Bergheimer Siegfähre Fährmann Matthias Mertens gibt nach 40 Jahren das Ruder ab

TROISDORF · Eine Ära ist zu Ende: 40 Jahre lang führte Matthias Mertens die Siegfähre von Bergheim aus an dem gespannten Gierseil entlang ans andere Ufer. Er sorgte dafür, dass insbesondere die vielen Ausflügler ihre Wanderung oder die Radtour auf der anderen Siegseite fortsetzen konnten.

 Fährmann Matthias Mertens, hier am neuen Fährhaus, zieht sich altersbedingt zurück. Der Fährbetrieb an der Sieg bei Bergheim befindet sich zurzeit in der Winterpause.

Fährmann Matthias Mertens, hier am neuen Fährhaus, zieht sich altersbedingt zurück. Der Fährbetrieb an der Sieg bei Bergheim befindet sich zurzeit in der Winterpause.

Foto: Martina Welt

Auch die Politiker, insbesondere zu der Zeit, als Bonn noch Regierungssitz war, hat er alle irgendwann mal übergesetzt. Besonders positiv ist ihm Norbert Blüm in Erinnerung geblieben, und deutlich erinnert er sich auch an die Fahrt im Bundestagswahlkampf 2005 mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder.

Derzeit herrscht Winterpause beim Fährbetrieb. Zur Wiedereröffnung des Fährbetriebes im April übergibt Mertens das Ruder an seinen Nachfolger Gabriel Gojic. Er hat gemeinsam mit Mertens schon im Sommer erste Erfahrungen gesammelt, und da er im benachbarten Ausflugslokal "Zur Siegfähre" seit zwölf Jahren als Kellner arbeitet, kennt er auch den Fährbetrieb.

Ob der Neue wirklich so ganz auf die Dienste des Routiniers verzichten kann, da ist sich Mertens nicht sicher, denn seine Fahrgäste haben unendlich viele Fragen, nach den Wegen zu den unterschiedlichsten Zielen oder nach Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der Region. "Das fällt mir natürlich leicht", berichtet der gebürtige Bergheimer, der im Januar seinen 81. Geburtstag feiert. Bis heute wohnt er in dem Haus seiner Eltern, die zunächst Berufsfischer waren. "Meine Familie hat im Rhein Aale und andere Fische gefangen und geräuchert", erzählt Mertens. Diese wurden dann an die Hotels in Bonn oder Königswinter verkauft.

Mit der zunehmenden Verschmutzung des Rheins fand die Fischerei ein jähes Ende. Die Fische waren nicht mehr zum Verzehr geeignet, und nach dem Krieg übernahm deshalb sein Vater Johann Mertens den Fährbetrieb an der Sieg. Viele Jahre lang ist Matthias seinem Vater zur Hand gegangen, neben dem Maurerberuf, den er bei der Spicher Firma Billen ausgeübt hat.

Mit 60 Jahren beendete er diese Arbeit und wurde selbstständiger Fährmann. Sein besonderes Highlight war die Beförderung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder im August 2005. "Er befand sich gerade auf Wahlkampftour und wollte einen Tag vor der Einweihung der neuen Fähre gemeinsam mit seinem Begleittross von Sicherheitsleuten und Journalisten mit meiner Fähre auf der Sieg übersetzen", erinnert sich Mertens.

Was er auch nicht vergessen hat, ist die Tatsache, dass Schröder für seine Dienste damals nicht bezahlte. "Ich hätte ja damit gerechnet, dass er mir vielleicht fünf Euro in die Hand drückt als Trinkgeld", das sei jedoch ausgeblieben. Stattdessen habe er ihn ausgefragt, wie eine Fähre gefahren werden müsse. "Die Strömung ist der Motor, der die schräg gesetzte Fähre entlang des Gierseiles vorantreibt", erklärt der Fährmann. Je nach Wasserstand benötige man mal mehr oder mal weniger Kraft, um bis zu 20 Personen und 20 Fahrräder transportieren zu können.

Schlimmes sei auf den vielen Fahrten Gott sei Dank nicht passiert. Gerne erinnert er sich an die leuchtenden Kinderaugen, wenn er die Kleinen auch mal ohne Bezahlung mitgenommen hat. Einen Tag nach der Beförderung des Kanzlers wurde die neue Fähre eingeweiht, die Mertens dank der Sponsorengelder anschaffen konnte. Das neue Fährhaus, das dem alten Fährmann so gar nicht gefällt, wurde im Rahmen der europäischen Maßnahme "Grünes C" in diesem Jahr erbaut.

Für Mertens ist das Blockhaus zu modern an dieser Stelle, und eine Überdachung im Freien fehlt ihm auch. Zu Zeiten seines Vaters verkehrte die Fähre von morgens 5 Uhr bis in die Nacht um 23 Uhr, um auch die Beschäftigten, die in Schichten arbeiteten, zu befördern. Heute ist der Fährmann von 8 bis 20 Uhr jeden Tag zur Stelle. Pause hat er von Oktober bis April, das war früher auch nicht so. Da fuhr die Fähre nur bei Hochwasser oder zugefrorener Sieg nicht mehr.

Dennoch beruhigt es den scheidenden Fährmann Matthias Mertens, dass seine Fähre auch nach seinem Rückzug weiterfahren wird. Mertens ist in Bergheim geboren, konnte mit vier Jahren schwimmen, fuhr bereits als kleiner Junge mit seinem Vater mit und kennt alle alteingesessenen Bergheimer, die ihn auch heute noch mit einem freundlichen "Hallo Matthias" begrüßen. "Da möchte man einfach, dass so etwas noch lange erhalten bleibt."

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