Prozess in Bonn Siegburgerin stach ihrem Vater mit Messer ins Herz

Bonn/Siegburg · Eine psychisch kranke 18-jährige Siegburgerin muss sich vor dem Bonner Jugendschwurgericht wegen versuchten Totschlags verantworten. Der 46-jährige Vater überlebte seine lebensgefährliche Verletzung nur knapp.

„Ich liebe meinen Vater sehr. Wir sind fies im Streit, vertragen uns aber wieder schnell.“ Ayla F. (Name geändert) wurde am Dienstag nicht müde, die Liebe zu ihrem Vater und zu ihrer Mutter zu beteuern. Denn was am 2. April in der Familienwohnung in Siegburg geschah, ist der 18-jährigen, psychisch kranken jungen Frau selber nicht geheuer. In einem furchtbaren Streit mit den Eltern hatte sie den Vater mit einem Brotmesser bedroht – und schließlich zugestochen. Mitten ins Herz. Das Geschrei war groß. Ayla F. und ihre Mutter drückten Handtücher auf die stark blutende Wunde. „Bitte stirb nicht“, flehte sie den Vater an und streichelte ihn.

Der große Mann, der sich das Messer selber herausgezogen hatte, überlebte nur knapp. Als er in der Klinik ankam, hatte er bereits fünf Liter Blut verloren. Er wurde durch eine Notoperation gerettet. Vor dem Bonner Jugendschwurgericht muss sich Ayla F. jetzt wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. „Es war ein vollkommener Blackout“, gestand die Schülerin im Prozess, „mir unbegreiflich“. Auslöser an diesem Tag waren – Ayla F. hatte gerade geduscht, um ins Kino zu gehen, – die Striemen auf ihrem Rücken, welche die Mutter erstmals entdeckt hatte.

Entsetzen bei den Eltern

Die Angeklagte, die offenbar länger schon mit fremden Stimmen zu kämpfen hatte („ein Dämon, der mich aufgefordert hat, die Eltern umzubringen, damit es mir besser geht“) und sich auch mit Rasierklingen oder Reißzwecken selbst verletzte, hatte sich in ihrer Not aus „therapeutischen Gründen“, wie sie berichtete, einer Sadomaso-Gruppe angeschlossen, um sich gegen das Böse in ihr auspeitschen zu lassen.

Die Eltern reagierten entsetzt: Die Mutter stand unter Schock, der Vater rastete komplett aus, versetzte ihr mehrere Ohrfeigen. „Du bist nicht mehr meine Tochter“, soll er gebrüllt haben. „Ruf die Polizei, dass sie Dich abgeholt.“ Auch Ayla F. nutzte „starke Worte“: Der Vater solle in der Hölle schmoren, soll sie getobt haben. „Ihr seid nicht meine Eltern. Ich hasse euch.“

Was dann geschah, berichtete der 46-jährige Vater am Dienstag als Zeuge und entlastete damit seine Tochter. „Ich war sehr sauer. Schließlich habe ich sie aufgefordert, mich umzubringen. Ich dachte, ich würde ihr damit helfen, zur Besinnung zu kommen.“ Das Gegenteil geschah. So forderte er die Tochter auf, ein Messer zu holen. Als sie damit vor ihm gestanden habe, habe er sie gepackt, geschüttelt und provoziert: „Stich zu, stich doch zu. Du bist ein Feigling. Du traust Dich ja nicht.“ Dann habe sie tatsächlich zugestochen. „Kein Wunder“, sagte der 46-Jährige „Ich habe sie auf 200 gebracht.“ Dennoch habe er nicht geglaubt, dass sie es wirklich tut. „Ein Ritz vielleicht, aber mehr nicht.“

Angeklagte stellte sich selbst

Noch am Tatort hatte der Vater versucht, seine Tochter aus allem rauszuhalten, sie zu schützen: Der Polizei erzählte er, dass er Obst geschnitten habe und aus Versehen aufs Messer gestürzt sei. Aber Ayla F. stellte sich selbst. „Wenn ihm was passiert wäre, ich hätte damit nicht leben können.“

Die Angeklagte ist trotz Borderline-Störung schuldfähig, heißt es in einem psychiatrischen Gutachten, wenn auch eingeschränkt. Gefährlich für die Allgemeinheit sei sie nicht. Der fast tödliche Messerangriff sei in einem emotional aufgeladenen Umfeld geschehen. Vor drei Wochen konnte Ayla F. – nach Monaten in der Psychiatrie – in eine betreute Wohneinrichtung ziehen. Sie hofft, dort ihre schweren Probleme in den Griff zu bekommen.

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