Zu Hause in Witterschlick Familie Kahraman arbeitet bereits in der vierten Generation in Deutschland

ALFTER-WITTERSCHLICK · Besucher müssen sich beim Betreten der Wohnung erst einmal die Schuhe ausziehen. Hausfrau Ayse Kahraman weist den Besucher lächelnd daraufhin, holt Hausschuhe, und erst dann geht es ins Wohnzimmer. Die türkische Familie Kahraman, die in der Duisdorfer Straße in Witterschlick wohnt, hält auf Tradition.

 Auf einen Blick (von links): Aysenur, Cetin, Hanife Nur, Ayse, Özgül und Mahmut Kahraman.

Auf einen Blick (von links): Aysenur, Cetin, Hanife Nur, Ayse, Özgül und Mahmut Kahraman.

Foto: Kohls

Vater Cetin, Mutter Ayse, Sohn Mahmut, Schwiegertochter Özgül und die Enkelinnen Aysenur und Hanife Nur teilen sich eine 100 Quadratmeter große Vier-Zimmer-Wohnung. Mit den fünf und vier Jahre alten Kindergartenkindern ist die Wohnung nun ein wenig eng geworden. Im kommenden Jahr ziehen Ayse und Cetin deshalb in die Nachbarwohnung.

Seit 1973 lebt Vater Cetin in Deutschland, seine Frau seit 1980. Mit einer Unterbrechung von 13 Jahren in Morenhoven wohnen die beiden seit Jahrzehnten in dem Alfterer Ortsteil. Mittlerweile ist er zu ihrer zweiten Heimat geworden. Das Leben der Familie Kahraman ist die typische Geschichte einer Gastarbeiter-Familie der ersten Stunde, deren Schicksal über vier Generationen mit dem Deutschlands eng verbunden war und ist.

Uroma Fatma, Cetins Mutter, kam als erste der Familie 1968 in die Bundesrepublik. Sie arbeitete in den Witterschlicker Servais Werken, Vorgängerin der Deutsche Steinzeug AG. Sie kam allein, ließ Mann Sami und Sohn Cetin in Samsun am Schwarzen Meer zurück, erhielt doch Vater Sami wegen Krankheit keine Einreise-Erlaubnis der deutschen Behörden. Erst 1973 kamen Cetin und sein Vater nach.

"Ich war damals 14 Jahre alt und konnte kein Wort Deutsch. Das war am Anfang ziemlich schwer", erinnert sich der 54-jährige Familienvater. Er und seine Eltern fühlten sich in dem fremden Land wohl, auch wenn sie 1983 in die Türkei zurückkehrten. Cetin und seine Frau Ayse, die 1980 aus der Türkei nach Deutschland gekommen war, blieben hier. Eine Ausbildung machte Cetin nicht. "Mein Vater wollte, dass ich schnell Geld verdiene."

Bis vor kurzem fuhr er als Fahrer von Betonmischern durchs Land. Ehefrau Ayse putzte im Malteser Krankenhaus. Mehr aus Zufall wurde das einzige Kind, Sohn Mahmut, in der Türkei geboren, und wie sein Vater wuchs er die ersten Jahren dort auf.

"Als ich nach Deutschland kam, war ich neun Jahre alt und hatte in der Türkei die dritte Klasse beendet. Diese musste ich hier wegen der Sprache wiederholen und absolvierte sie sogar ein drittes Mal, um den Sprung auf die Realschule zu schaffen." Die Mittlere Reife hat er dennoch nicht gemacht, "die Pubertät", sagt der 27-Jährige lapidar. "Heute bin ich Busfahrer. Das gefällt mir." Kaum in Deutschland, war er im Fußballverein.

Da knüpfte er die ersten Freundschaften zu Deutschen, Griechen und Türken. Seine Eltern förderten dies. "So bekamen wir auch mehr Kontakt zu Deutschen. Wir fuhren mit zu Spielen, unterhielten uns und hatten Spaß", erinnert sich Ayse Kahraman. Die Kontakte zu Nachbarn und Bekannten, auch zu Türken, sind weniger geworden. Obwohl der junge Vater schon 18 Jahre in Deutschland lebt, vermisst er die Türkei.

Er hat, wie sein Vater, seine Frau Özgül aus Samsun geholt. Sie ist seit sechs Jahren in Witterschlick, ihr Deutsch ist fließend. "Ich musste die ersten sechs Monate einen Sprachkursus absolvieren", so die 25-Jährige. Dass sie das nicht machen konnte, bedauert ihre Schwiegermutter noch heute. "Als ich hier ankam, gab es so etwas nicht. Mittlerweile komme ich aber gut zurecht", sagt sie selbstbewusst. Sie ist eine gläubige Muslima, trägt wie ihre Schwiegertochter Kopftuch, "aber wir sind nicht streng religiös."

Mitglied im Verein der neugebauten örtlichen Moschee sind sie selbstverständlich. Weil er Schwindelanfälle hatte, hörte Cetin vor kurzem auf zu arbeiten. Neben seiner deutschen Rente, die erst in neun Jahren fällig wird, erhält er auch eine türkische. Er hat dort Beiträge nachgezahlt. "Wir werden davon leben können, wenn wir zwischen beiden Ländern in den nächsten Jahren pendeln", so Cetin.

"Auf Dauer können wir dort nicht mehr leben. Es ist schon schwierig, denn für die Türken sind wir die Deutschen und für die Deutschen die Ausländer", weist er auf den Zwiespalt eines Heimatgefühles hin. Für Sohn Mahmut ist es genauso. "Auch wenn wir hier Freunde haben, so ganz gehören wir nicht dazu. Ich trinke zum Beispiel keinen Alkohol."

Er ist die dritte Generation türkischer Migranten, und dennoch fühlt er sich eher als Gast. Wie sein Opa und seine Eltern möchte auch er eines Tages in die Türkei zurückkehren. "Die Kinder, die in der Türkei geboren wurden und erst relativ spät nach Deutschland kommen, haben immer diese Sehnsucht nach der Türkei", so Cetin Kahraman. Mahmuts Töchter werden sich wohl eher in Deutschland zu Hause fühlen.

Sie sprechen perfekt Türkisch und Deutsch. "Beide gehen hier schon in den Kindergarten. Wenn wir mit ihnen in die Türkei fahren, wollen sie nach einer Woche wieder nach Hause", hat Mahmut Kahraman festgestellt. Kritisch sieht er die politische Entscheidung der Familienzusammenführung in den 70er Jahren. "Man hätte den Leuten für eine bestimmte Zeit eine Arbeitserlaubnis erteilen sollen, ohne Familie. Dann wären sie nach ein paar Jahren nach Hause zurückgekehrt."

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