Poetry-Slam in Siegburg Siegburger küren den besten Poeten

SIEGBURG · Als "Captain Latin" hat er sich in Rage geredet und damit das Publikum überzeugt: Christof mit F siegt beim Jahresfinale der Siegburger Poetry-Slam-Reihe „Mutanfall“. Zuvor lieferte er sich ein heißes Duell mit dem Zweitplatzierten.

Extremer konnten die äußerlichen Unterschiede nicht sein. Auf der einen Seite der bekennende Heavy-Metall-Fan Micha-El Goehre (Essen) mit einer Haarpracht bis kurz vor die Kniekehle, auf der anderen Seite der Latein- und Geschichtslehrer „Christof mit F“ (Herne), der frisurtechnisch ein wenig an einen „Popper“ der 1980er Jahre erinnert. Beide Poeten waren die Stars des Jahresfinales der Poetry-Slam-Reihe „Mutanfall“, die seit zwei Jahren im Siegburger Kulturleben einen festen Platz eingenommen hat und am Freitagabend zum zweiten Mal in der Rhein-Sieg-Halle den Besten aus vier Veranstaltungen kürte.

Bis zum finalen Wortgefecht war es ein Kopf-an-Kopfrennen, das Christof schließlich für sich entschied. Fast zwei Drittel der rund 800 Besucher entschieden sich per Stimmkarte für ihn. Micha-El Goehre punktete unter anderem mit einem Vortrag „aus dem Leben eines Black-Metall-Fans“, zu dessen Lieblingsspeisen „blutiges Steak mit Mettbeilage“ gehört und der als Schüler einer Waldorfschule sogar „seinen Namen headbangen kann.“

Pöbeln wie Klaus Kinski

Christof mit F, alias „Captain Latin“, begrüßte das Publikum bei jeder seiner Darbietungen mit einem schüchternen „Hi“, um dann breit grinsend vom Leder zu ziehen. So bepöbelte er in bester Klaus-Kinski-Manier die Zuhörer als „Spacken“ und „Vollpfosten“, um am Ende seiner Verbalattacken anzumerken, dass er so die Klasse 5b eines Gymnasiums während einer Beurteilung seiner Lehrerbefähigung durch eine Prüfungskommission zusammengefaltet habe. „Meine Schüler stehen auf Gangster-Rap, und ich hab ein Problem, sie zu erreichen.“ Also wolle er sie da abholen, wo sie stehen, kündigte er an und spulte seinen „Lateinlehrer Lateinschüler Disstrack“ runter, dass den Zuhörern bei der Sprachgeschwindigkeit schwarz vor Augen wurde. Aber er teilte auch in eine andere Richtung aus: „Wenn sich hier noch einer über Flüchtlinge mit Smartphones echauffiert und seinen Fremdenhass in schlechtem Deutsch artikuliert, bekommt er von mir ganz ungeniert, ein Wörterbuch von Langenscheidt – längsseits rektal eingeführt.“

Ein weiterer Pädagoge, Johannes Schröder (Berlin), der sich selbst als „Beamter mit Frustrationshintergrund“ bezeichnete, lobte als Deutschlehrer die eigene Muttersprache und versuchte, möglichst cool das weibliche Geschlecht für sich zu gewinnen. Obwohl er bekannte, seine Liebesfähigkeiten hätten „die gattungsspezifischen Eigenschaften einer Kurzgeschichte.“ Begeistert war der Saal auch von Stefan Unser, (Malsch bei Karlsruhe), der es sich nach eigenen Worten zur Aufgabe gemacht hat, die Menschen zu erfreuen. So fahre er mit seinem Fiat Panda auf der Autobahn hinter Lastwagen her und ziehe nach links rüber, sobald er einen Audifahrer im Rückspiegel sichte. „Freu dich, dann lass ich dich vorbei“, mache er dann dem Fahrer hinter sich per Mimik und Gestik klar.

Leider erreichte Unser ebenso wenig das Finale wie Luca Swieter (Aachen), die „einen dunklen Text aus meinem Leben – der Pubertät“ vortrug, oder für Vorjahressieger Sascha Thamm, der seine guten Vorsätze fürs neue Jahr vorstellte und verwarf. Neben umwerfend witzigen Beiträgen gab es auch Nachdenkliches. So von Oscar Malinowski (Aachen), der sich fragte, „wo ist die Liebe hin“, von Sim Panse (Bremen), der die Kluft zwischen Arm und Reich thematisierte und von Artem Zolotarov (Mainz), der Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Vorurteile bitterböse an den Pranger stellte.

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