Goldschmiedin in Siegburg Zwischen Kunst und filigranem Handwerk

SIEGBURG · Eine weitere Folge unserer Serie "Eine Stunde mit...". Die Siegburger Goldschmiedin Ulrike Winterscheid hatte schon als Kind nie einen anderen Berufswunsch und arbeitet seit zehn Jahren in Siegburg.

 In ihrer Siegburger Werkstatt: die Goldschmiedin Ulrike Winterscheid.

In ihrer Siegburger Werkstatt: die Goldschmiedin Ulrike Winterscheid.

Foto: Holger Arndt

Vorsichtig feilt Ulrike Winterscheid mit der Dreikantfeile eine dünne Kerbe in den schmalen Goldblechstreifen. Immer wieder unterbricht sie ihre Arbeit, kontrolliert die gefeilte Kerbe und reinigt mit einem Pinsel das dünne Metall und ihren Arbeitsplatz. Die kleine Werkstatt im hinteren Teil des Siegburger Ladens wirkt überraschend aufgeräumt: Der kleine Holztisch ist sauber, und die vielen Werkzeuge stehen alle ordentlich an ihrem Platz. „Normalerweise sieht es hier viel unordentlicher aus. Aber ich wusste ja, dass hier heute auch ein Foto geschossen werden muss“, sagt die 47-Jährige und lacht.

Die abgewischten Reste, oft nur staubkorngroße Späne, fallen in das „Fell“, einem zwischen dem Tisch und der Goldschmiedin eingespannten Lederüberwurf. So können die abgefeilten Goldreste am Abend recycelt werden, das Material ist schließlich teuer. Ganz langsam biegt Winterscheid den Goldblechstreifen an der Einkerbung. Ohne den eingefeilten Einschnitt könnte das Metall dabei leicht brechen. Der kleine Goldblechstreifen soll später einmal Teil eines Anhängers werden, den die Goldschmiedin zusammen mit einem Kunden für dessen Frau entworfen hat.

Zwölf Stunden Arbeit und etwa 2000 Euro kostet die Herstellung eines solchen individuellen Einzelstückes. „Als Goldschmiedin beschäftigt man sich natürlich auch viel mit Reparaturen und Umarbeitungen, aber so eine individuelle Anfertigung macht am meisten Spaß. Hier vermischen sich Kreativität und Handwerk“, so Winterscheid.

Das Schmuckstück, das die Goldschmiedin zusammen mit ihrem Kunden entworfen hat, ist ein in zwei Teile gegliederter Kettenanhänger aus 750er Gelbgold. Der größere, untere Teil des Anhängers fasst eine große Mabéperle, die von vier Krappen gehalten wird. Den kleineren, oberen Teil des Anhängers ziert ein grüner Turmalin, der von kleinen Brillanten umrahmt wird. An diesen Teil soll der kleine Goldblechstreifen angebracht werden. Damit soll sich der Anhänger später einmal an einem Band aufhängen lassen.

Sobald die Goldschmiedin mit der Biegung des Metalles zufrieden ist, muss die Einkerbung gelötet werden, damit sie sich bei der späteren Bearbeitung nicht weiter verbiegt. „Es gab für mich auch als Kind nie einen anderen Berufswunsch als Goldschmiedin“, erinnert sie sich, während sie das Lötmittel auf die Kerbe aufträgt. „Mein Onkel hatte eine Goldschmiedewerkstatt in Greifswald. Nach dem ersten Besuch dort war ich sofort begeistert, und dort habe ich nach der Schule dann auch meine Ausbildung gemacht.“

Heute arbeitet Ulrike Winterscheid nur noch selten selber in ihrer Werkstatt. Meistens ist sie oben im Büro oder vorne im Ladenbereich. Seit 1997 hat sie zusammen mit ihrem Mann Ralf ihr eigenes Geschäft. Der gelernte Feinmechaniker übernimmt vor allem die Arbeiten im Verkauf, im Büro und an der Laser-Gravur. Seit zehn Jahren arbeitet das Ehepaar nun gemeinsam in Siegburg.

Behutsam schwenkt die Goldschmiedin die blaue Flamme über das Lötmittel. „Das Flussmittel und das Schmuckstück dürfen nur langsam erwärmt werden, damit keine Blasen entstehen. Daher wedel ich mit der Flamme nur ganz leicht über das Metall. Jeder Goldschmied hat hierbei seine eigene Vorgehensweise“, erklärt Winterscheid. Nach und nach verfärbt sich der dünne Streifen, bis er schließlich gänzlich rot glüht. Mit einer Zange greift die Goldschmiedin vorsichtig das glühend heiße Schmuckstück und hält es zum Abschrecken ins Wasser, anschließend kommt der Streifen in die Beize. Dort wird das dünne Metal nach dem Löten gereinigt. Mit einer Juwelierslupe prüft Ulrike Winterscheid kritisch die gelötete Stelle. „Die verschiedenen Teile müssen perfekt aneinander passen. Daher muss jeder Arbeitsschritt immer wieder kontrolliert und wenn nötig nachgebessert werden“, so die Goldschmiedin. Auch wenn sie nur noch selten in ihrer Werkstatt arbeitet, sitzt jeder Handgriff. Hin und wieder sucht sie jedoch das ein oder andere Werkzeug. „Das muss die Kollegin. die sonst an diesem Platz arbeitet, weggelegt haben“, sagt sie entschuldigend.

Erneut greift sie zur Feile, um überstehendes Lot zu entfernen. Erst wenn die Arbeiten an den Goldrahmen beendet sind, beschäftigt sich die 47-Jährige mit der Perle und den Steinen. Besonders die Mabéperle muss mit großer Sorgfalt in das Stück eingefasst werden, damit sie nicht beschädigt wird. Die kleinen Brillanten im oberen Teil sollen mit der Körnerfassung in das Schmuckstück eingearbeitet werden. Dafür gibt Ulrike Winterscheid das Schmuckstück vor der Fertigung an einen Edelsteinfasser. „Das Verfahren ist sehr aufwendig und schwierig. Auch Goldschmiede lernen es im Laufe ihrer Ausbildung, aber Fasser sind dabei einfach routinierter“, so die Goldschmiedin. Der Kunde erwartet schließlich für sein Geld Perfektion, und mit nichts weniger würde sich Ulrike Winterscheid zufrieden geben.

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