Sankt Lambertus in Witterschlick Ein Glockenkonzert mit nur drei Tönen

ALFTER-WITTERSCHLICK · Zuerst eine enge Wendeltreppe, dann eine steile Holzstiege und schließlich nur noch Leitern führen 30 Meter hoch ins Glockengestühl. Dort hinauf klettern Christoph Winand, sein Vater Engelbert, Dieter Schneider und Max Söhngen elf mal im Jahr, um die alte Klangtradition zu pflegen.

 Beiern in der Katholischen Kirche in Witterschlick: Christoph Winand (links), Dieter Schneider (2.v.l.) und Engelbert Winand (rechts).

Beiern in der Katholischen Kirche in Witterschlick: Christoph Winand (links), Dieter Schneider (2.v.l.) und Engelbert Winand (rechts).

Foto: Axel Vogel

Zuerst werden die Schwungräder von drei der fünf Glocken mit Balken fixiert und leicht schräg gestellt. Die Klöppel von Glocke zwei (Herz Jesu, Durchmesser 1360 Millimeter, auch als Totenglocke bekannt) Glocke vier (1060 mm) und Glocke drei (Sankt Lambertus, 1190 mm) werden mit dicken Seilen zwei bis drei Zentimeter nah an den Schlagring gezogen und mit dem gegenüberliegenden Gebälk verbunden. Nun ist ein voll tönendes Instrument entstanden, das durch kräftiges Schlagen oder Drücken der Seile gespielt werden kann.

Die Witterschlicker Beiermänner kennen noch drei der früher sechs Melodien: "de Bämm", "de Zwei" und "de Drei". Schon beim "Bämm" entsteht ein dichter fliegender Klangteppich mit flottem Rhythmus, der sich in modernen Ohren auch als Grundlage für Popsongs oder experimentelle Musik eignen würde. Der hohe und der tiefe Ton bilden den Grundrhythmus, mit dem mittleren wird die Feinmelodie angeschlagen. Fünf Minuten lang spielen mindestens zwei der Beiermänner jede der Melodien, dann folgen fünf Minuten Pause. Gebeiert wird an Ostern, am Weißen Sonntag, Pfingsten, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und dem Patronatsfest, der Kirmes, jeweils am Vorabend und am Morgen des Feiertags eine halbe Stunde lang.

"Mein Vater hat mich mit 16 oder 17 Jahren mit hier herauf geschleppt", erinnert sich Christoph Winand (35). Dieter Schneider ist seit 1979 dabei. "Ich wollte das", erinnert er sich an den Wunsch nach Brauchtumspflege, den er mit 18 oder 19 hatte. Er ist im Ort aufgewachsen und kannte noch den legendären Hans Heiliger. Dieser ließ die seit dem Jahr 1734 urkundlich bezeugte Tradition 1952 wieder aufleben, als die im Krieg zu Kanonen umgeschmolzenen Glocken ersetzt worden waren. Heiliger gab auch Gastspiele in Volmershoven, Oedekoven, Impekoven, Adendorf und Neukirchen in der Sürst. Mit "Beiersprüchen" wurden die Bewohner von Nachbardörfern geneckt. So sangen die Volmershovener auf ihrem Weg zur Pfarrkirche Witterschlick im Beier-Rhythmus: "Wötteschlocke Könd stellt (= stiehlt) dat Rönd; Volemeschhovvene Pack höllt et strack (holt es zurück); Heedsches (Heidgener) Pack vezehrt ed dann."

Glocken warnten früher vor Feuer, Krieg oder Unwetter und informierten über die Tageszeit. Daraus entwickelte sich die Tradition des Glockenspielens, die sich aus dem niederländisch-flämischen Kulturkreis in evangelischen und katholischen Gegenden Deutschlands ausbreitete. Ins Rheinland kam sie durch den Handel. Die Witterschlicker Beiermänner suchen Nachwuchs. Wer mitmachen will, melde sich unter Tel. 0228/647654.

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