Sitzstreik im Knast endete mit ausgekugeltem Daumen

25 Jahre alter Häftling bekam nach Vorfall in JVA Rheinbach 150 Mark Geldstrafe

Rheinbach. (scr) Alles fing mit bohrenden Zahnschmerzen an. Weil ein 25 Jahre alter Inhaftierter nicht die gewünschten Schmerzmittel erhielt und nicht zu einem Zahnarzt gebracht wurde, weigerte er sich im September vergangenen Jahres, das Arztzimmer in der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt zu verlassen. Als zwei Vollzugsbeamte ihn aus dem Raum heraustragen wollten, wehrte er sich.

Der eine JVA-Beamte zog sich dabei nur leichte Schürfwunden zu. Dem anderen wurde allerdings der rechte Daumen ausgekugelt. Wegen fahrlässiger Körperverletzung und geleistetem Widerstand verurteilte der vorsitzende Richter des Rheinbacher Amtsgerichtes, Ulrich Schulte-Bunert, den Angeklagten zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Mark.

"Ich hatte zweieinhalb Wochen lang Zahnschmerzen", erinnerte sich der Häftling, der in der JVA Rheinbach eine rund vierjährige Haftstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung in sieben Fällen absitzt. Bei Überfällen wollte er damals Geld für seinen Drogenkonsum rauben. Entgegen der anderslautenden Aussagen eines in der JVA praktizierenden Arztes und eines Vollzugsbeamten verlangte er im September jedoch keine opiathaltigen Schmerzmittel gegen seine Zahnschmerzen. "Ich habe Penicillin verlangt, aber keine Drogen", sagte der gelernte Elektroinstallateur.

Angesichts der Schmerzen weigerte er sich, das Arztzimmer zu verlassen, wenn er nicht ein starkes Schmerzmittel bekäme oder zu einem Zahnarzt gebracht werde. Die Justizvollzugsbeamten versuchten, ihn aus dem Raum zu bringen. "Vier Leute kamen. Man hat mir die Arme auf den Rücken gedreht und die Beine zusammengehalten. Einer der Männer hat mir in den Schritt gefasst", sagte der Angeklagte. "Als der mir in den Hoden gepackt hat, habe ich mich gewehrt. Denn das muss ich mir auch nicht gefallen lassen", so der 25-Jährige. Er habe nur versucht, sich loszureißen.

Wie sich einer der Justizvollzugsbeamten dabei den Daumen ausgekugelt haben soll, konnte er sich nicht erklären. Die JVA-Beamten machten dafür den Widerstand des Häftlings verantwortlich. Als sie ihn aus dem Arztzimmer bringen wollten, sei er nach vorne gefallen. Absicht konnte ihm der erste Beamte allerdings nicht unterstellen. "Ich weiß nicht, ob er sich hat nach vorne fallen lassen oder ob er gestürzt ist", sagte der Bedienstete, der nur leichte Schürfwunden davontrug. "Er hat sich erheblich gewehrt", berichtete sein Kollege. Dabei sei ihm der Daumen ausgekugelt worden. Der Beamte, dem als Folge der Verletzung noch eine Operation bevorsteht, war für rund fünf Wochen krank geschrieben. "Als ich wieder im Dienst war, hat er sich persönlich bei mir entschuldigt und gesagt, dass er keinen verletzten wollte", sagte das Opfer über den Angeklagten. Dessen Vorstrafen sprachen zwar vor Gericht gegen ihn. Doch es wirkte strafmildernd, dass der 25-Jährige sich nicht direkt gegen die Beamten gerichtet und die Verletzungen nicht beabsichtigt hatte.

"Es war fahrlässige Körperverletzung. Dass das so heftig ausfällt, konnte auch er nicht absehen", meinte Schulte-Bunert. Er folgte deshalb nicht dem Plädoyer des Staatsanwaltes, der einen Monat Haft ohne Bewährung gefordert hatte, sondern verhängte die von der Verteidigerin vorgeschlagene Geldstrafe.

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