Wege aus dem Stau Viele Verkehrsprobleme im Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Zwischen Rheinbach und Ruppichteroth gibt es viele Baustellen. Die Verkehrsplaner des Rhein-Sieg-Kreises haben sie im Blick, können aber nicht immer eingreifen.

 Stau auch in der Rheinbacher Innenstadt: Auf der Grabenstraße ist zur Hauptverkehrszeit kaum ein Durchkommen.

Stau auch in der Rheinbacher Innenstadt: Auf der Grabenstraße ist zur Hauptverkehrszeit kaum ein Durchkommen.

Foto: Axel Vogel

Fangen wir mit der guten Nachricht an: Die Region prosperiert. 1990 arbeiteten knapp 21.000 Menschen im Bonner Regierungsviertel, heute sind es mehr als 45.000. Die Folge: Täglich pendeln rund 140.000 Berufstätige nach Bonn, so hält es IT NRW fest. 2015 waren es 131.000. Umgekehrt fahren rund 60.000 Bonner zur Arbeit in die Region. An erster Stelle steht Köln, dicht gefolgt von Sankt Augustin, Troisdorf, Bornheim und Siegburg.

Die schlechte Nachricht: Die Verkehrssysteme wachsen nicht proportional mit. Vor allem auf den Straßen sieht es zu den Hauptstoßzeiten ziemlich mau aus. Die Bonner Straße zwischen den Autobahnanschlussstellen und dem Kreisel vor Siegburg ist dann dicht. Die L331 zwischen Dollendorf und Margarethenhöhe im Abschnitt „Am Dicken Stein“ ist auf Google-Maps tiefrot: Stau. Ein Unfall auf der A3, und das Siebengebirge erstickt im Verkehr. Behinderungen auf der Ortsumgebung Rheinbach und bei Meckenheim sind zu den Hauptverkehrszeiten ebenso sicher. Wenn dann Baustellen sind, wird Autofahren zur echten Qual.

Die L182 zwischen Swisttal-Heimerzheim und Bornheim ist wegen Sanierung komplett gesperrt. Die Folge: Der Verkehr auf der ohnehin stark belasteten B56 nach Bonn wird noch enger. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: „Der aktuelle Stand ist hier, dass die Arbeiten voraussichtlich Ende März abgeschlossen sein sollen – vorbehaltlich eventueller Witterungseinflüsse“, sagt Tobias Zoporowski von Straßen NRW.

Bauarbeiten sind Grund für zahlreiche Staus

Es genügt ein Blick auf die Verkehrslage auf Google-Maps, um zu sehen, wo die nervigsten Engstellen im rechtsrheinischen Kreis sind. Die A3 ist zwischen Lohmar und Niederpleis aufgrund von Bauarbeiten dicht, auf dem Abschnitt der  A59 und A560 bis zur Abfahrt zur B56 fährt Blech an Blech. Autofahrer auf der Buchholzer Straße (B8) in Hennef sind ebenso gekniffen, wie die Verkehrsteilnehmer an der Kreuzung Siegburger Straße/Schloßstraße in Allner oder auf der B8 zwischen Bonner Straße und Spich in Troisdorf.

In Sankt Augustin ist die B56 zu den Stoßzeiten ein Nadelöhr: Die Kreuzung zur Arnold-Janssen-Straße ist dann oft ebenso zäh zu überqueren wie der Abschnitt in Höhe Hangelars, was den Schleichverkehr verstärkt. Tatsächlich arbeiten die Städte Sankt Augustin und Bonn sowie der Landesbetrieb Straßen NRW daran, die bei Vilich-Müldorf abrupt wieder einspurig werdende B56 auszubauen und in einen Kreisel an der Stadtgrenze fließen zu lassen. „Es gibt mehrere Alternativen, aber noch kein Ergebnis“, heißt es.

Koordinierung und Zuständigkeiten: Es gibt jede Menge Einzelmaßnahmen, jede Menge offener Projekte, die irgendwie nicht koordiniert scheinen. „Baustellen führen immer zu Verkehrsbeeinträchtigungen“, sagt André Berbuir, Fachbereichsleiter Verkehr und Mobilität bei der Kreiswirtschaftsförderung. Aber immerhin gebe es mit der Plattform „TIC“ (Traffic Information Center) ein Tool, mit dem sich planbare Maßnahmen besser abstimmen ließen. Da sitzen dann Verantwortliche aus Kommunen, Kreisen, Verkehrsträgern und Baulastträgern zusammen. „Wenn dann natürlich das Grünflächenamt beschließt, auf einer gerade ausgewiesenen Umleitungsstrecke Grünpflegearbeiten durchzuführen, kann die beste Abstimmung wie ein Kartenhaus zusammenfallen“, sagt Christoph Paßgang, Abteilungsleiter Verkehrssicherung im Straßenverkehrsamt. „Der Rhein-Sieg-Kreis ist aber aktives Mitglied der von Straßen NRW geschaffenen Dialog-Foren. In diesem Rahmen können Bedenken platziert, aber auch wichtige Informationen ausgetauscht werden“, so Berbuir. Warum gibt es also keinen allgemeinen Verkehrsentwicklungsplan für den Kreis? „Wir haben in ganz vielen Projekten keine Aktien drin“, sagt Berbuir. Wenn es um Straßenbau geht, sind entweder der Bund, die Bezirksregierung, das Land und/oder die Kommunen zuständig. „Die Einflussnahme des Kreises entzieht sich zu 99 Prozent“, so der Nahverkehrsexperte. „Einzig beim Erhalt und Neubau von Kreisstraßen hat der Kreis das Zepter direkt in der Hand“, sagt er.

■ „Über Bebauungsplanverfahren kann sich der Kreis natürlich auch einbringen“, so Paßgang. Auch bei anderen größeren Vorhaben könne er einwirken, wenn er schwierige verkehrliche Wechselwirkungen befürchte. Bei den Kreisverkehren in Sankt Augustin-Niederpleis (Richtung Autobahnanschlussstellen) oder am Huma und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sei er mit seiner Abteilung involviert gewesen.

Stellschrauben: Es gibt Möglichkeiten, den Verkehrsfluss zu optimieren, meint Berbuir. So hat die Stadt Sankt Augustin etwa 2019 den Verkehrsfluss auf der B 56/Bonner Straße zwischen Siegburg und Bonn über eine komplett neue Steuerung der Ampeln „merklich verbessert“.

Berbuir: „Die bestehenden Stellschrauben werden also durchaus genutzt, um den Verkehrsfluss zu optimieren. Größeren Kapazitätsengpässen kann man hiermit natürlich nicht begegnen. Hierzu bedarf es einer Entzerrung des Verkehrs, sowohl zeitlich betrachtet als auch was die Wahl des Verkehrsmittels angeht.“

Über Jahrzehnte sei die Verkehrsinfrastruktur vernachlässigt worden, gibt er zu. Erst in den vergangenen Jahren habe ein Umdenken eingesetzt. So gebe es für die Infrastruktur der Autobahn zahlreiche Planungen zur Erweiterung. Aber man könne nicht alle Verkehrsprobleme mit dem Ausbau von Straßen beseitigen. Dazu gehöre attraktiver und leistungsfähiger ÖPNV.

Öffentlicher Personennahverkehr: Hauptsächlich Einfluss nehmen kann der Kreis vor allem bei der Gestaltung des ÖPNV. Als sogenannter Aufgabenträger hat er mit dem Nahverkehrsplan „das Heft des Handelns in der Hand“, so Berbuir. Und da sei in den vergangenen Jahren auch eine Menge geschehen: 2011 fuhren die Busse im Rhein-Sieg-Kreis rund 13,3 Millionen Wagenkilometer (Wkm), 2018 waren es schon 15,6 Millionen. Bei den Stadtbahnen blieb es bei den jährlich 2,6 Millionen Wagenkilometern – es wurde nichts ausgeweitet.

Taktverdichtungen: Seit August 2019 gibt es eine Taktverdichtung auf der Linie 16 und es wurde ein Nachtverkehr eingeführt. Seit Dezember 2019 fährt die Linie 18 in den sogenannten Schwachverkehrszeiten häufiger. Und der Kreis ist mit den entsprechenden Stellen im engen Kontakt, die Strecke durchgehend zweigleisig auszubauen, sagt Berbuir. Außerdem werde ja ab 2023 der Takt auf der Linie der Stadtbahn 66 zwischen Siegburg und Bonn auf fünf Minuten erhöht.

■ Lead City: Im Rahmen des Bundesförderungsprojektes „Lead City“ wurden ab August 2019 Buseinsätze erhöht. Die RSVG (rechtsrheinisch) steigert ihre Wagenkilometer um 740 000, die RVK (linksrheinisch) um 570 000. „Eine Evaluierung steht bevor, die Ergebnisse werden wir dem Kreisplanungsausschuss voraussichtlich im Frühjahr vorstellen“, kündigt Berbuir an. Er weist darauf hin, dass man zurzeit in Planung für fünf Schnellbuslinien im ländlichen Raum sei.

■ Rheinquerung: Mit Sorge verfolge der Kreis die Diskussion um die Rheinspange. Wie berichtet, fordern immer mehr Akteure eine Tunnellösung als Verbindung zwischen Köln oder Wesseling und Niederkassel oder Langel. Das, so Berbuir, würde die geplante Rheinuferbahnstrecke zwischen Beuel, Niederkassel, Langel und Köln Hauptbahnhof zunichte machen. „So, wie wir zurzeit planen ist eine Förderquote der neuen Bahnlinie durch den Bund zu 95 Prozent realistisch“, sagt Berbuir. Aber eine Tunnellösung wäre derart teuer, dass die erforderliche standardisierte Bewertung nicht den nötigen Kosten-Nutzen-Anforderungen standhalten würde.

■ Radwege und P&R: Berbuir und Paßgang verweisen auf weitere Aufgabenpakete, mit denen sie befasst sind. Etwa der Bau von Radwegen oder die Einrichtung von Park & Ride-Anlagen, in enger Abstimmung mit den betroffenen Kommunen. Auch dabei gebe es Diskussionsbedarf. „Wenn Rheinbacher nach Meckenheim fahren, um einen günstigeren Tarif für die Bahn zu kaufen, dann wird es schwer festzustellen, wie viele P&R-Plätze tatsächlich ausschließlich positiv für die Verknüpfung von Pkw und ÖPNV genutzt werden“, so Berbuir. Zahlreiche Projekte für Radschnellwege und sogenannte Rad-Pendler-Routen seien schon entwickelt worden, so wie die Route Bornheim-Alfter-Bonn. Oft gebe es zu lange Planungsphasen, vor allem der Grunderwerb verzögere und verhindere viele Projekte.

Für manche Engpässe wird es wohl keine Lösung geben: Der Kreisel Siegburg ist zu klein für die aufkommenden Verkehre – und es gibt keinen Platz, um ihn auszubauen. Der Versuch, den Verkehr zu entzerren, indem man an der Ausfahrt der A560 zur Bonner Straße den Hinweis auf Siegburg strich, ist bekanntlich gescheitert.

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