Kostbarkeiten aus Glas Ehepaar untersucht Siegburger Reliquienschreine

Siegburg · Die frühere Stadtarchivarin Andrea Korte-Böger und ihr Mann, der Mineraloge Bernhard Böger, haben die vier Schreine in der Siegburger Schatzkammer unter die Lupe genommen. Ihre Bestandsaufnahme des funkelnden Zierrats bringt Überraschendes zum Vorschein.

 Kostbarkeiten hinter Glas: Andrea Korte-Böger am Benignusschrein. Mit ihrem Mann Bernhard Böger untersucht und katalogisiert sie den Schmuck an den vier Siegburger Reliquienschreinen.

Kostbarkeiten hinter Glas: Andrea Korte-Böger am Benignusschrein. Mit ihrem Mann Bernhard Böger untersucht und katalogisiert sie den Schmuck an den vier Siegburger Reliquienschreinen.

Foto: Nadine Quadt

Begutachtung durch das Vitrinenglas

Die Idee, einmal den Fokus auf die Schmucksteine zu legen, sei eher spontan entstanden, sagt Andrea Korte Böger. Mit einer Punkttaschenlampe und Papier bewaffnet, ist sie mit ihrem Mann, der als Gemmologe Experte für Schmucksteine ist, seit Herbst regelmäßig in der Schatzkammer, um Stein für Stein in Augenschein zu nehmen, einzuordnen und handschriftlich zu listen. Begutachten können sie sie nur durch die Scheiben der klimatisierten Vitrinen hindurch.

Smaragde und Rubine waren noch unbekannt

„Wir haben bislang 229 Schmucksteine erfasst“, sagt Korte-Böger. Das sei höchstens ein Drittel aller an den vier Schreinen angebrachten Steine, verdeutlicht sie die Dimension ihrer selbst gewählten Aufgabe. Das bisherige Ergebnis ihrer Untersuchungen hat sie unlängst bei einer Führung für das Katholische Bildungswerk vorgestellt.

„Die Schreine sind zwischen der zweiten Hälfte des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden“, sagt die Historikerin. Damals habe man Edelsteine wie Saphire, Smaragde oder Rubine hierzulande noch gar nicht gekannt. „Zudem hätte man sie gar nicht bearbeiten können“, so Korte-Böger. Das erkläre, warum überwiegend Quarze die Reliquienschreine schmücken.

Einige Steine wurden von Gläubigen gestiftet

„Es ist ein Phänomen, dass wir nicht genau wissen, wo die Materialien herkommen“, sagt Korte Böger. Das gelte für die Steine, aber auch für die Emaillearbeiten. Zunftbriefe, die die verschiedenen Arbeiten dokumentieren, seien erst später, im 14. Jahrhundert, etabliert worden. „Es muss aber für jeden Schrein einen Entwurf gegeben haben“, ist sich Korte-Böger sicher. Damit hätten auch die benötigten Schmucksteine, Kunstschmiede- und Emaillearbeiten im Vorfeld festgelegen.

Auch wenn sie nicht von großem materiellen Wert sind, Andrea Korte-Böger kann spannende Geschichten über die Steine erzählen, die sie und ihr Mann bereits erfassten. Im Lichtstrahl ihrer Punktlampe funkelt etwa ein Quarzstein, der bei genauerem Hinsehen ein besonderes Kennzeichen trägt. „Er hat eine Bohrung.“ Das sei ein Indiz dafür, dass er einst Teil einer Kette war. „Er wurde vermutlich gespendet“, sagt die frühere Stadtarchivarin.

Das gelte auch für gravierte oder gefasste Steine, die sich an den Schreinen finden. Oder den „Hund“, der auf gleich zwei Steinen am Mauritius- und Honratusschrein zu entdecken ist und einst vermutlich einen Ring geziert hat.

Stiftungen für das eigene Seelenheil

„Stiftungen für das eigene Seelenheil waren früher üblich.“ Korte-Böger spricht auch über die Symbolik der Steine. „Der Bergkristall steht etwa für die Taufe und die Glaubensfestigkeit.“ Ein grüner Stein sei ein Symbol für das Leben, ein roter für Liebe und Blut.

„Schreine waren früher heilige Gegenstände des Gebrauchs“, sagt Andrea Korte-Böger. Die mit Goldblech beschlagenen und mit Schmucksteinen verzierten Holzkisten seien bei Prozessionen durch die Städte getragen worden. Das erkläre auch, warum mitunter Edelsteine verloren gingen und durch Glas ersetzt werden mussten.

Das Paar untersucht derzeit den Reliquienschrein der Heiligen Mauritius und Innocentius

Korte-Böger leuchtet den Mittelstein im Giebel des Honoratusschreins an und deutet auf die verdrückte Fassung. „Daran ist zu erkennen, dass der ursprüngliche Stein durch Glas ersetzt wurde“, erklärt sie. Folien unter solchen Glassteinen erzeugten die gewünschten Farben.

Am Benignus- und am Honoratusschrein hat das forschende Paar bereits alle Steine aufgelistet. Momentan untersucht es den Reliquienschrein der Heiligen Mauritius und Innocentius. „Die Bergkristalle auf dem Dach und in den Giebelkämmen haben wir erfasst und nun mit dem Westgiebel begonnen“, erklärt Andrea Korte-Böger.

Den bekanntesten der vier Schreine wollen sie und ihr Mann sich bis zum Schluss aufheben: Den von Nikolaus von Verdun gebauten Schrein, in dem die Gebeine des früheren Kölner Erzbischofs Anno II. ruhen, dem Gründer der Siegburger Abtei.

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