Römerlager im Kottenforst „Fundort ist ein Unikat“

Region · Eine Exkursion mit 20 Teilnehmern führte zum denkmalgeschützten Übungslager des römischen Militärs im Kottenforst. Dort wurden früher unterschiedliche Schlachtsituationen trainiert.

 Steve Bödecker (rechts) erklärt den Teilnehmern die Eigenschaften des Römerlagers.

Steve Bödecker (rechts) erklärt den Teilnehmern die Eigenschaften des Römerlagers.

Foto: Adrian Arab

Nördlich des Wegeknotenpunktes „Eiserner Mann“ im Kottenforst, unweit der Schutzhütte Waldkrankenhaus, entdeckten Archäologen in den 70er Jahren eines der größten römischen Übungslager in der Region. Nun führte Steve Bödecker, Limesbeauftrager des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), im Rahmen der Ausstellung „Revolution Jungsteinzeit“ knapp 20 Teilnehmer zur denkmalgeschützten Ausbildungsstätte.

„Abgerundete Ecken sind charakteristisch für die Römerlager und ermöglichen eine Abgrenzung von anderen Wallanlagen, etwa neuzeitlichen Eichelgärten“, erklärte Bödecker. 150 mal 180 Meter umfasst die Alfterer Anlage, noch heute ragen die Erdwälle einen halben Meter in die Höhe. Eine Besonderheit, wie Bödecker sagt: „Die meisten Römerlager sind heute im Unterholz versteckt und als solche nicht mehr erkennbar. Der Fundort am Waldkrankenhaus ist daher ein Unikat.“

Der charakteristische Aufbau war Kalkül, denn die abgerundeten Ecken verhinderten, in einem toten Winkel potenzielle Feinde zu übersehen. Auffällig sind auch regelmäßige Unterbrechungen in den Wällen – ebenfalls kein Zufall: „Nach dem Eindringen in das Römerlager durch die 'Tore' genannten Lücken, wurde der Gegner in einen Viertelkreis geführt. Am Ende des Ganges erwarteten ihn die Kämpfer – ein klarer taktischer Vorteil“, erklärte Bödecker.

Die Kämpfer – das waren in einem großen Römerlager bis zu 5000 Mann. „Die Truppenstärke, die in den Lagern trainierte, umfasste eine Legion auf einer Feldgröße von zwei Hektar. Kleinere Übungslager befanden sich meistens in unmittelbarer Nähe zum Hauptlager, dort trainierten bis zu 2000 Kämpfer.“

Auch im Kottenforst konnten die Archäologen zahlreiche kleinere Lager identifizieren, bis heute sind etwa 30 davon entdeckt. „Trainiert wurden unterschiedliche Schlachtsituationen. Vom Fußsoldaten bis zum berittenen Kämpfer mussten alle in Scheinkämpfen gegeneinander antreten“, so Bödecker, der die Rekonstruktion auf historische Aufzeichnungen, etwa des Kriegstheoretikers Vegetius, stützt.

Dass der Kottenforst als Trainingsstätte für die kaiserlichen Garden diente, war kein Zufall. Nebst optimalen Vegetationsbedingungen spielte auch die Empathie der Römer eine bedeutende Rolle. Bödecker: „Auch zu Römerzeiten war der Kottenforst ein dünn besiedeltes Gebiet. Den Römern war die Rücksichtsnahme auf die Landbevölkerung sehr wichtig. Im Kottenforst gab es nur wenige Bauern oder Grundbesitzer, die die Römer mit ihren Manövern gestört hätten.“ Der Waldboden habe zudem den Aufbau der mächtigen Wälle erlaubt.

Wenn Bödecker und sein Team heute das Übungsfeld der Truppen rekonstruieren, kommt die neueste Technik zum Einsatz. Sogenanntes „Airborne Laserscanning“ – der Name jener Lasertechnik, mit der das Kartenmaterial erstellt wird – findet mehrere hundert Meter über dem Waldboden statt. „Die Römerlager identifizieren wir anhand von Karten, die durch das Abtasten des Waldbodens mit Laserstrahlen aus Flugzeugen angefertigt wurden.“ Eine eigene Fliegerflotte hat das LVR nicht, die Kartierung führt die Bezirksregierung Köln durch. „Am Computer können wir die Laserkarten künstlich mit Sonnenlicht bestrahlen und Strukturen anhand des Schattenwurfes herausarbeiten.“ Interessierte Bürger mit leistungsstarken Rechnern können Bödecker folgen – das Amt stellt die Karten unter geobasis.nrw.de kostenlos zur Verfügung.

Die Dokumentation ist unter anderem nötig, um die Lager unter Denkmalschutz zu stellen – oder Anträge an die Unesco zu formulieren. Weitere gut erhaltene Militärlager finden sich in Nordspanien und Schottland, viele sind bereits als Weltkulturerbe klassifiziert. „Die Römerlager im Kottenforst liegen in ihrem kulturellen Wert auf Augenhöhe etwa mit jenen im Bereich des Hadrianswalls in Schottland. Daher werden wir einen Antrag an die Unesco stellen, um auch die Lager im Gebiet Germania inferior, jene im Kottenforst eingeschlossen, unter diesen besonderen Schutz zu stellen“, so Bödecker. Geschehen soll das mittels eines gemeinsamen Antrags mit den Niederlanden, auch, um eine noch vorhandene Lücke zu schließen. „Sowohl die Bodendenkmäler von der Nordsee bis zur Atlantikküste als auch von Rheinbrohl bis zur Donau sind weltkulturell geschützt. Es fehlt noch der niedergermanische Limes“, sagte Bödecker.

Läuft alles nach Plan, so ist die Lücke im Februar 2020 geschlossen – sofern die Unesco die Zustimmung erteilt. Schon heute sind zahlreiche der Römerlager auch durch die Bemühungen von Bödecker und seinem Team als Denkmal geschützt. Mit der Anerkennung als Kulturerbe käme dem Römerlager besonderes Prestige zuteil. Für Bödecker ist dies aber zweitrangig. „Wir wollen den Kottenforst ja nicht zum Touristendomizil machen. Dennoch würde es die herausragende kulturelle Bedeutung der Römerwälle deutlich unterstreichen.“

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