Männergesangvereine "Wir strampeln uns alle ab"

Region · Nach 147 Jahren macht der Männergesangverein (MGV) Sängerlust aus Mülldorf im Oktober Schluss. Über die Situation der Männergesangvereine in Sankt Augustin sprach Matthias Hendorf mit Helmut Schwermer. Er ist in der Region in mehreren Vereinen aktiv.

 Premierenauftritt: Ihr erstes eigenes Konzert gaben die Söhne Mendens im Juni des Jahres. Sie gelten als Vorzeigeprojekt in Sankt Augustin.

Premierenauftritt: Ihr erstes eigenes Konzert gaben die Söhne Mendens im Juni des Jahres. Sie gelten als Vorzeigeprojekt in Sankt Augustin.

Foto: Kieras

Nach 147 Jahren macht der Männergesangverein (MGV) Sängerlust aus Mülldorf im Oktober Schluss. Der Chor hat nicht mehr genug Mitglieder, zudem sind die verbliebenen zu alt. Helmut Schwermer singt für den Männergesangverein Frisch Auf Meindorf und für den Troisdorfer Männerchor. Zudem leitet er die Gruppe Sankt Augustin im Chorverband Rhein-Sieg. Über die Situation der Männergesangvereine in Sankt Augustin sprach Matthias Hendorf mit Helmut Schwermer.

Herr Schwermer, vielerorts hört man, dass Männerchöre aussterben. Wie sieht es in Sankt Augustin aus?
HelmutSchwermer: Auch hier sieht es an manchen Stellen nicht gut aus, das zeigt ja auch das Beispiel Mülldorf.

Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren geändert?
Schwermer: Allgemein kann man sagen: Die Chöre werden immer älter. Ich ehre in Sankt Augustin ja langjährige Mitglieder, und da muss man sagen: 25 Jahre sind fast schon eine kurze Zeit. 60 Jahre Mitgliedschaft sind keine Seltenheit. Im Umkehrschluss heißt das: Diese Männer sind fast 80 Jahre alt. Die Chöre überaltern. Von den Jüngeren, also den 40- bis 60-Jährigen, kommt nichts nach.

Wie kann man diese Altersgruppe zum Singen im MGV bewegen?
Schwermer: Das ist die große Frage. In Troisdorf haben wir schon mal einen 25-Euro-Gutschein im Restaurant auf Burg Wissem versprochen, wenn ein Interessent nur einmal die Probe besucht. Es kam nicht ein einziger.

Und die Enttäuschung ist groß?
Schwermer: Ja. Wir strampeln uns alle ab, um Leute für uns zu gewinnen.

Was gibt es für Überlegungen?
Schwermer: Etwa, dass wir auf modernere Lieder zurückgreifen, die die Jugend ansprechen. Jugend meint hier die 30- bis 50-Jährigen.

Was wären das für Lieder?
Schwermer: Zum Beispiel englisches Liedgut. Aber das ist gerade bei den älteren Sängern nicht so beliebt, weil die Sprache früher in der Schule nicht gelernt wurde. Die Männer wollen diese Lieder dann oftmals nicht singen.

Sehen Sie auch eine Gefahr, wenn die Männergesangvereine vermehrt auf modernere Lieder zurückgreifen?
Schwermer: Ja, das traditionelle Liedgut könnte dann verloren gehen.

Und die Chancen?
Schwermer: Das sieht man ja bei den Söhnen Mendens, die beispielsweise auch kölsche Lieder singen. Das kommt gut an bei jüngeren Sängern - und auch beim Publikum. Aber nicht alle älteren Sänger wollen das machen.

[kein Linktext vorhanden]Vielerorts lautet die Lösung: weg vom Männerchor, hin zum Gemischten Chor. Ist es das Allheilmittel?
Schwermer: Nein, ist es nicht. Dann sagen nämlich manchmal direkt zehn Männer: Dann kommen wir nicht mehr. So einfach ist das alles nicht. Und es gibt auch unter den Stadtteilen noch alte Rivalitäten, aber das wird zunehmend weniger.

Auch Gospelchöre kommen vermehrt auf, oder?
Schwermer: Ja, die haben viel Zuspruch, weil es etwas flotter ist. Das ist aber eine ganz andere Musik, ein ganz anderes Liedgut. Aber als Männergesangverein wollen wir unser Liedgut pflegen.

Wüssten Sie weitere Lösungen?
Schwermer: Vielleicht wäre es möglich, dass die Chöre sich untereinander mit Sängern aushelfen. Also vor Auftritten gemeinsam proben, insgesamt flexibler sein. Das gibt es auch schon.

Aber Singen wird immer ein Bestandteil der Gesellschaft sein?
Schwermer: Ja, das wird es.

Und der Männergesangverein?
Schwermer: Ja, der wird auch bestehen bleiben, würde ich sagen.

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