Nachhaltiges Bauen Ein Haus aus Strohballen

Rhein-Sieg-Kreis · Andrea Rost aus Troisdorf-Bergheim baut mit Helfern aus sechs Nationen ein Gebäude aus Strohballen. Zehn Freiwillige, unter anderem aus Polen, Spanien, Chile und Kanada, packen bei den Arbeiten mit an.

Andrea Rost und Architekt Dennis Harms inmitten von Strohballen, dem wichtigsten Baustoff für ihr Hausprojekt.

Andrea Rost und Architekt Dennis Harms inmitten von Strohballen, dem wichtigsten Baustoff für ihr Hausprojekt.

Foto: Dörsing

Energie aus Wind und Sonne, Lebensmittel vom Bauer aus der Region und fair gehandelte Kleidung – das Thema Nachhaltigkeit wird in immer mehr Lebensbereichen wichtig. Auch beim Bau eines Hauses gibt es umweltschonende Alternativen. Wie das aussehen kann, lässt sich derzeit in Troisdorf-Bergheim beobachten. Dort entsteht ein Haus aus einem ungewöhnlichen Material: Strohballen.

„Wir verwenden gewöhnliche Strohballen aus Kleinballenpressen“, erklärt Architekt Dennis Harms. Die Ballen – insgesamt rund 380 Stück aus der Region – werden in der Holzrahmenkonstruktion gestapelt und bilden so die Wände des Anbaus. Verputzt wird das ganze mit Lehm, außen mit Kalk.

In Auftrag gegeben hat das Gebäude, das als Anbau an ein bestehendes Wohnhaus errichtet wird, Andrea Rost. Die 45-Jährige hatte bereits bei der Sanierung ihres Fachwerkhauses Erfahrungen mit der Bauweise gesammelt und ist nicht nur wegen des ressourcenschonenden Materials voll davon überzeugt:„Das Raumklima ist einfach fantastisch, das kann man nicht beschreiben, man muss es erleben“, sagt Rost.

Grund sei der Lehmputz, erklärt Harms. Dieser nehme Feuchtigkeit aus dem Raum auf und gebe sie auch wieder ab, „so regelt sich die Luftfeuchtigkeit im Wohnraum ganz natürlich“.

Dass diese Baustelle etwas besonderes ist, wird dem Besucher sehr schnell klar. Zum einen aufgrund des ungewöhnlichen Baustoffes – im Erdgeschoss stapeln sich die Strohballen bis an die Decke –, zum anderen wegen der dort tätigen Arbeitskräfte. Zehn freiwillige Helfer, unter anderem aus Polen, Spanien, Chile und Kanada packen bei den Arbeiten mit an.

Mitgebracht hat sie Strohbau-Experte und Lehrgangsleiter Herbert Gruber. „Es gibt noch nicht viele Handwerksbetriebe, die sich mit der Bauweise auskennen, es fehlen schlicht die Fachkräfte“, erklärt Harms. Wer die Technik beim Strohballenhausbau erlernen will, muss daher selbst mit anpacken.

So wie Michaela Loch. Die 42-Jährige stammt aus Rheinland-Pfalz und ist seit zwei Wochen dabei. Gerade kümmert sie sich um die Verputzung der Strohballen. Dazu wirft sie aus kurzer Entfernung Lehm an die Wand und streicht ihn glatt. „Ich habe bereits selbst gebaut. Dabei wurden Unmengen Plastik und Metall verwendet. Dann dachte ich, dass muss auch anders gehen“, erklärt Loch.

Untergebracht sind die Helfer unter anderem im Haus von Andrea Rost. Die Mutter von vier Kindern kümmert sich täglich mit Unterstützung ihrer Mutter und Freunden um die Verpflegung der Helfer. Gemeinsame Abende zum Beispiel mit Karaokesingen beenden die anstrengenden Tage auf der Baustelle. „Ökologisch Bauen zieht einfach auch tolle Menschen an“, so Rost. Und offenbar auch Tiere: Ein Wellensittich verirrte sich vor ein paar Tagen auf die Baustelle und dient dem internationalen Team seither als Maskottchen.

Ein Strohballenhaus ist rund 15 bis 25 Prozent teurer als ein Standardbau

Ab nächster Woche, wenn die Helfer abziehen, ist die gelernte Logopädin und Mutter von vier Kindern dann bei den weiteren Arbeiten wieder auf sich gestellt. Würde sie für die anstehenden Arbeiten Unternehmen beauftragen, wäre ihr Haus schneller fertig, die Baukosten allerdings wären auch höher. „Ein Strohballenhaus ist rund 15 bis 25 Prozent teurer als ein vergleichbar großer Standardbau“, sagt Harms.

Bei ersterer Variante seien dafür aber hochwertige Materialen, zum Beispiel Holzfenster und – türen, quasi inbegriffen. Bauherrin und Architekt lernten sich vor einiger Zeit durch Zufall kennen. „Ich habe mich damals in Troisdorf verfahren, stand plötzlich vor einer Baustelle an einem Fachwerkhaus“, erinnert sich Harms. Spontan hat der gelernte Tischler gefragt, ob er mithelfen konnte.

Das Haus gehörte Andrea Rost. Als Rost Jahre später über den Anbau nachdachte, in den nach Fertigstellung ihre Mutter einziehen wird, nahm sie sofort Harms mit an Bord. Zusätzlich zu seiner Berufserfahrung im Handwerk studierte der heute 39-Jährige Architektur, später noch Bauphysik.

Die Faszination für alternative Baustoffe packte ihn früh. „In Sachen Nachhaltigkeit stehen andere Baustoffe in keinem Verhältnis zu Strohballen aus der Region“, so Harms. Bei der Stärke der Ballen habe das Material zudem Wärmedämmungseigenschaften auf Passivhaus-Niveau. Doch wie sieht es mit dem Brandschutz aus? Immer wieder wird Harms das gefragt.

Stroh brennt wie Zunder, so die gängige Vorstellung. Und immer wieder versucht er, die Bedenken auszuräumen: Im stark verdichteten Zustand der Ballen sei Stroh keineswegs schnell brennbar, erklärt er. Zudem bilde der Lehmputz eine Schutzschicht. Auch für den Architekten ist das Projekt in Bergheim etwas Besonderes. Harms hat sich mit der Strohballen-Bauweise selbstständig gemacht. Das Haus in Bergheim ist sein erster Auftrag.

Ein weiteres Projekt bei Eitorf folgt bereits im nächsten Jahr. „Noch ist es eine Nische – eine Nische, die ich ausfüllen möchte.“ Bis zum Frühjahr nächsten Jahres möchte Rost mit dem Bau fertig sein. Knapp ein Jahr lebt sie dann mit und auf der Baustelle. „Es ist manchmal schon sehr stressig“, sagt sie. Das allerdings wäre auch beim Bau eines „normalen“ Hauses nicht viel anders.

120 Strohballen hat die Bauherrin abzugeben. Kontakt: dh@harmsarchitektur.de. Weitere Infos zu Lehrgängen von Herbert Gruber unter www.baubiologie.at.

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