Bummelstudent Siegburger macht Diplom nach 63 Semestern

Köln/Siegburg · Den Uni-Abschluss mit Mitte 20 in der Tasche? Nein, danke. Viele Studenten wollen sich an der Hochschule nicht stressen lassen. Werner Kahmann ist mit 63 Semestern aber eine Ausnahme unter den „Bummelstudenten“.

 Werner Kahmann mit seinem Uni-Ausweis von 1973.

Werner Kahmann mit seinem Uni-Ausweis von 1973.

Foto: dpa

Als Werner Kahmann sein Studium begann,wurde in der Mensa noch mit D-Mark bezahlt. Statt Studiengebühren gabes noch Hörerbeiträge - und der marxistische Studentenbund verteilteFlugblätter. „Bachelor“ und „Master“ waren nichts als Vokabeln ausdem Englisch-Buch. Doch jetzt ist Schluss mit Uni: Nach 63 Semesternund mit 61 Jahren hat der Mann aus Siegburg in diesem Jahr seinIngenieursstudium abgeschlossen. „Und bei der mündlichen Prüfung habeich die erste Powerpoint-Präsentation meines Lebens gehalten.“

Während des Studiums hat Kahmann weiter in Siegburg gewohnt. EinFehler, sagt er heute. Aber in Siegburg hatte er seine Wohnung, seineFreundin, den Fußballverein - und den Kegelclub. Das alles war ihmsehr wichtig. „Wenn es dann freitags beim Kegeln spät wurde, hatte essich mit der Vorlesung am Samstag erledigt, und wenn Sonntags Fußballwar, dann hatte es sich auch am Montag erledigt“, sagt der ehemaligeBummelstudent.

Die Konsequenz: Seine Studienfreunde zogen an Kahmann vorbei. DieKommilitonen hatten schlichtweg mehr Kurse belegt, mehrLeistungsscheine erarbeitet und irgendwann das Diplom in der Tasche.Gemütlich sei er gewesen, faul aber nicht, sagt Kahmann.

Die Einführung von Bachelor und Master hat das Studium inDeutschland schneller gemacht. Die Folge: Viele Hochschüler mit demZiel Magister, Diplom oder Staatsexamen müssen sich Beinamen wie„Bummelstudent“ und „Dinosaurier“ gefallen lassen. Weil ihreStudiengänge auslaufen und dem straffer organisierten Bachelor- undMaster-Studium Platz machen, hat für sie jetzt aber ein Wettlaufgegen die Zeit begonnen.

Wie viele Semester den Alt-Studenten bis zur Prüfung noch bleiben,gibt im Prinzip das NRW-Ministerium für Wissenschaft vor:„Regelstudienzeit plus vier Semester“, heißt es dort. Bundesweithaben derzeit mehr als eine halbe Million Studenten noch Magister,Diplom oder Staatsexamen im Studienbuch stehen, heißt es beimStatistischen Bundesamt. Darunter fallen auch Juristen und Mediziner,die vorerst keine Umstellung auf Bachelor und Master fürchten müssen.Viele Studenten fühlten sich aber unter Druck gesetzt, sagt CordulaMeier, Studienberaterin der Düsseldorfer Hochschule.

Im Wintersemester 1973 ging es da deutlich gemächlicher zu. Damalsstartete Werner Kahmann ins Studentenleben. „TechnischeGebäudeausrüstung“ hieß der Studiengang, den er mit 27 Kommilitonenan der Fachhochschule Köln begann. Bereits während der erstenSemester hat er für Baufirmen gearbeitet. Als Bauleiter koordinierteer Bauprojekte und leitete Ingenieurteams – ohne selber denIngenieurstitel zu tragen. „Nach einem Titel hat mich niemandgefragt. Ich habe mich nie irgendwo bewerben müssen, bin immer durchMundpropaganda weitergereicht worden.“ Kurse an der Uni belegte erdeshalb kaum noch, aber eingeschrieben blieb er die gesamte Zeit.Dann kamen im Wintersemester 2004 die Studiengebühren und Kahmanndachte sich: „Das mache ich nicht mehr mit.“

Also ging er noch einmal an die Fachhochschule. Das Ziel: fertigwerden. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, hat schon meine Omaimmer gesagt.“ Die alten, vergilbten Leistungsscheine konnten ihmnoch angerechnet werden. 68 Prüfungen konnte er damit vorweisen, dafehlten noch 38 für den Abschluss. Danach schrieb er seineDiplomarbeit. Betreut wurde er von einem Professor, der in den 70-erJahren mit ihm zusammen studiert hatte.

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