Interview mit Thomas Weissenberg „Raumfahrt-Diplomat“ spricht in Siegburg

Siegburg · Der Siegburger Thomas Weissenberg reist für die Europäische Raumfahrtagentur um die Welt. Am Freitag hält er einen Vortrag im Siegburger Stadtmuseum.

Wie nah kommen Sie in Ihrem Job dem Weltraum tatsächlich?

Thomas Weissenberg: Bisher nicht näher als in einem Flugzeug. Aber irgendwann möchte ich mal einen Parabelflug machen und die Schwerelosigkeit erleben.

Anders gefragt, wie nah kommen Sie in Ihrer Tätigkeit der Raumfahrt?

Weissenberg: Ich arbeite bei der ESA in der Abteilung „External Relations“ und bin zuständig für internationale Zusammenarbeit, also grob gesagt Raumfahrt-Diplomat. Ich bin also eher im administrativen Bereich tätig. Allerdings stehe ich in ständigem Kontakt mit unseren Ingenieuren, Wissenschaftlern und arbeite auch eng mit den Astronauten oder Leitern der Raumfahrkontrolle zusammen. Wir im Bereich „Internationales“ sind Generalisten und müssen von allen Programmen, die wir bei der ESA machen, zumindest ein bisschen Ahnung haben.

Wir erleben derzeit zahlreiche Krisen und politische Konflikte, zudem weltweit ein Erstarken des Nationalismus. Spiegelt sich diese Entwicklung auch in der internationalen Raumfahrt wider?

Weissenberg: Die weltweite Zusammenarbeit in der Raumfahrt funktioniert wunderbar. Natürlich gibt es auch noch immer eine gewisse Konkurrenz, aber es ist klar geworden: Es läuft nur miteinander. Bestes Beispiel: Die Amerikaner haben 2011 ihr Shuttle-Programm eingestellt und fliegen seitdem mit den Russen – trotz Krimkrise, trotz des Krieges in Syrien funktioniert die Zusammenarbeit gut.

Seit einigen Jahren scheint das Interesse an der Raumfahrt wieder gestiegen zu sein. Daran dürfte der deutsche Astronaut Alexander Gerst, der Bilder und Erlebnissen seiner Missionen mit Millionen Menschen im Internet teilt, einen großen Anteil haben.

Weissenberg: Auf jeden Fall. Astronauten sind ja heute fast schon Pop-Stars – nicht nur hier in Deutschland mit Alexander Gerst. Die Belgier hatten Frank de Winne, die Holländer André Kuipers, und die Dänen hatten mit Andreas Mogensen vor drei Jahren ihren ersten Raumfahrer im All.

Was bedeutet das für die Raumfahrt?

Weissenberg: Diese Astronauten sind unglaublich wichtig für die Europäische Raumfahrtagentur und auch für die nationalen Agenturen. Es sind Botschafter für die Raumfahrt. Wir brauchen die Begeisterung und das Bewusstsein dafür, wie wichtig Raumfahrt ist, in der Bevölkerung und auch in der Politik. Wir kämpfen um Budgets, wie andere Wissenschaftsbereiche auch. Die bemannte Raumfahrt wird weitergehen, davon bin ich überzeugt. Gerade jetzt tut sich ungemein viel.

Was sind Weltraumfahrer für Menschen?

Weissenberg: Das sind Multitalente. In den 60er oder 70er Jahren waren die meisten Astronauten Testpiloten und verwegene Abenteurer, irgendwann kamen dann Wissenschaftler hinzu. Was die Astronauten heutzutage auszeichnet – abgesehen davon, dass sie super gut ausgebildet sind: Das sind ganz ausgeglichene, teamfähige Menschen. Man sitzt monatelang in einer kleinen Dose, es ist eng, es riecht nicht gut. Da muss man ruhig bleiben, vor allem, wenn einmal was schief geht.

Gibt es nicht erst einmal hier auf der Erde genug Probleme zu lösen?

Weissenberg: Ja, und gerade dafür brauchen wir die Raumfahrt. Sie ermöglicht den globalen Blick. Wir können heute schon fast alles beobachten und Daten sammeln – etwa zur CO2 -Konzentration oder zu Spurengasen. Wir messen regional und global die Bodenfeuchte, die Veränderungen von Eismassen oder Vegetationswachstum. Mit den Zeitreihen, die wir daraus generieren, werden Wissenschaftler noch Jahrhunderte arbeiten. Den Blick von oben möchte heute kein Wissenschaftler mehr missen. Die bemannten Raumfahrtmissionen erhalten sehr viel Aufmerksamkeit, mir ist aber auch wichtig: Raumfahrt ist noch sehr viel mehr als das. Aus ihr resultieren zahlreiche Anwendungen, die uns im alltäglichen Leben wiederbegegnen.

Gleichzeitig ist Raumfahrt aber auch eine sehr teure Unternehmung.

Weissenberg: Es hält sich tatsächlich sehr in Grenzen, was wir zahlen. Die Deutschen geben ganz grob 900 Millionen in das europäische Raumfahrtprogramm, etwa 300 Millionen in das nationale Raumfahrtprogramm sowie rund 200 Millionen in den Forschungsbereich des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Zusammen mit etwa 200 Millionen für den Verteidigungsbereich macht das zusammen ungefähr 1,6 Milliarden Euro. Das sind knapp 20 Euro pro Steuerzahler und Jahr.

Wo sich der Mensch aufhält, bleibt Müll zurück. Laufen wir nicht bereits Gefahr, im All unsere Fehler auf der Erde zu wiederholen?

Weissenberg: Weltraummüll, auch Space Debris genannt, ist tatsächlich ein Riesenproblem und wir Europäer versuchen auch dagegen anzugehen. Es gibt mittlerweile etwa 700 000 bekannte, bis zu einem Zentimeter kleine Teile, deren Orbit wir verfolgen und berechnen können. Sie fliegen mit einer Geschwindigkeit von rund 29 000 Stundenkilometern. Bei drohender Kollision muss der Orbit eines Satelliten oder der Raumstation angepasst werden. Die Gefahr besteht, dass es irgendwann zu einem Kaskadeneffekt kommt und dann können wir nichts mehr gefahrlos da hoch schicken.

Was ließe sich dagegen tun?

Weissenberg: Es gibt zwei Wege, die wir verfolgen: Keinen neuen Müll erzeugen und den vorhandenen Müll einsammeln beziehungsweise unschädlich machen. Leider hakt es bei der verbindlichen politischen Umsetzung. Es gibt den UN-Weltraumausschuss, der tagt einmal im Jahr. Dort werden globale Fragestellungen auf UN-Ebene behandelt. Das wäre das Gremium, in dem sich die 87 Mitgliedsstaaten auf eine Lösung zur Müllvermeidung einigen könnten. Aber eine solche Lösung würde wiederum höhere Kosten verursachen und davor schrecken noch viele Regierungen zurück.

In Sachen Raumfahrt reisen Sie viel, bleiben aber immer auf der Erde. Haben Sie manchmal Fernweh nach den Sternen

Weissenberg: Aber ja. Leider können wir hier viel zu selten einen richtig klaren und vollen Sternenhimmel sehen. Als ich in Afrika gearbeitet habe, konnte ich einen Sternenhimmel sehen – das war einfach unglaublich. Das ist so voll da oben, da ist so viel und wir haben noch so viel zu entdecken. Auch, ob es da draußen noch andere Leben gibt.

Über diese Frage denken auch Weltraum-Diplomaten nach?

Weissenberg: (lacht) Na klar, spätestens bei einem Glas Rotwein philosophieren natürlich auch wir mal über diese Fragen. Es wäre doch unglaubliche Platzverschwendung, wären wir im All tatsächlich ganz alleine. Ob wir jemals Kontakt bekommen werden? Das steht auf einem anderen Blatt. Die Distanzen, zeitlich wie räumlich sind einfach so gewaltig. Aber wir müssen nur irgendwann Lebensspuren finden, dann wäre klar, dass das Leben nicht nur auf der Erde entsteht.

Der Vortrag von Thomas Weissenberg richtet sich an Weltraum-Enthusiasten bis zum skeptischen Wissenschaftskritiker. Die Veranstaltung mit anschließender Fragerunde beginnt am Freitag, 30. November, um 19 Uhr in der Aula des Stadtmuseums, Markt 46 in Siegburg.

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