelt sich um ein empirisch nicht geprüftes Experiment mit ungewissem Ausgang.“ Die Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises sagte nach Absprache mit der Bezirksregierung Köln auf Anfrage des General-Anzeigers, die Schriftwahl sei eine ureigene Entscheidung der Grundschulen, Anfragen müssten direkt an die Schulen gerichtet werden. Die Schulen gaben wiederum keine Stellungnahme ab. Die Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule Oedekoven, Erika Khaliji, sagte lediglich, die Grundschrift sei eine Schreibschrift. Sie halte sich an die Vorgaben des Lehrplans.

Die Schulpflegschaftsvorsitzende der Gemeinschaftsgrundschule Oedekoven, Miriam Becher, erklärte, dass sie als Elternvertreterin bisher weder positives noch negatives Feedback zu diesem Thema erhalten habe. Die Schule habe die Grundschrift vor drei Jahren eingeführt und sei „im Prinzip immer noch in der Erprobungsphase, da Auswirkungen erst jetzt festgestellt werden können“.

Dass die Grundschrift auch in Fachkreisen umstritten ist, zeigt der Blick in andere Bundesländer. In Baden-Württemberg wurde die Grundschrift in einem Modellversuch an 17 Grundschulen ab dem Schuljahr 2014/2015 erprobt, soll aber nicht auf andere Schulen ausgeweitet werden.

In einem Schreiben vom 7. Dezember 2016 an die Schulen schreibt die Kultusministerin Susanne Eisenmann, dass die Wahlmöglichkeiten der Schulen nach Abwägung unterschiedlicher Argumente auf zwei Schreibschriften – die Lateinische Ausgangsschrift (LA) und die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) – beschränkt bleiben.

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