Swistsprung lässt die Mauern reißen

Weil die Rheinbraun AG einst das Grundwasser abgesenkt hat, sackt die Erde

Swistsprung lässt die Mauern reißen
Foto: Lannert

Swisstal. Was hat der Abbau der Braunkohle mit Häuser-Rissen in Heimerzheim zu tun? "Eigentlich war es reiner Zufall, dass ich davon gehört habe", erinnert sich Volkmar Sievert aus Heimerzheim heute.

1974 baute er am Zerresweg in Heimerzheim einen winkelförmigen Bungalow. Nur wenige Jahre später zeigten sich erhebliche Risse in seinem Haus. "Ich habe mich natürlich zuerst an den Bauunternehmer gewandt", so Sievert. Weil der keine Erklärung wusste, ließ er die Fundamente verbreitern und die Risse zuschmieren. Aber sie kamen wieder.

"Dann habe ich von Rissen in der Schule in Metternich erfahren, die durch den Abbau der Braunkohle in Garzweiler entstanden sind." Genauer gesagt, durch die enorme Absenkung des Grundwassers um angeblich 18 Meter in dem 66 Kilometer großen Abbaufeld Garzweiler I, das sich westlich von Grevenbroich im Kreis Neuss bis zur Autobahn 44 Aachen-Düsseldorf sowie in dem neuen Abbaugebiet Garzweiler II erstreckt.

Heute weiß man, dass die Schäden in Folge der Wasserabsenkung wegen der geologischen Besonderheit des Gebietes verstärkt auftreten. Swisttal liegt am Südrand der Niederrheinischen Bucht im Übergangsbereich zwischen Erftscholle und Kölner Scholle. Der ist durch verschiedene Systeme von Staffelbrüchen und Schollen geprägt, die durch Sprünge der Erdschichten begrenzt sind.

So verläuft im Westen und Süden der Swistsprung, im Osten der Kottenforst-Sprung und im Norden der Staffelbruch. Durch die verschieden aufgebauten Bodenschichten kommt es zu unterschiedlichen und starken Absenkungen der Erde, die zu Rissen führen. Und Sievert weiß inzwischen genau, wo der Swistsprung verläuft: "Genau unter meinem Haus."

Das weiß nun auch die RWE Power, die damals von Sievert informiert worden war. Sie hatte zunächst alles zurückgewiesen, schließlich aber doch Messungen durchgeführt und die Absenkungen festgestellt. Das bestätigt Manfred Lang, Pressesprecher der RWE Power AG, Nachfolgerin der Rheinbraun AG.

Rheinbraun ließ 1982 das Haus der Sieverts zum Teil auf ein Federfundament stellen. "Inzwischen ist in dem Teil des Bungalows Ruhe eingekehrt, nun haben wir Probleme mit der anderen Seite. In diesem Jahr ließ die RWE Power das Wohnzimmer renovieren, weil dort wieder Risse aufgetreten sind." Mittlerweile sind eine ganze Reihe von Häusern in Heimerzheim, so auf dem Mühlenweg (Lessing- und Schillerstraße) sowie an Teilen der Vorgebirgsstraße und im westlichen Teil von Buschhoven betroffen.

Nach geltendem Bergbaurecht kommt die RWE Power für die Schäden auf. Noch unbebaute Grundstücke am Zerresweg kaufte sie, ebenso ein Mehrfamilienhaus, das stark betroffen ist.

Wie hoch die bisherigen Reparaturkosten sind, konnte Lang nicht sagen.

Zur Ruhe gekommen ist die Erde bisher nicht. "Allein durch die tektonische Besonderheit des Swistsprungs ist die Erde in Bewegung, was durch die Grundwasserabsenkung noch stärker zu spüren ist", so Lang. Dabei handele es sich um Absenkungen im Millimeterbereich - mit großen Folgen für die Bauten.

In diesem Jahr wurden verschiedene Badezimmer und Wohnzimmer saniert, aber auch Hausanschlüsse erneuert, weil die alten durch Absackungen gerissen waren. Besonders stark ist das Haus von Renate und Detlev Müller an der Lessingstraße betroffen.

"Inzwischen haben wir fast überall Styropor an den Decken und Wänden, weil die Risse immer wieder kommen", sagt Detlev Müller. Bislang habe die RWE alle Schäden anstandslos beheben lassen, so die Müllers. Und trotzdem: "Man hat sich Jahre krumm gemacht für das Haus. Jetzt sind ständig Risse drin, das frustriert und nervt."

"Angeblich soll das in umgekehrter Folge wiederkommen, wenn nach dem Abbau das Grundwasser wieder steigt", sagt Renate Müller. Alle zwei Jahre führt die RWE Messungen in den jeweiligen Straßen durch. Dazu hat sie Metallpunkte an Fassaden knapp oberhalb des Erdreiches angebracht. Auch an den Häusern von Joachim Jamry an der Lessingstraße und von Gottfried Krahforst an der Schillerstraße.

Wie fast alle seine Nachbarn musste Krahforst vor drei Jahren seinen Hausanschluss erneuern. "Allerdings bekommen wir die Schäden nicht bezahlt. Angeblich stehen unsere Häuser neben dem Sprung, also auf einer anderen Erdplatte. Deshalb könnten die Risse an unseren Häusern nicht daher stammen", sagt Krahforst. Und sein Leidensgenosse Hermann Schlagheck von der Lessingstraße ergänzt: "Unsere Häuser sind aber nicht vollständig unterkellert, daher könnten die Risse ebenfalls kommen."

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