Interview Ralph Bergold über das Jahr mit dem Katholisch-Sozialen Institut

Siegburg · Interview mit Direktor Ralph Bergold über das erste Jahr mit dem Katholisch-Sozialen Institut auf dem Michaelsberg in Siegburg. Dort hat das Erzbistum Köln für 46 Millionen Euro die Abtei saniert und durch einen Neubau ergänzt.

Der Mann hat einen der höchstgelegenen Arbeitsplätze in der Region. Und einen der schönsten. Von seinem lichtdurchfluteten Büro aus kann Professor Ralph Bergold weite Teile der Region überblicken. Der 59-Jährige ist Direktor des Katholisch-Sozialen Instituts (KSI), das vor einem Jahr von Bad Honnef auf den Michaelsberg in Siegburg gezogen ist. Dort hat das Erzbistum Köln für 46 Millionen Euro die Abtei saniert und durch einen Neubau ergänzt. Wie das erste Jahr gelaufen ist, wie sich das KSI entwickelt und welche Pläne anstehen – darüber sprach Bergold mit Nadine Quadt und Dominik Pieper.

Wie lebt es sich hier oben auf dem Michaelsberg?

Ralph Bergold: Dieser Berg hat was! In der Kombination mit der ehemaligen Abtei und unserem faszinierenden Neubau entstehen hier Vibrations, die sich auf Mitarbeiter wie auch auf Tagungsgäste übertragen. Die Gäste sind begeistert. Da gab es keinen, der nicht die Dachterrasse auf dem Neubau besucht hat. Damit haben wir einen ganz neuen Ort geschaffen, der eine grandiose Aussicht bietet.

Das Katholisch-Soziale Institut auf dem Michaelsberg
25 Bilder

Das Katholisch-Soziale Institut auf dem Michaelsberg

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Sind alle Arbeiten abgeschlossen?

Bergold: So ziemlich. Wegen Gewährleistungsprozessen, wie sie bei einem Projekt dieser Größenordnung üblich sind, ist noch nicht alles fertig. Zum Beispiel die untere Terrasse an den Büros.

Wie wirkt sich dieser besondere Ort auf Ihre Arbeit aus?

Bergold: Bei der Gestaltung des Programms haben wir jetzt mehr Möglichkeiten als in Bad Honnef. Wir können uns stärker mit aktuellen Themen der Politik und der Gesellschaft auseinandersetzen. So haben wir den Bereich Ethik ausgebaut, es gibt eine neue Reihe zu Menschenrechten, wir widmen uns verstärkt der interreligiösen Arbeit. Um nur ein Thema herauszugreifen: In der neuen Reihe „Wir und die anderen“ beschäftigen wir uns mit Identität – ein brennendes Thema unserer Zeit in einer sich immer schneller drehenden Welt. Was bedeutet Identität im Beruf, im Alltag, in der Freizeit, in der Gesellschaft? Wir wollen Fragen wie diese in die Diskussion bringen, indem wir Multiplikatoren ansprechen. Aber allein schon die Tatsache, dass wir jetzt auf diesem Berg mitten in der Stadt sitzen, hat unseren Blick verändert.

Inwiefern?

Bergold: Wir schauen weit in die Region, die Region schaut auf uns. Dadurch ergeben sich neue Beziehungen und Kooperationen. Mit Stiftungen und sozialen Einrichtungen ebenso wie mit der Industrie- und Handelskammer und der Uni Bonn. Das gilt auch für Siegburg, wo wir Teil des städtischen Lebens sein wollen. Nah bei den Menschen sein und nicht im Elfenbeinturm sitzen – das ist unser Auftrag.

Wie steht es mit klassischen KSI-Angeboten wie der Schulung von Arbeitnehmern aus dem kirchlichen Bereich? Läuft das weiter?

Bergold: Ja, das hat uns in 70 Jahren immer ausgemacht. Ganz im Sinne von Kardinal Frings: Arbeitnehmerbildung ist ein wichtiges Kriterium für die Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen.

Wie ist die Belegung Ihres Hauses?

Bergold: Sehr gut. So muss es auch sein, da bei einer Investition von mehr als 40 Millionen Euro der ökonomische Druck größer ist als in Bad Honnef. Wir hatten dort 20 000 Tagungsgäste im Jahr, nun bewegen wir uns auf die 30 000 zu. Kaum ist ein Zimmer frei geworden, ist es auch schon wieder belegt. Es kommen kirchliche Organisationen zu uns, dort liegt für uns als kirchlicher Tagungsbetrieb auch weiterhin die Priorität. Doch auch bei den freien Trägern – Unternehmen, Behörden, Verbände – ist das Interesse groß.

Wie entwickelt sich bei so einer Nachfrage der Verkehr? Die Stadt hat ja mit der Baustraße eine Zufahrt zum KSI beseitigt.

Bergold: Das war aus unserer Sicht zu früh, wir waren daran auch nicht beteiligt. Die Stadt hat zwar angekündigt, dass sie die Straße nach Abschluss der Bauarbeiten zurückbaut. Aber man hätte noch eine Weile die Verkehrssituation beobachten können. Wir haben den ganzen Tag über Verkehr, die Autos fahren die Bergstraße rauf und runter, dazu kommen Lieferverkehr und Müllabfuhr. Ich will mir nicht ausmalen, was bei einem Notfall passieren würde, wenn Einsatzfahrzeuge schnell durchkommen müssen. Ich hätte mir vorstellen können, dass man die Baustraße erhält, aber für den öffentlichen Verkehr sperrt und für Rettungswagen oder Anlieferungen vorhält. Das hätte man sich in Ruhe anschauen müssen. Aber auch bei uns ist noch nicht alles optimal: Die Tiefgarage wird von vielen als zu eng empfunden. Da müssen wir noch nacharbeiten.

Bereits seit 2013 ist der Orden der Unbeschuhten Karmeliten auf dem Berg. Verstehen Sie sich gut mit den Nachbarn?

Bergold: Wir kommen im Alltag gut klar, aber wir sind an einer verstärkten Zusammenarbeit interessiert. Deshalb haben wir jetzt die Initiative ergriffen. Wir wollen die Karmeliten beim Thema Spiritualität einbinden. Sie bieten zum Beispiel eine Gebetsschule an.

Der Berg bleibt weiterhin Baustelle, da die Stadt ihn neu gestaltet. Was versprechen Sie sich davon?

Bergold: Zunächst einmal fand ich die Botschaft toll, dass mit unserem Einzug auch die Sanierung und die Neugestaltung des Bergs eingeleitet werden. Es war ja alles zugewuchert, viele Bäume sind nicht standsicher. Insofern begrüßen wir es, wenn die Stadt investiert, Flächen freilegt und Wege wieder zugänglich macht. Das passt auch zum Charakter unseres Hauses. Wir sind offen, wollen mitten im Leben sein – das ist schon ein Unterschied zu den Zeiten, in denen die Abtei Kloster, Irrenheilanstalt und Zuchthaus war.

Können Sie sich vorstellen, dass der Michaelsberg wieder als Veranstaltungsort genutzt wird?

Bergold: Absolut. Unser Innenhof oder der Südpark, der ja beinahe schlossartiges Ambiente hat, würden sich hervorragend für Kulturveranstaltungen eignen. Wir haben mit dem „Anno17“ gerade erst in der Vorburg einen gastronomischen Betrieb eröffnet, der gut angenommen wird. Offen ist noch, wie der Friedhof gestaltet wird. Dort sind die Benediktiner bis hin zu Altabt Placidus Mittler beerdigt. Wir überlegen, inwieweit wir uns als KSI dieses Gelände zu eigen machen – vielleicht mit Informationen zu Historie und Personen. Das ist aber noch nicht geklärt.

Wird die Kirche Sankt Michael saniert?

Bergold: Das ist wünschenswert und nötig, da dort Investitionsstau herrscht. Das wurde nach der Sanierung des Abteigebäudes deutlich – nicht nur, weil die Farbe des sanierten Gebäudeteils von dem Gelbton der Kirche abweicht. Im Zuge einer Renovierung müsste man sich dann auch Gedanken über das Grab des Heiligen Anno machen, das sich ja in der Kirche befindet. Es muss sichtbarer gemacht werden.

Nun haben Sie am Sonntag in Kooperation mit dem Stadtmuseum die Ausstellung des Künstler-Stars Markus Lüpertz eröffnet. Wann kommen Gerhard Richter und Georg Baselitz nach Siegburg?

Bergold (lacht): Die Kultur ist uns tatsächlich ein Herzensanliegen. Unser Wunsch ist, jedes Jahr einen bedeutenden Künstler oder eine bedeutende Künstlerin nach Siegburg zu holen, in Kooperation mit dem Stadtmuseum. Das hat im Falle von Lüpertz hervorragend geklappt, und wir ergänzen uns als Einrichtungen gut. Wir haben viele gute Gespräche, mit dem Museum wie auch mit der Stadt.

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