Theologiestudent gesteht sexuelle Übergriffe auf Messdiener in Euskirchen

Missbrauch beschäftigt das ganze Dorf - Gericht hört Mütter der Opfer als Zeugen

Theologiestudent gesteht sexuelle Übergriffe auf Messdiener in Euskirchen
Foto: dpa

Bonn/Euskirchen. In dem kleinen Dorf bei Euskirchen ist seit dem 11. Februar nichts mehr wie zuvor. An jenem Tag vertrauten zwei neunjährige Messdiener einer Mutter an, was ihr Betreuer ihnen und auch anderen Messdienern während einer Freizeit wenige Tage zuvor angetan habe.

Ihr Entsetzen über diesen Übergriff, diesen Vertrauensmissbrauch des 29-jährigen Betreuers, Theologiestudent und Sohn einer in der Kirchengemeinde hoch angesehenen Familie, schildert die Mutter im Zeugenstand vor der Bonner Jugendschutzkammer.

Vor der muss sich der 29-Jährige seit gestern wegen teils schweren sexuellen Missbrauchs von zehn Messdienern in 104 Fällen verantworten - laut Anklage nur die Spitze des Eisbergs.

Der 29-Jährige, ein nett und freundlich aussehender junger Mann, hat zu Prozessbeginn ein Geständnis abgelegt, geradezu eifrig und detailbemüht geschildert, wie er was mit wem getan hat, wie er seine homophilen Neigungen entdeckte, aber auch, wie gläubig er ist.

Wie er bei seinem ersten Opfer die Grenze überschritt, und wie er immer Wert darauf legte, dass er nur Jungen "anlangte", die sich ihm nicht widersetzten. Der Anklage zufolge aber verging er sich auch an Jungen, die ihn abwehrten - oder schliefen. Diese Fälle bestreitet er nun, wie auch den Vorwurf, einige Jungen vergewaltigt zu haben. Dabei bleibt er auch, als das Gericht ihn bittet, noch einmal in sich zu gehen. Zu gern würde die Kammer den Jungen den Auftritt im Zeugenstand ersparen.

Aus diesem Grund werden nun auch die Mütter der Opfer gehört. Sie sollen dem Gericht schildern, wie es ihren Söhnen jetzt geht, wie es in der Kirchengemeinde aussieht und im Dorf, nachdem das ganze Ausmaß bekannt geworden ist. Eine nach der anderen treten die Mütter in den Zeugenstand, und was sie - angesichts des Angeklagten sichtlich um Fassung bemüht - berichten, macht die Dimension der Taten deutlich.

Ihr Sohn sei wütend, sagt eine Mutter. Er sage, der 29-Jährige "muss bestraft werden, das darf der nicht tun mit Kindern". Das ganze Dorf sei belastet, die ganze Kirchengemeinde sei belastet, man wisse, es seien noch mehr Kinder betroffen: "Aber die reden nicht." Teilweise schwiegen die Kinder deshalb, weil die Eltern dafür nicht offen seien.

Die nächste Mutter berichtet von dem Lied, das ihr Sohn geschrieben hat. Der Text: "Warum hast du mir das angetan, ich bin doch noch ein Kind." Der Neunjährige habe zu ihr gesagt, er habe nun "ein Loch im Herzen, das erst heilen muss". Sie leide darunter, dass ihr früher so unbefangener Junge nun ihre Umarmung nicht mehr aushalte.

Sie fühle sich so schuldig, sagt die dritte Mutter, schuldig, dass sie ihren Sohn nicht habe schützen können. "Dabei habe ich ihn auf Gefahren vorbereitet, ihm gesagt, dass er nicht zu Fremden ins Auto steigen darf."

Dass die Gefahr von dem Mann ausging, dem alle in der Gemeinde ihre Kinder anvertrauten, habe sie nicht erkannt. Ob man es hätte erkennen können, diese Frage quält nicht nur sie. Vertrauen ist in ihrem Dorf sehr schwierig geworden.

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