GA-Serie "Mobil in der Region" Mobilität der Zukunft: Der Verkehr wird flüssiger laufen

Troisdorf · Selbstfahrende Autos gelten als Zukunftsmusik. Doch die technische Entwicklung schreitet rasant voran. Der Troisdorfer Mobilitätsexperte Michael Schramek spricht im GA-Interview über Berührungsängste, Hindernisse und Chancen.

 Ohne Fahrer ganz schön eigenwillig: Das Auto der Zukunft – aus Sicht des GA-Karikaturisten Burkhard Mohr.

Ohne Fahrer ganz schön eigenwillig: Das Auto der Zukunft – aus Sicht des GA-Karikaturisten Burkhard Mohr.

Foto: Burkhard Mohr

Die Vorstellung, in einem selbstfahrenden Auto die Kontrolle komplett abzugeben, löst bei vielen Menschen Unbehagen aus. Wie begegnen Sie denen?

Michael Schramek: Indem ich ihnen das hier zeige (holt sein Smartphone hervor) und frage, wie oft sie damit beim Autofahren schon eine Nachricht beantwortet haben. Das tun etwa 75 Prozent der deutschen Autofahrer. Sie geben damit Kontrolle ab, obwohl sie eigentlich auf den Verkehr achten müssten. Fährt das Auto von alleine, kann man die Kontrolle ohne Weiteres abgeben und sich auf etwas Anderes konzentrieren. Das leuchtet den meisten ein. Es stellt sich dann heraus, dass nur die wenigsten morgens im Stau ihr Auto unbedingt selbst steuern wollen.

Für viele ist das Autofahren Ausdruck von Individualität, es bereitet Spaß. Was sagen Sie denen?

Schramek: Diejenigen, die gerne selbst fahren, werden auch in Zukunft noch Gelegenheit haben. Auf dem Nürburgring etwa, oder bei Oldtimerausfahrten, für die die Fahrbahn abgesperrt wird. Auf den öffentlichen Straßen hingegen wird es irgendwann nur noch selbstfahrende Autos geben.

Ab wann wird das Realität?

Schramek: In Ansätzen haben wir das heute schon. Denken Sie nur an Assistenzsysteme wie den Autopiloten. Die gibt es bislang nur in der Oberklasse. In den kommenden zwei, drei Jahren werden die meisten Hersteller technisch nachziehen und alle Modelle damit ausrüsten können. Die Frage wird sein, inwieweit die Gesetzgebung hinterherkommt. Ich gehe davon aus, dass man in fünf bis sieben Jahren sein Auto auf Autobahnen und Bundesstraßen nicht mehr selber lenken muss. In zehn bis 15 Jahren wird man dann in den Städten autonom fahren.

Die Hürden sind also eher rechtlicher denn technischer Natur?

Schramek: Ja. Bislang definiert ein UN-Abkommen, dass ein Mensch jederzeit die Kontrolle über das Auto haben muss. Es wird einen Wettbewerb vor allem zwischen Europa, den USA und China geben: Die Länder, die bei der Entwicklung vorne dabei sein wollen, müssen ihr Recht anpassen.

Was sind die Vorteile des autonomen Fahrens?

Schramek: Es ist effizienter, sicherer, man kann den Straßenraum besser ausnutzen. Ich kann während der Fahrt machen, was ich will: arbeiten, lesen, Filme gucken, mir die Haare schneiden lassen.

Dank dieser Vorzüge werden dann aber mehr Autos angeschafft, oder?

Schramek: Zunächst einmal werden wir weniger eigene Autos benötigen, weil wir sie intensiver nutzen. Die Familie, die heute zwei Autos hat, benötigt dann nur noch eins. Und wenn man dann für einzelne Fahrten ein zweites braucht, leiht man sich eins. Die Menschen werden pragmatischer, das Nutzen ist schon jetzt in der jüngeren Generation wichtiger als das Besitzen. Hinzu kommt das Kostenargument: Ein eigenes Auto kostet circa 40 Cent pro Kilometer. Ein selbstfahrendes Sharingauto für die Stadt, das ich mir nach Bedarf leihe, vielleicht nur sechs oder sieben Cent pro Kilometer. Es wird auch mehr Fahrgemeinschaften geben, weil das mit dem selbstfahrenden Auto komfortabler geht als heute. Selbstfahrende Neunsitzer bringen morgens Menschen zur Arbeit, abends zum Vereinstreffen, zwischendurch sind sie anderweitig einsetzbar. Trotzdem ist es nicht von der Hand zu weisen, dass wir zu mehr Verkehr kommen. Da es so bequem und billig ist, nutzen wir das Auto häufiger.

Am Ende also doch mehr Stau...

Schramek: Nein, denn der Verkehr wird flüssiger laufen. Es wird keinen Bleifuß mehr geben, keine emotionalen Reaktionen, keine plötzlichen Spurwechsel. Auch der Parkplatzsuchverkehr entfällt. Die Autos wissen selbst, wo es einen freien Platz gibt.

Ist angesichts dieses Komforts der Öffentliche Personennahverkehr vom Aussterben bedroht?

Schramek: Ich glaube nicht, dass es in 20 Jahren den ÖPNV in seiner heutigen Form noch geben wird. Er wird sich eher auf Hauptachsen konzentrieren, in Kooperation mit selbstfahrenden Autos als Zubringern. Erste Verkehrsverbünde stellen sich darauf schon ein.

Wie ist es mit den Entscheidungsträgern in den Kommunen? Sehen die das Thema?

Schramek: Der Anteil derer, die sich damit bereits auseinandersetzen, steigt – wenn auch langsam. Zu viele sehen es noch als reine Zukunftsmusik an. Dabei müssten diese Entwicklungen heute schon in die Pläne für Straßeninfrastruktur und Städtebau einfließen. Ein Beispiel: Innenstädte und Wohnviertel müssen in Zukunft nicht mehr zugeparkt sein, weil die Autos nicht mehr direkt vor der Tür parken müssen. Es wird eine viel stärkere Trennung von Verkehrs- und Lebensraum geben.

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