Interview mit Alfters Bürgermeister Rolf Schumacher "Bald an der Grenze des Machbaren"

Alfter · Wo die Flüchtlinge unterbringen? Vermutlich wird die Frage auch Rolf Schumacher im vergangenen Jahr das eine oder andere Mal Kopfzerbrechen bereitet haben. Und auch in den kommenden Monaten wird die Schaffung von Wohnraum für Alfters Bürgermeister eine wichtige Rolle spielen. Allerdings nicht nur, wenn es um Unterkünfte für Asylsuchende geht. Über die Herausforderungen in 2016 sprach er mit Christoph Meurer.

 Alfters Bürgermeister Rolf Schumacher im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Alfters Bürgermeister Rolf Schumacher im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Foto: Axel Vogel

Haben Sie am Beginn des Jahres 2015 gedacht, dass das Thema Flüchtlinge eine solche Dimension annimmt?
Rolf Schumacher: Niemand hat damit gerechnet, was im vergangenen Jahr in Sachen Flüchtlinge passiert ist. Nehmen Sie die Unterkunft am Rathaus. Die Illusion, dass wir mit den 60 Plätzen in der Unterkunft für 2015/16 hinkommen, hat sich schnell zerschlagen. Im September sind die ersten Menschen dort eingezogen und im Oktober war sie vollständig belegt.

Gab es einen Zeitpunkt, zu dem die Gemeindeverwaltung bei Unterbringung der Flüchtlinge nur noch improvisieren konnte?
Schumacher: Wir haben immer ein dezentrales Konzept verfolgt, um öffentliche Räumlichkeiten möglichst nicht belegen zu müssen. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg waren. Ich müsste aber lügen, wenn ich sage, dass wir die Lage jederzeit im Griff hatten. Denn wir hatten manchmal Glück - etwa bei der Möglichkeit, das Gebäude der Schule "An der Wicke" belegen zu können, das nun später als geplant saniert wird. Schließlich war die Belegung des Alfterer Schlosses wichtig, weil uns dadurch 150 Plätze auf die Zuweisungsquote angerechnet werden. Wir stehen aber weiterhin unter Druck. Strategisch vorneweg sind wir durch das beschlossene Akut-Wohnbauprogramm - unabhängig von der Flüchtlingsfrage. Wir leben hier in einer Region, in der Wohnraum enorm knapp ist.

Auch mit einem Akut-Programm wird es dauern, bis Wohnungen fertig sind. Mit Blick auf die Flüchtlingszahlen machen Sie sich doch sicher weiter Gedanken über Zwischenlösungen.
Schumacher: Wir machen bei einigen Baumaßnahmen nun Tempo - wohl wissend, dass sie ihre Zeit brauchen. Es mussten aber Entscheidungen getroffen werden. Zugleich planen wir die Errichtung von zwei weiteren Flüchtlingsunterkünften, für 150 Personen beziehungsweise 60 Personen.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen kippen könnte?
Schumacher: Ich sehe die Gefahr im Moment nicht, auch aufgrund unserer konzeptionellen Überlegungen zur Unterbringung. Auch ist die Flüchtlingshilfe breit aufgestellt. Es gibt viele Initiativen von Kirchengemeinden und Vereinen.

Können Sie davon ausgehen, dass die Menschen in der Notunterkunft im Schloss weiter auf die Zuweisungsquote angerechnet werden?
Schumacher: Ja. Außerdem haben wir von der Bezirksregierung die Nachricht bekommen, dass das Alfterer Schloss zum 1. Februar eine sogenannte Zwischenunterkunftseinrichtung wird. Das ist ein Status zwischen einer Notunterkunft und der regulären Unterbringung. Wir werden eine Dependance der Einrichtung in der Bonner Ermekeilkaserne. Das soll mindestens bis zum Dezember 2016 laufen.

Das Thema Flüchtlinge hat auch den Nachtragshaushalt betroffen. Die Gemeinde muss nun höhere Kredite aufnehmen als geplant. Sehen Sie das Haushaltssicherungskonzept gefährdet?
Schumacher: Ich habe den Nachtragshaushalt aus voller Überzeugung eingebracht. Er ist auch eine Art Konjunkturprogramm. Die Gemeinde investiert zum Beispiel nun in Wohnungsbau. Das sind sinnvoll eingesetzte Geldmittel. Außerdem haben wir im Haushalt damit kalkuliert, dass das Land die fortlaufenden Kosten für Flüchtlinge übernimmt.

[Zur Person]Dennoch wird das Defizit der Gemeinde höher. Müssen sich die Alfterer in 2016 auf höhere Steuern einstellen?
Schumacher: Wir haben 2012 - bewusst vor der Kommunalwahl - ein Haushaltssicherungskonzept mit einem Stufenplan zur Erhöhung der Grundsteuern A und B sowie der Gewerbesteuer aufgelegt. Der Nachtragshaushalt ist so kalkuliert, dass wir nicht mehr, aber auch nicht weniger machen.

Wie sieht es bei der Ansiedlung neuer Unternehmen in Alfter aus?
Schumacher: Die Strategie, erst bestehende Gewerbeflächen zu vermarkten, bevor wir neue entwickeln, ist aufgegangen. In der Tat sind die Gewerbegebiete in Witterschlick und am Buschdorfer Weg ausverkauft. Die Flächen, die wir gemeinsam mit Bornheim erschlossen haben, sind entweder verkauft oder reserviert. Jetzt haben wir eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um in Alfter-Nord 40 weitere Hektar zu erschließen und in sinnvoller Weise umzusetzen.

Sie sagten, dass Wohnraum sehr begehrt ist. Dennoch muss man sich doch auch über eine Obergrenze der Einwohnerzahl Gedanken machen, oder?
Schumacher: Grundlage ist der vom Rat beschlossene Flächennutzungsplan. Daher sind wir in unseren Potenzialen begrenzt. Wir setzen vor allem auf Nachverdichtung an und in den Ortschaften.

Wird es irgendwann eine Dependance der Gesamtschule Rheinbach in der Gemeinde Alfter geben?
Schumacher: Ich gehe fest davon aus. Es gibt die Vereinbarung, dass wir einen Versuch starten, wenn das pädagogische Profil in Rheinbach erarbeitet ist. Das braucht aber noch zwei, drei Jahre.

Welche Herausforderungen kommen 2016 auf die Gemeinde zu?
Schumacher: Ich möchte gerne beispielhaft zwei Projekte nennen. Das eine ist das integrative Wohnen an der Bahnhofstraße. Ich hoffe sehr, dass wir bis Mitte des Jahres die rechtlichen Bedingungen schaffen, um loszulegen. Das andere ist die Neugestaltung des Herrenwingert. Der Platz muss attraktiver werden. Mir schwebt vor, Bürgerbeteiligung und politische Willensbildung in 2016 so zu ordnen, dass wir Ende des Jahres wissen, wie die Gestaltung aussehen soll. Natürlich schaue ich auch sorgenvoll darauf, wie viele Flüchtlinge kommen könnten. Wenn wir die Zahlen von September und Oktober hochrechnen, dann kommen wir bald an die Grenzen des Machbaren. Denn neben der Unterbringung der Zufluchtsuchenden müssen wir auch die Voraussetzung schaffen, die Menschen in unserer Mitte zu integrieren.

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