So gesehen: Das Eigenleben der Telefonschnur

Schnüre sind dazu da, Verbindungen herzustellen, etwa die zwischen einem Telefonhörer und dem Telefon. Das verbindende Element aber hat ganz offensichtlich ein Eigenleben.

Schnüre sind dazu da, Verbindungen herzustellen, etwa die zwischen einem Telefonhörer und dem Telefon. Das verbindende Element aber hat ganz offensichtlich ein Eigenleben, was unschwer daran zu erkennen ist, dass schon nach wenigen Telefonaten aus der vermaledeiten, wie eine Ziehharmonika geformten Schnur ein kaum mehr zu identifizierendes, hoch komplexes Molekül-Modell entstanden ist. Wieso und weshalb, das hat sich mir auch nach dem x-ten Auseinanderfriemeln nicht erschlossen.

Ekelt sich das Ding etwa vor mir, dass es sich so winden muss? Rieche ich streng? Wollen höhere Kräfte verhindern, dass ich eine exklusive Story herbei telefoniere? Ich kaue weder auf der Telefonschnur herum, noch benutzte ich sie zum Seilspringen. Ich mache nur das, was für den Journalisten so etwas wie Lebenselixier und Informationsquelle zugleich ist - telefonieren. Will heißen: Ich nehme den Hörer ab und lege ihn irgendwann wieder auf. Die Schnur fasse ich noch nicht einmal an. Und trotzdem muss ich bald wieder den Moment fürchten, wenn mir die völlig durchgedrehte und verkürzte Plastikkordel beim Versuch, den Hörer ans Ohr zu bekommen, fast das Schultergelenk ausreißt.

Wieso gibt es in den Büros und Redaktionen eigentlich noch keine mobilen Festnetz-Telefone auf den Schreibtischen? In den allermeisten privaten Wohnungen sind die doch schon längst etabliert. "Was soll's", wie mein geschätzter Ex-Kollege mit fatalistischem Unterton zu sagen pflegte, "es sind ja nur noch 14 Jahre." Bis zur Rente.

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