HIV und der Kampf gegen Vorurteile Beratungsstelle der Aids-Hilfe in Troisdorf klärt auf

Troisdorf · Berater Martin Domstreich und der mit HIV infizierte aber nicht mehr infektiöse Rainer Ludwig wehren sich gegen Stigmatisierung. Ludwig saß beim Zahnarzt schon auf dem Behandlungsstuhl und wurde wieder weggeschickt.

Rainer Ludwig hat ein großes Anliegen: Er möchte mit den Vorurteilen rund um eine HIV-Infektion aufräumen. Noch immer erlebt der 69-Jährige Stigmatisierung im Alltag. Rainer Ludwig ist seit 1985 mit HIV infiziert, aber er ist seit rund zehn Jahren nicht mehr infektiös. Das heißt, dass durch die medikamentöse Therapie die Zahl der Viren im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten so gemindert ist, dass das Virus nicht mehr nachweisbar ist. Man spricht dann von einer „Viruslast unter der Nachweisgrenze“. Eine sexuelle Übertragung von HIV etwa ist dann praktisch ausgeschlossen. Dieser Schutz ist dann gegeben, wenn die Viruslast im Blut seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze ist, der Erkrankte seine Medikamente regelmäßig nimmt und sich alle drei Monate ärztlich kontrollieren lässt.

Doch das wüssten die meisten nicht, sind sich Ludwig und Martin Dohmstreich, Leiter der Beratungsstelle Aids-Hilfe Rhein-Sieg in Troisdorf, einig. „Viele Arztpraxen sind beispielsweise nicht ausreichend aufgeklärt und stigmatisieren Patienten mit HIV“, erzählt Dohmstreich. Kürzlich hat Rainer Ludwig so eine Stigmatisierung bei der Suche eines neuen Zahnarztes erfahren. In einer Praxis machte er einen Termin aus. Als er am Telefon sagte, dass er HIV-positiv sei, stornierte die Praxis den Termin.

Vom Zahnarzt weggeschickt

Bei einem anderen Zahnarzt saß er schon auf dem Behandlungsstuhl und wurde dann wieder weggeschickt. Der Sankt Augustiner fragte beide Male nach dem Grund. Die Praxen sagten ihm, sie müssten das Behandlungszimmer nach seiner Behandlung gründlich desinfizieren. Das würde das Zimmer zu lange für andere Patienten außer Betrieb setzen. „Das stimmt einfach nicht. Wenn die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt, können HIV-Patienten wie jeder andere behandelt werden, ohne dass besondere Hygienemaßnahmen nötig sind“, betont Dohmstreich.

Auch bei der Partnersuche sei es schwieriger mit HIV, erzählt Rainer Ludwig. Er gehe offen mit der Infektion um, verschweige sie keinem. Doch in der Regel würden die potenziellen Partner daraufhin von ihm Abstand nehmen und seien nicht mehr an einem näheren Kennenlernen interessiert.

Angst vor HIV-Patienten weiterhin groß

„HIV löst bei vielen eine irrationale Angst aus. Ich würde mir wünschen, dass das nicht mehr so ist und dass eine HIV-Infektion für potenzielle Partner genauso okay wäre, wie jede andere chronische Erkrankung“, sagt Ludwig. Betroffene sollten mit dem Virus endlich umgehen können, wie mit jeder anderen Krankheit auch und sich nicht mehr verstecken müssen. „Mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten, kann man mit HIV alt werden. Die Leistungsfähigkeit im Beruf nimmt nicht ab, und Paare können sogar gesunde Kinder zeugen, wenn die HIV-Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt“, ergänzt Dohmstreich. Natürlich immer mit der Voraussetzung, dass die Patienten die Medikamente regelmäßig nehmen und sich ärztlich kontrollieren lassen. Als Rainer Ludwig 1985 von seiner Infektion erfuhr, gab es noch keine Medikamente. Für ihn sei es damals ein Todesurteil gewesen. Viele seiner ebenfalls infizierten Freunde und sein Partner, den er in einer Selbsthilfegruppe kennenlernte, seien daran gestorben, erzählt der 69-Jährige. Diese damaligen Bilder und Geschichten hielten sich noch immer hartnäckig in den Köpfen der Menschen, sodass die heutigen medizinischen Möglichkeiten für HIV-Patienten kaum bekannt seien, so Berater Dohmstreich. Und so hätten noch viele Angst davor, sich testen zu lassen oder in die Beratungsstelle zu kommen.

Die Aids-Hilfe Rhein-Sieg in Troisdorf macht rund 300 Beratungen im Jahr. Sie bietet eine anonyme Beratung, auch über das Telefon oder online. Sie führt HIV-Tests durch und begleitet Erkrankte in allen Lebenslagen. Die Beratungsstelle vermittelt Kontakte zu HIV-Schwerpunktpraxen in der Region und bietet Selbsthilfeangebote.

Jeden Dienstag von 9.30 bis 12 Uhr bietet die Beratungsstelle an der Hippolytusstraße 48 in Troisdorf eine offene Sprechstunde an. Weitere Informationen gibt es unter www.aids-hilfe-rhein-sieg.de.

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