Erneuerbare Energien im Rhein-Sieg-Kreis Wasserkraft gilt in der Region als Exot

Rhein-Sieg-Kreis · Wenn es um erneuerbare Energien geht, dann spielt im Rhein-Sieg-Kreis die Wasserkraft eine untergeordnete Rolle. Das will der Energie-Kompetenzkreis Bonn/Rhein-Sieg ändern. Ein Besuch in Schladern, wo eines der wenigen Wasserkraftwerk in Betrieb ist.

 Die Teilnehmer der Exkursion am Schladerner Wasserfall.

Die Teilnehmer der Exkursion am Schladerner Wasserfall.

Foto: Ingo Eisner

Obwohl die Sieg vor der Staumauer in Windeck-Schladern schon seit etwa zwei Wochen von einer Eisschicht bedeckt ist, rauscht das Wasser nur wenige Meter weiter den Siegfall und die anschließende Fischtreppe hinunter wie eh und je. Hier können Spaziergänger die Kraft des Wassers erahnen, auch wenn nur wenige wirklich um sie wissen. Mehr darüber erfuhren am Freitagnachmittag die Teilnehmer der Exkursion „Wasserkraft – Vergessene Potenziale in unserer Region?“, organisiert vom Energie-Kompetenzkreis Bonn/Rhein-Sieg. Bei der Nutzung erneuerbarer Energien im Rhein-Sieg-Kreis spielt die Wasserkraft eine völlig untergeordnete Rolle, anders als Sonnenergie oder Geothermie.

Gleich neben dem Ausgang der rund 80 Meter langen Stollen, die unmerklich einen Teil des Siegwassers ableiten und über ein Gefälle von rund sechs Metern für die Stromgewinnung nutzbar machen, erzählte Arndt Schäfer von der Firma Ascem, die ihren Sitz auf dem Gelände der ehemaligen Rohrzieherei Kabelmetal hat, vom Ursprung der Wasserkraft in Schladern. Für den Bau der Eisenbahnstrecke von Köln nach Gießen 1857 bis 1859 wurde der ursprüngliche Verlauf der Sieg durch die Sprengung mehrerer Felsen umgeleitet. So entstand der heutige Siegwasserfall. „Der neu gewonnene Wasserantrieb wurde zur Stromerzeugung genutzt, um den Standort attraktiver zu machen“, erklärte Arndt.

Allerdings konnte der Strom zunächst nicht ins Netz eingespeist werden, „da einfach kein Netz da war, in das man ihn hätte einspeisen können“, so der Unternehmer. Das wurde erst in den 1950er Jahren möglich: Rund 60 Jahre nachdem sich die englische Metallwarenfabrik Elmores am Wasserfall angesiedelt hatte, nahm sie die zwei Turbinen samt Generatoren in Betrieb, die auch heute noch aktiv sind und gemeinsam rund 600 Kilowatt erzeugen. „600 Kilowatt, lohnt sich das überhaupt?“, fragte ein Exkursionsteilnehmer skeptisch. Ja, meinte Horst Behr, Vorsitzender des Energie-Kompetenzkreises Bonn/Rhein-Sieg: „Die Wasserkraft ist eine regenerative Energie, deren Potenziale man unbedingt ausschöpfen sollte.“ Der Schlüssel zum Erfolg sei die Dezentralität. Laut Behr solle man das Potenzial dort nutzen, wo es vorhanden ist und mit kleineren, lokalen Standorten die direkte Region versorgen. Als Gegenbeispiel nannte er das brasilianisch-paraguayische Wasserkraftwerk Itaipú, das rund 65 Prozent ganz Brasiliens mit Strom versorgt. „Das Problem an solchen künstlich angelegten großen Stauseen ist“, erklärte der Fachmann, „dass die ursprüngliche Vegetation unter Wasser abstirbt und durch den Verwesungsprozess ein enormer CO²-Gehalt in das Wasser gelangt.“

Seit dem Ende der Rohrzieherei Kabelmetal steht ein Großteil der ehemaligen Fabrikanlage leer. Die Turbinen jedoch laufen unermüdlich weiter, inzwischen weitestgehend ferngesteuert per Computer. Die notwendige Wartung vor Ort übernimmt inzwischen seit 40 Jahren Paul Kolb aus Dattenfeld. Zurzeit macht ihm das Eis auf der Sieg zu schaffen, weil dadurch nur wenig Wasser die Turbinen erreicht. „Trotzdem ist es bisher das erste Jahr, in dem ich wenigstens eine der Turbinen durchweg am Laufen halten konnte“, so Kolb.

Ein weiteres kleines Wasserkraftwerk im Rhein-Sieg-Kreis lernten die Teilnehmer der Exkursion auf der Burg Herrnstein in Ruppichteroth kennen. Dort wurde nach rund 18 Monaten Bauzeit erst im September eine sogenannte doppelt gesteuerte Kaplanturbine in Betrieb genommen, die mithilfe der Bröl eine Leistung von rund 45 Kilowatt erzeugt. Neben den Wasserkraftwerken in Schladern und Ruppichteroth gibt es im Rhein-Sieg-Kreis nur wenige weitere. „Da ist der Kreis leider etwas hinterher“, findet Horst Behr. Der Energie-Kompetenzkreis wolle eine Diskussion und „möglicherweise ein Umdenken anregen“.

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